Offenbar gibt es im Sportgeschäftesegment so etwas wie einen „Primark“, also einen „Aldi“ für Sportbedarf. Bis zum vergangenen Wochenende wurde ich darüber im Unklaren gelassen; bis zum vergangenen Wochenende habe ich also zu teuer eingekauft, wenn es darum ging, mein Verlangen nach Sportgeräten zu stillen. Dabei mutet es ohnehin schon grotesk an, für etwas Geld auszugeben, dessen ureigenste und einzige Eigenschaft es ist, schwer zu sein. Die Rede ist freilich von Gewichten, von Hanteln also.

Die liegen so da, bis man sie hochstemmt, um sie dann wieder möglichst sanft zu senken und wieder abzulegen. Es gibt wohl kaum eine stressfreiere Daseinsform als die einer Hantel, zumal ihre Lebenserwartung sehr hoch sein dürfte, denn wer wirft schon Hanteln weg? Ich wüsste auch gerade nicht, in welche Tonne Hanteln gehörten. Vermutlich in den Biomüll. Aber nicht in die Ozeane! Kaum auszudenken, ein Goldfisch verschluckte eine Hantel, ein Kugelfisch eine Kugelhantel. Ein Goldfisch wiederum, der eine Kugelhantel verinnerlicht hat, ginge als Kugelfisch durch.

Während ich mir nun ein Hähnchenschnitzel gönne, möge der Leser die folgenden Zeilen lesen. Ich werde dann am Ende des Textes wieder dazustoßen, sodass wir die hier besprochene Thematik im Plenum diskutieren können. Wer mag, kann sich Notizen machen.

Nun erfahre ich wohl als einer der letzten Düsseldorfer, dass in exakt dieser Landeshauptstadt vor einigen Tagen ein Geschäft eröffnet hat, das sich „Decathlon“ nennt. Es ist französischen Ursprungs, wessenthalben ich nicht weiß, wie sich dessen Name vorzugsweise wünscht ausgesprochen zu werden. Daher rate ich unwissenden Lesern wie mir zur Aussprache

De-kla-tohn.

Damit liegt man vermutlich falsch, aber auf eine naiv-sympathische Weise. Nein, ich sehe gerade, das ist wirklich falsch. Das passiert mir seit dem Wochenende immer. Das L kommt hinter dem T, also

De-ka-tlohn.

Ich las in der Lokalpresse davon, dass dieses Geschäft nun auch Düsseldorf erobern möchte und es sich daher im Keller von „C&A“ breitgemacht habe. Was bei mir die Frage aufwarf, wo denn dann „Clockhouse“ hinziehe, worauf ich noch caine Antwort habe, weil es mir eigentlich auch egal ist.

Dekatlohn sei der Billigheimer der Sportgeschäfte, las ich weiter. Auf möglichst großer Fläche werde möglichst viel Sportzubehör (zum Beispiel auch Pferde für den Reitsport) feilgeboten – ohne viel Geschnörkel, ganz so, wie man es gewohnt war, bevor Aldi und Lidl ihre Moderninisierungsoffensiven gestartet haben, weil der Kunde plötzlich meint, Ansprüche stellen zu müssen. Offenbar stellt der sportliche Konsument noch keine Ansprüche, sodass ein Dekatlohn wirklich so aussieht wie das Lager eines Sportgeschäftes; wer also ein bisschen Lagerarbeiter-Luft schnuppern möchte, der ist bei den französischen Freunden genau richtig.

„Warum wurde ich nicht informiert, dass es diese Kette gibt?!“, frage ich meine Mitbewohnerin am Freitag.

„Weil du ein Markenfetischist bist und da sicherlich nicht einkaufen würdest.“

„Ja, aber es wird doch wohl erlaubt sein, sich ein Bild davon zu machen, wie der Pöbel einkauft. Gucken könnten wir doch mal.“

Also nehme ich meiner Mitbewohnerin vor, am folgenden Samstag das Ladenlokal der Firma Dekatlohn aufzusuchen. Denn in der Tat treiben mich derzeit neue Bedürfnisse um, die sich auf die Ausstattung meines Heimgerätedings, wie sagt man?!, also meines Heim-, ich hab da halt viel Zeugs zuhause, dessen Anschaffung günstiger ist als der Mitgliedsbeitrag für ein Fitnessstudio. Auf rund 150 Jahre gerechnet.

Um in der Öffentlichkeit endlich mal erkannt zu werden, hänge ich mir das große Namensschild um, als wir uns unter den Pöbel mischen.

Samstagnachmittag, es ist so weit. Meine Mitbewohnerin und ich bewegen uns in die Stadt, wo man uns bereits erwartet, nein, wo bereits ein Hauch von weihnachtlicher Stimmung weht, weil die großen Kaufhäuser unseres Landes (die bald vielleicht doch zur „Deutschen Warenhaus AG“ verschmelzen, da nun auch „Kaufhof“ ins Trudeln geraten ist) ihre Weihnachtsbäume aufgestellt haben. Die Teile stehen meist direkt im Eingangsbereich, sodass man Gefahr läuft, in diese hineinzulaufen, worauf das security-Personal sicherlich nur so wartet, da es vermutlich ansonsten nicht viel zu tun hat. Da hebt man gerne mal einen Senior aus dem Baum.

„Ich lasse mir hier keine verfrühte Weihnachtsstimmung aufzwängen!“, deklariere ich feierlich, wovon aber nicht einmal meine Mitbewohnerin Notiz nimmt, da sie mich in der Öffentlichkeit inzwischen mehr oder weniger ausblendet. Ich finde bei ihr teilweise gar nicht mehr statt. Sie führt ein Doppelleben, möchte ich fast meinen.

Wir verlassen den Kaufhof, da wir dort auch nur zum Parken sind, und stehen alsbald vor dem Zielort, dem Dekatlohn. Wir erkennen das an einem Schild über der Tür, auf dem „Decathlon“ geschrieben steht, ein übliches Vorgehen im Einzelhandel, das der Orientierung des Konsumenten dient. Und ich bin orientiert und vor allem überwältigt!

„Wenn der Laden nur halb so groß ist wie das Schild am Eingang, dann wäre das Schild doppelt so groß und wir hätten viel zu gucken!“

Bekommt meine Mitbewohnerin gar nicht mit, denn sie hat bereits die Rolltreppe betreten, die nach unten in den Laden führt. Ich tue es ihr nach, werde in eine riesige Halle gefahren und spüre den Drang sofort umzukehren.

„Mein Gott, so viele Menschen! Und die alle haben davon gewusst, dass es diesen Laden gibt?!“, frage ich bass erstaunt.

„Ja, er ist recht groß.“

Im gleichen Moment verliere ich bereits die Lust. Es scheint mir zu anstrengend, diese Halle wirklich zu durchschreiten. Da die Regale etwa 20 Meter hoch sind, fällt jede Orientierung schwer. Auf gut Glück gehen wir also einfach geradeaus, bis uns die Menschenmasse aufgesogen hat, bis wir eins mit ihr werden, ein Menschenbrei.

Ich gehe vorbei an unzähligen Sport-BHs, an Basketbällen, an Schuhen und an Menschen in blau-weißer Uniform, in den Unternehmensfarben also.

„Das sind offenbar die Handlager. Guck mal, wie genervt die aussehen! Ich wette, die werden permanent nach dem Weg zum Ausgang gefragt. Wüsstest du noch, wo wir hergekommen sind? Ob die eine Zeltabteilung haben, falls wir übernachten müssen?“

Als ob ich mich freiwillig in ein Zelt legen würde. Es gibt Dinge, die muss ich in meinem Alter nicht mehr tun.

Wir kommen relativ schnell zu der Abteilung, die für mich interessant ist, nachdem meine Mitbewohnerin bereits günstig ein Kleidungsstück erworben hat, für das ich mein Okay gab, aber auch, weil ich weitere Anproben vermeiden wollte. Kürzlich, jeder kennt das, ging meine Mitbewohnerin „aus“,

(Nicht: Mir gingen die Mitbewohnerinnen aus.)

stand vor dem Kleiderschrank und fragte mich, ob ihre Klamottenwahl gut aussehen würde. Ich Narr sagte wahrheitsgemäß, das Oberteil passe nicht zur Hose, was einiges an Geraffel und Gefluche nach sich zog, das ich mir amüsiert auf dem Bett liegend ansah.

„Ich kann ja im Bademantel losziehen!“, etwas trotzig meine Mitbewohnerin.

„Der passt aber nicht zu den Schuhen.“

Naja, ein Vorteil der Vollverschleierung wäre in diesem Moment ja, aber gut, das ist ein heikles Thema; ich würde mich lieber mit einem anderen in die Nesseln setzen.

Zurück in den „KiK“ für Sportler, wo ich das finde, was ich online schon seit einigen Tagen gesucht hatte: Kugelhanteln, auch bekannt als kettlebells.

„Du hast doch schon welche!“, mahnt meine Mitbewohnerin.

„Ja, aber ich brauche noch die Zwölf-Kilo-Variante. Gummiert.“

„Warum gummiert? Tun sie dann nicht so weh, wenn sie dir auf die Füße fallen?“

„Einmal das und der Boden verkra- also als ob sie mir auf die Füße fielen!“

„Willst du dann jetzt 24 Kilogramm mit dir rumschleppen, wenn wir noch durch die Stadt gehen?“

„Nun, das sollte kein Problem sein, wozu trainiere ich denn?!“

„Du trainierst dafür, mit Gewichten shoppen gehen zu können?!“

„Damit ich deine Tüten tragen kann.“

„Seltsam, dass ich sie immer trage!“

Ich überzeuge sie zwar nicht, bleibe aber bei meinem Vorgehen, die Kugelhanteln wirklich zu erwerben, da ich nicht ein zweites Mal einen DHL-Boten erleben möchte, der mir Kugelhanteln liefert. Das tut man einmal, dann nie wieder. Und ich kann jeden Paketboten verstehen.

Wir gehen zur Kasse, bezahlen und verlassen das Geschäft, von dem wir bei weitem nicht alles gesehen haben.

„Geht’s?“, fragt meine Mitbewohnerin, „Soll ich dir eine Hantel abnehmen?“

„Ach, das geht schon. Bin ich ja gewohnt.“

Schon 20 Meter später höre ich mein Röcheln, während die Handgelenke zu schmerzen beginnen.

„Geht’s?“, fragt sie wieder.

„Was meinst du? Ach, die Hanteln? Klar!“

Lässig schichte ich sie um, werfe sie mir über die Schultern, um sie besser tragen zu können. „Overhead-Press“ nennt sich übrigens eine Kugelhantel-Übung, bei der man genau das tut. Mit dem Unterschied, dass man währenddessen nicht durch die Einkaufsstraße flaniert.

Weitere zehn Meter später muss ich die Teile kurz absetzen.

„Geht’s?“

„Ja. Also strenggenommen, nein. Es ist etwas ungemütlich, mit den Dingern rumzulaufen.“

„Hatte ich nicht genau das gesagt?“

„Das muss ich missverstanden haben. Diese Zwölf-Kilo-Teile scheinen mir auch schwerer als andere Zwölf-Kilo-Teile zu sein. 13 Kilo vielleicht.“

„Sollen wir nach Hause fahren?“

„Es wäre wohl für alle das beste.“

Und so tun wir es. Und wollen kommende Woche das Shoppen nachholen.


So, ich habe das Schnitzel mittlerweile gegessen und sehe, dass noch viele Fragen offen sind. Die beantworte ich gerne bei Instakilogramm und Facebook!