Ich habe es jüngst anklingen lassen: Ich trage seit drei Tagen dieselben Socken.

#Aufschrei, ich weiß.

Ich entschuldige mich bei dieser Gelegenheit bei meinen Mitmenschen, die das inzwischen auch schon gemerkt haben dürften. In zahlreichen Kommentaren hier im seppolog erntete ich dafür Unverständnis gepaart mit Verständnislosigkeit, aber nicht Unverständnislosigkeit. Daher nutze ich die Gelegenheit nun auch dazu, die Geschichte um diesen Socken-Fauxpas in aller Ausführlichkeit darzulegen.

Was also geschah:

Jeden Montag pendele ich mit dem ICE von Düsseldorf, meiner Wohnstadt, nach Berlin, meiner Arbeitsstadt, bevor ich am Mittwoch jeder Woche zurückpendele. Der Sonntag ist somit der Tag, an dem ich meinen Koffer packe, wobei ich Woche für Woche eine Packliste abarbeite, um bloß nichts zu vergessen, da ich Vergessen ablehne. Wider das Vergessen!

Einige Dinge stehen jedoch nicht auf dieser Packliste: Kleidungsstücke. Ich bin der Meinung, dass ich durchaus dazu in der Lage bin, mir für jeden Tag zwei Paar Socken einzupacken. Richtig, zwei. Ich bin Frischewäschefetischist. Ich wechsele einmal am Tag meine Socken und ich sage nicht, dass das normal ist. Ich mache es dennoch.

Weiters packe ich mehrere Unterhosen, T-Shirts, Hemden, Hosen, kurze wie lange, und so weiter. Doch wie das so ist bei Routinetätigkeiten: Man lässt den Dings, na, wie heißt es, den Dings schleifen. Komme nicht auf das Wort. Muss eben googeln. Den Schlendrian! Aber nicht „schleifen“. Man dingst den Schlendrian. Ich muss weitergoogeln.  Einreißen. Also, wie das so ist bei Routinetätigkeiten: Man lässt den Schlendrian einreißen. Und so geschah am Montagabend Ungeheuerliches!

In der Tat lege ich mir abends bereits die Kleidung für den Folgetag raus. Das hat hier in Berlin Gründe, die darzulegen zu weit führen würde oder die wie die Sockenproblematik irgendwann ihren eigenen Artikel bekommen. Der Leser hat bis dahin hinzunehmen, dass ich so verfahre, weil es Sinn ergibt. Und nun stelle ich am Montagabend erschüttert fest:

Socken vergessen!

Weil ich ein Ordnungspedant bin, kann ich das zunächst nicht glauben. Ich durchwühle den Koffer, doch nein, ich finde keine Socken.

So etwas setzt mir zu. Ich kann für mich nicht akzeptieren, Dinge zu vergessen. Schon gar nicht derart Profanes. Ich fühle mich tatsächlich schlecht. Ausgerechnet ich vergesse etwas. Ich wühle zehn Minuten später abermals und finde wieder keine Reservesocken. Betrachte dann die Socken, die ich gerade trage und nehme eine Duftprobe.

„Geht noch.“

Werde sie also am Dienstag ein weiteres Mal tragen – und eben auch am Mittwoch.

Dienstagabend, also gestern: Ich ziehe die Schuhe aus. Eine Wolke kommt mir entgegen. Ich staune. Hebe den Fuß mit dem rechten Vertreter jener Socken und rieche. Untragbar. Im Wortsinne. Untragbar. Ich kann sie unmöglich am Mittwoch (heute!) abermals tragen.

Tue ich aber.

Doch, so schrieben mir einige meiner Leser, gebe es Lösungen für dieses Problem! So nahe liegende!

Leserin  Hedwig schrieb mir:

und in Berlin gibt es sogar Läden, wo man sich Socken kaufen kann

nachdem mir Leserin Nati geschrieben hatte:

Wie kann man nur 3 Tage lang die selben Socken tragen? Brrr, es schüttelt mich. Es gibt doch so tolle Reisetuben mit Flüssigwaschmittel. Zur Not tut es auch Seife oder Duschgel. Und so jemand ist für die Wäsche zuständig. Tss, Kopfschüttel…

Dazu stelle ich fest, was ich vorher aber schon kundtat, damit das legitime Recht meiner Leser, Antwort zu bekommen, hier bedient wird, was als ganz selbstverständliche Serviceleistung des seppologs verstanden werden darf: All diese vorgschlagenen Möglichkeiten hatte und habe ich eben nicht. Und natürlich ist das Tragen derselben Socken über drei Tage ein Vabanquespiel. Wie man das nur tun kann?! Naja, genau das begründete ich ja, hier nun in der gebotenen Ausführlichkeit.

In Berlin gebe es Läden, in denen man Socken kaufen kann. Dazu muss ich wohl erwähnen, dass ich mich zwar in Berlin aufhalte, von der Stadt jedoch nichts sehe. Denn ich bin hier, weil ich hier arbeite und schlicht nicht dazu komme, mir die Stadt anzusehen. Was aber auch nicht weiter dramatisch ist; es gab und gibt dazu genug Gelegenheit an anderer Stelle. Aber eben nicht, wenn ich abends um 22 Uhr das Büro verlasse, wie es derzeit mitunter der Fall ist, teilweise deutlich später. Um es abzukürzen: Ich habe so spät abends caine Lust, mir Socken zu kaufen. Zumal es der Leser selbst war, der mir immer wieder sagte, dass Spandau gar nicht Berlin sei!

Kaufe er also morgens. Dazu gleich mehr. Vorab die Handwäsche:

Über eine Handwäsche habe ich freilich auch nachgedacht. Dagegen sprach der Umstand, dass ich nicht das Risiko feuchter Socken eingehen wollte, auch wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass diese über Nacht trocknen würden. Doch in einem Energiesparhaus herrscht ein anderes Klima, da trocknen die Dinge nicht einfach mal so von selbst.

Kollege und Mitbewohner Christopher bot mir seinen Haartrockner an, um die Socken zu trocknen. Sehr gute Idee. Die ich schon als Sechsjähriger einmal hatte, wonach die Feuerwehr anrücken musste. Davon sehe ich also aus Prinzip ab, ich verzichtete auf die Handwäsche.

Socken morgens kaufen. Guter Vorschlag, aber hier kommt die Verhältnismäßigkeit in Spiel. Soll ich mir jetzt ernsthaft irgendwelche Socken kaufen, nur weil ich meine am Sonntag einzupacken vergessen habe!? Der Leser muss wissen, dass ich ausschließlich Socken mit „Simpsons“-Motiven trage. Kaufte ich nun Socken – sehr wahrscheinlich nur ohne entsprechendes Motiv zu haben -, würde ich diese nie wieder anziehen. Mangels Motiv. Das ist so ein spleen von mir, das muss man leider so hinnehmen. Ich werde doch nicht meine Sockenpolitik überdenken, nur weil ich einmal meine Socken zuhause gelassen habe!

Also trage ich dieses Paar Socken drei Tage lang. Es wird mich nicht umbringen; sehen wir es als kleines Experiment. Es wäre doch Anzeichen der Überkonsumgesellschaft, mir einfach neue zu kaufen. Dieser Aspekt wäre von anderen Lesern sicherlich umgehend auf meinem Tisch gelandet.

Ist es nicht geradezu ironisch, dass ich als Frischewäschefetischist nun mit Dreitagesocken herumlaufe? Ist es nicht sogar bewundernswert, dass ich über meinen Dings springe? Mir fehlt abermals das Wort. Ich googel kurz. Ha! Schatten! Der Schatten fehlte mir. Ist es nicht sogar bewundernswert, dass ich über meinen eigenen Schatten springe? Ja, ist es. Und in rund zwölf Stunden werde ich mich meiner Socken entledigen können und sie dann mehrfach bei 95 Grad waschen!