„So, und was bedeuten diese Rauten da?“, frage ich meinen Manager Kraftold Kramer, der mir riet, auf „Instagram“ aktiv zu werden.

„Das, Seppo, sind hashtags.“

„Ich hielt sie für Rauten.“

„Jaaa, früher waren das Rauten! Doch nun sind es Hashtags. Beispiel: Wenn du ein Foto von deinem Hund postest-“

„Ich habe keinen Hund!“

„Das ist das Problem, du wirst vermutlich nur Bilder von dir selbst posten. Aber mal angenommen-“

„Mooooment, Kraftold!“, unterbreche ich ihn, da ich etwas besser weiß, „Social Media ist nichts anderes als Selbstdarstellung! Jeder, der dort aktiv postet, stellt sich selbst dar. Anderes zu behaupten, ist verlogen und es gibt keinen Grund verlogen zu sein. Dafür ist der Gegenstand viel zu irrelevant. Man sollte einfach dazu stehen und nicht so tun, als sei es für die Menschheit wichtig zu wissen, was man gerade frühstücke! Ich übrigens hatte einen Proteinshake heute Morgen. Hätte ich posten sollen. Übrigens wusstest du, dass es die Betrachter von Posts unglücklich macht, wenn jemand Bilder von seinem Essen postet? Das erweckt ein unbewusstes Neidgefühl, das suggeriert: Den anderen geht es besser als dir!“

„Du liest zu viel. Abgesehen davon postest du ja eher dich, wie du in einem Zug sitzt oder irgendwo durch die Wallachei joggst.“

„Ich jogge nicht durch die Walachei, die man übrigens nur mit einem L spricht, sondern durch das beschauliche Falkensee.“

„Da bin ich wohl noch nicht auf dem neuesten Stand. Also, angenommen, du postest das Bild von deinem Hund-“

„Warum sollte ich das tun? Bin ich auch mit auf dem Bild? Warum sollte ich etwas posten, wo ich nicht zu sehen bin?!“

„Da kommen wir deinem Problem gerade sehr nahe … Stelle dir vor, wie deine gute Freundin Sabrina noch heute Abend ein Foto von ihrem Hund postet, der gerade vom Frisör kommt – mit viel zu kurz geschorenem Fell: Dann wird sie unter das Bild mindestens ‚#dog‘ schreiben.“

„Warum?“

„Das macht man so. Alle machen das. Sonst sieht es niemand.“

„Aber ich folge Sabrina bei Instagram. Ich würde es sehen!“

„Du schreibst da gefälligst ‚#dog‘ und vielleicht noch ‚#fail‘ darunter. Dann finden das andere und zack!, bist du influencer.

„Ich bin dann influencer?! Heißt was?“

„Dass deine follower tun, was du sagst.“

„Hitler war influencer?“

„Ja, ein leider recht erfolgreicher. Aber es folgte ein shitstorm, der bis heute anhält.“

„Und jemand sucht bei Instagram nach ‚#dog‘? Blondie?“

„Also Hunde gehen immer. Ob deine Visage nun auch so gut zieht, sei dahingestellt.“

„Wie mich die Erfahrung lehrt: nein, meine Visage zieht nicht. Nur bei meiner Mitbewohnerin. Aber ich schreibe einfach unter jeden meiner Posts dann ‚#dog‘.“

Facebook ist ja out. Das lese ich seit mehreren Jahren und zwangsläufig wird es irgendwann einmal auch stimmen. Die jungen Leute, so genannte „Jugendliche“, streben eher zu „Snapchat“ oder eben Instagram. Snapchat habe ich vor einigen Wochen einmal getestet und war gnadenlos überfordert. Obwohl mein Manager Kraftold damals sagte:

„Seppo, ein besseres Instrument zur Selbstdarstellung gibt es gar nicht! Du machst da im Grunde ausschließlich selfies mit lustigen Effekten! Mit Katzenohren zum Beispiel!“

„Warum sollte ich ein Foto von mir machen mit Katzenohren? Was ist falsch mit meinen Ohren?“

„Da du fragst: Sie knicken oben nach außen ab.“

„Das macht mich liebenswürdig.“

„Warte mal das Alter ab. Dann hängt die obere Hälfte schlaff nach unten und verdeckt die untere.“

Ein kosmetischer Eingriff steht nun bevor …

Nachdem ich alle Snapchat-Filter mehrfach ausprobiert und mich mitunter sehr amüsiert habe, gab ich das Experiment schnell auf, da Snapchat einen großen Haken hat: Die Chat-Nachrichten verschwinden. Einmal die Nachricht eines Freundes gelesen – verschwindet diese. Das mag für viele attraktiv sein, nicht aber für mich, da ich leider teilweise erschreckend vergesslich bin und manches gerne noch einmal nachläse. Anders gesagt: Ich bin zu alt für Snapchat.

Nun also Instagram, wo ich schon seit geraumer Cait zumindest angemeldet bin und dem einen oder anderen folge. Rufe ich die App auf, sehe ich jenen nun kahlgeschorenen Hund von Sabrina USA, ich sehe die erstaunlichen Natur-Aufnahmen meiner Lektorin, die den Herbst sehr mag, und ich sehe solche unerträglichen Typen wie mich, die mit ihrer Fresse jedes Motiv verdecken. Ich sehe Sonnenaufgänge, die in natura nicht ganz so schön aussehen, weil man sich inzwischen an die darüber gelegten Filter gewöhnt hat (ähnliches Phänomen wie bei Geschmacksverstärkern) und ich sehe, da großer Fan davon, Aufnahmen so genannter lost places, verlassener Orte also. Und wo der Leser gerade schon mal hier ist, spreche ich ihm die dringende Empfehlung aus, einmal bei Google einfach „lost places“ einzugeben, er wird auf ganz neue Welten stoßen. Es wird Cait, dass ich solche verlorenen Orte einmal höchstselbst und unmittelbar aufsuche … (um mich dort dann zu fotografieren).

Ich war also bislang lediglich passiver Zuseher bei Instagram, der auch hier und da mal auf das Herzchen getapt hat, manchmal auch nur versehentlich. Was ich nicht schon alles bei Facebook geliket habe, weil ich mit meinem Daumen beim Runterscrollen auf dem „Gefällt mir“ hängengeblieben bin! Nicht auszudenken, ich like mal versehentlich irgend eine krude AfD-Propaganda. Dadurch öffnete man die Echokammer der Pandora …

(„Echokammer der Pandora“ unterliegt hiermit meinem Copyright, so begeistert bin ich gerade von mir selbst!)

Heute Morgen habe ich schließlich das erste Mal bei Instagram etwas gepostet. Ganz aufgeregt rief ich umgehend meinen Manager an:

„Kraftold! Ich hab’s getan!“

„Großer Gott, du hast sie umgebracht?!“

„Was? Wen? Achso, hahahaha, nein. Ich habe etwas geinstagramt!“

„Du hast was?!“

„Ich habe mich beim Laufen fotografiert und das bei Instagram gepostet!“

„Gut! Das ist doch schon einmal ein Anfang! Hast du es vertaggt?“

„Ob ich was habe?!“

„Die Hashtags! Hast du Hashtags darunter gesetzt?“

„Achso, die Rauten. Nein. Vergessen.“

„Dann sieht es niemand.“

„Soll ich nachträglich ‚#dog‘ druntersetzen?“

„Nein, lass es. Ich sehe es gerade. Du solltest an deinem Blick in die Kamera arbeiten. Wichtig ist nun, dass du jetzt nicht mehrfach am Tag etwas postest.“

„Gut. Okay. Wüsste auch nicht, was.“

Ich habe bis jetzt vier weitere Male etwas gepostet. Gab es für mein Jogger-Posting noch zehn Likes, gab es für das Bild meines highprotein-Mittagessens zwei. Hashtag dort war:

#hashtagsamarsch

…, weil ich da bereits caine Lust mehr hatte, belanglose Bilder zu vertaggen. Eben habe ich es ein weiteres Mal versucht, im Zug sitzend, freilich mit selfie, dieses Mal aber mit Hashtags:

#berlin #düsseldorf #ice #dog

Keine Reaktion. Nervös rufe ich Kraftold aus dem Zug an:

„Kraftold, habe ich möglicherweise den Trend schon verpasst? Keine Likes! Wie stehe ich denn nun da? Keine Likes – kein Selbstbewusstsein – Depression – Magersucht – Alkohol – härtere Drogen – Kriminalität – Reise nach Syrien – Anschluss an den IS – zurück nach Deutschland – Hassvideos online stellen und verbreiten …“

„Achte bitte auch bei den Hassvideos auf die korrekte Verwendung von Hashtags. Unabhängig davon, Seppo, zählt auch ein bisschen der Inhalt deiner Postings.“

„Inhalt. Puh.“

„Ich weiß, Inhalte waren nie so dein Ding.“

„Wo ist mein Koffer?!“

„Welcher Koffer?!“

„Vergiss es, sitze gerade in einem Zug, während ich das schreibe und fand kurz meinen Koffer nicht wieder. Also, Kraftold, was muss ich nun tun, damit diese Instagram-Nummer für mich zum Erfolg wird? Brauch ich das überhaupt?!“

„Nein, brauchen tut das vermutlich niemand so richtig. Du hast ja deinen Blog.“

„Und ich bekomme seltsame Freundschaftsanfragen von Bodybuildern. Das ist doch Nepp, oder?“

„Offenbar hast du bereits sehr schnell deine Präferenzen preisgegeben.“

„Krafttraining wird leider immer wieder mit Bodybuilding verwechselt …“

Nun ist es ja so, dass diese sozialen Medien in großen Teilen einfach nur ein gewisser Spaß sind. Jeder hat so seine Motive, warum er sie nutzt und vor allem, auf welche Weise. Facebook ist für mich schon allein wegen oben angesprochener Freundin unabdingbar, auch wenn ich es exzessiv für andere – verzichtbare! – Dinge nutze. Mir ist bewusst, dass natürlich nicht jeder nachvollziehen kann, warum manch einer auf jeden Zug aufspringen muss. Doch die Antwort ist ganz einfach: weil es eben geht. Das andere Extrem finde ich viel unsympathischer: wenn Menschen belehrend betonen, dass sie ja nicht bei Facebook und Co. mitmachten. Im Zweifel hat ja niemand danach gefragt. Ich habe einen sehr guten Kollegen, einen Freund, der zwar bei Facebook angemeldet ist, es aber nicht nutzt und genau das nicht an die große Glocke hängt. Gelassenheit ist es, was vielen fehlt, was ja leider ein Phänomen ist, das von der sozialen Medientechnologie befeuert wird. Und mit dieser Gelassenheit werde ich jenen Kollegen, Christopher, demnächst eine Einführung in Instagram aufzwängen.

Nichts muss, alles kann – in zehn Jahren treiben wir wieder andere Säue durchs Netz.


Übrigens bin ich jetzt auch bei Instagram! Würde mich über Gefolgschaft freuen! Ich poste Hundebilder!