„Wirst du mit ’nem Hut wandern gehen?“, fragte mich gestern Abend meine Mitbewohnerin.

„Warum? Hut ist wieder out.“

„Hut ist nicht out.“

„Doch, bei mir schon. Passt nicht zu meinem neuen sportlichen Image.“

„Schade.“

„Warum schade?“

„Weil der Hut auf deinem Kopf mir im Urlaub immer signalisiert, dass Urlaubsseppo ™ zurück ist.“

Urlaubsseppo ™. Meine eigene Erfindung, die mir nun um die Ohren fliegt. Meine Mitbewohnerin mag die Urlaubsversion von mir mehr als die Alltagsvariante. Das hat sie so deutlich nicht gesagt, aber das ist auch nicht zu übermerken.

Vor zwei Jahren schuf ich, Frankenstein gleich, meine zweite, meine Urlaubspersönlichkeit. Im Urlaub bin ich, wie vermutlich viele von uns, ein anderer Mensch. Ich selbst schrieb dazu hier im seppolog:

Wahnsinnig spontan, verrückt, risikoaffin, locker und leicht – alles Eigenschaften, die mir abgehen. Doch einmal im Jahr vollziehe ich eine nicht uninteressante Wandlung, die mich für meine Mitbewohnerin unfassbar attraktiv macht, sodass sie mich im Grunde umgehend bespringen möchte: Ich mutiere zum so genannten „Urlaubsseppo“.

Weil ich aus allem direkt eine Marke machen muss, die meinen Namen enthält, wurde „Urlaubsseppo“ ™ schnell zu einem Garant für die Art Mann, auf die Frau doch im Grunde steht, sofern sie sich nicht auf ewig binden will: auf den unverbindlichen Abenteurer mit leicht machohaften Zügen, zumal es damals wichtig war, gegen die attraktiven Spanier anstinken zu können, auch wenn mir hätte klar sein müssen, dass man in einem Mallorca-Urlaub auf alles stößt, nicht aber auf Spanier. Und weil ich es heute eher schlechter als besser beschreiben könnte, zitiere ich meine eigene Definition vom Urlaubsseppo ™:

Urlaubsseppo ist purer Sex. Das ist kein Eigenlob, das ist eine ganz simple Feststellung. Mit Urlaubsseppo will man schlafen. Urlaubsseppo ist das Versprechen größtmöglicher Befriedigung. Urlaubsseppo ist das „Made in Germany“ des Beischlafes. Urlaubsseppo ist der K.O. ohne Tropfen.

Ich habe früher viel besser geschrieben. Schade. Ich lasse nach. Ich mochte meine frühen Werken …

Nun, in zwei oder drei Wochen – ich weiß es gar nicht genau – steht ein Wanderurlaub an: in den Alpen. Bayern, um genauer zu sein, wo man gefühlt mehr Ausländer trifft als auf Mallorca.

Einen solchen Satz kann man nicht mehr einfach so hinschreiben, im derzeitigen politischen Kontext wird er missverstanden. So weit sind wir schon. Mit „Ausländer“ meine ich natürlich die Bayern, nicht die Ausländer, die womöglich als Flüchtlinge in unser Land kommen, was ich übrigens gut finde. Und weil ich es gut finde, wurde ich am Wochenende als „dumm“ bezeichnet. Von einem AfD-Sympathisanten, was schon viel Komisches hat. Was ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen muss, ist die Tatsache, dass ich als Mitglied der SPD derzeit überlege, der CDU meine Stimmen zu geben, also Merkel letztlich, allein, um es der AfD zu zeigen. Aber ich schweife in meiner Wut gegen etwaige Nazis hier ab und betone, dass natürlich nicht alle AfD-Freunde Nazis sind. Armageddon für Deutschland.

 

Meine Prognose für die Wahl ist anders als noch vor ein paar Wochen die, dass die AfD ein deutlich „besseres“ Ergebnis einfahren wird (Parteien fahren Ergebnisse immer ein …) als prognostiziert. Mir fällt bitter auf, dass hartes rechtes Gedankengut wieder salonfähig geworden ist wie auch nationalsozialistisches Vokabular, das wir bald wohl auch im Parlament wieder hören werden. Aus dem Mund von Leuten, die dumm sind, gefährlich dumm, geistesgestört (was man keinem vorwerfen kann) und einfach nur kacke. Was mir übrigens in der öffentlichen Diskussion völlig fehlt, ist das klare Benennen dieser ordentlichen Schande, die da derzeit in unserem an sich doch so großartigen Land vor sich geht. Es hat eine Entwicklung eingesetzt, die eigentlich nicht ansatzweise hinnehmbar sein dürfte, die mir viel zu wenig scharf verurteilt wird. Ein Bollwerk an Widerstand haben wir denen entgegenzusetzen, die lediglich als „rechtspopulistisch“ bezeichnet werden, was ich nicht mehr hören kann, sind sie teilweise doch hart rechtsradikal und hochgradig demokratieverachtend und -gefährdend. Und das eigentlich Lustige dabei: Sie sind genau so plump und doof wie die Nazis 33. Sie bedienen sich derselben Methoden. Sie skandieren „Lügenpresse“, placieren Tabubrüche, um zurückzurudern, aber das Niveau dann doch insgesamt zu senken, und vor allem saugen sie ihre Energie aus der Wut der Bürger, die – man fasst sich an den Kopf ob so viel Abgedroschenheit – „die da oben“ verachten, obwohl ihre Alternative, der sie blind hinterherlaufen, kein Deut besser ist, sondern bereits einen Abgrund buddelt. Würde man wirklich Groll gegen „das Ausland“ hegen, müsste man sie – Gauland lässt grüßen – dort entsorgen. Aber es will sie dort natürlich niemand haben. Freunde, da spricht jemand von „entsorgen“! Geht’s noch?! Und leider ist das symptomatisch.

Früher hatte ich geglaubt, zur NS-Cait wäre ich so ein übler Mitläufer geworden. Heute stelle ich befriedigt fest, dass ich bereits an der Gründungs-Präambel einer Widerstandsgruppe schreibe.

Ich brauche ganz offensichtlich Urlaub. Und diese Erholung hole ich mir über das Wandern, denn körperliche Betätigung ist die beste Methode, um Stress abzubauen. Und darum geht es mir in diesem Jahr mehr denn je. Doch eine Frage beschäftigt mich:

Wenn meine Mitbewohnerin sich so sehr nach Urlaubsseppo ™ sehnt, welchen Stand hat dann noch Alltagsseppo?! Was gefällt ihr so an meiner Urlaubsausgabe? Ich frage sie in diesem Moment, da wir eh gerade darüber diskutieren, ob wir die Bettdecken von „Lidl“ kaufen, die derzeit im Angebot sind. Und das ist ihre Antwort, die wie aus der Pistole geschossen mich via Facebook erreicht:

Er ist spontan, hat weniger bedenken als der zuhauseseppo und probiert Dinge aus

Sie hat sogar einen eigenen Namen für meine Nicht-Urlaubsvariante! Zuhauseseppo ™. Was bin ich doch für ein Langweiler!

Die Decken, schreibt sie, seien im Übrigen ausverkauft. Offenbar korrespondiert sie gerade direkt aus dem Lidl mit mir.

Habe aber etwas anderes das dich freuen wird
Was denn?
Mache ich später Foto von

Wie spannend! Sie bringt mir was mit! Was es wohl sein kann? Etwas für den Urlaub? Ich werde es hier gegebenenfalls nachreichen.

So, ich probiere also keine Dinge aus, sagt sie – zumindest indirekt. Nun, zu meiner Verteidigung: Derzeit probieren viele Dinge mich aus. Da ist man schon einmal ausgelastet. Außerdem spricht es doch für eine beneidenswerte Grundzufriedenheit, wenn ich mit dem, was ich habe und tue, zufrieden bin. Das war schon immer so und das ewige Streben nach Glück halte ich ohnehin für einen Irrweg, denn nicht der Weg ist das Ziel, sondern:

Das Ziel ist das Ziel.

Alles andere wäre ja ziemlich albern und müßig. „Der Weg ist das Ziel“ ist ein Euphemismus. Wenn nicht das Ziel das Ziel ist, führt der Weg ja nicht zu einem Ziel. So einfach ist es. Diese Erkenntnis ist übrigens auch wesentlicher Bestandteil des Seppotismus.

Derweil haben wir eine Ferienwohnung gebucht, wir warten nur noch auf die Bestätigung. Das Objekt befriedigt unsere Ansprüche, die da sind:

  • Küche/Küchennische
  • Bad
  • Bett
  • TV
  • Eigener Eingang
  • Endreinigung

Beim letzten Punkt ist manch AfD-Anhänger vermutlich nostalgisch geworden, wir meinen aber lediglich die Endreinigung der Wohnung, wenn wir diese nach zwei Wochen verlassen.

Den Anspruch „W-Lan“ habe ich gestrichen, da mir auch ein digitaler Urlaub vorschwebt, denn auch Blog und Facebook können freilich eine Art Stress verursachen. Und dieser Artikel war purer Stress für mich, da mir die Nazis meinen Blutdruck in die Höhe treiben.

Wie beruhigend doch da allein schon das heutige Beitragsbild wirkt …


Unabhängig von jenem Urlaub verabschiedet sich das seppolog mit diesem Text in eine so genannte kreative Pause auf unbestimmte Cait.

Nach 650 Artikeln wird es Zeit für etwas Neues.

Ich bedanke mich für Eure Treue über mehr als zwei Jahre, die ich stets sehr zu schätzen wusste und weiß.