Zu den Teilen I und II.

Seit gestern lese ich nun jenes Werk und wieder einmal stelle ich fest, dass ich Fehler über Fehler mache. Das überrascht mich aber nicht, denn es sind Fehler, die so ziemlich jeder Kraftsportler gelegentlich macht. Und endlich schlage ich den Bogen zum ersten Teil dieser Thematik. Ich esse zu wenig! Ist ja doll, dass ich fast zehn Kilo abgenommen habe, noch doller, dass ich es halte, das Gewicht, aber genau das ist der Fehler. Muskelzuwachs funktioniert über Nährstoffe. Über vieeeeeele! Eben auch über Kohlenhydrate, sogar besonders. Blöd nur, dass ich die nicht esse. Hahahahahaha. Was für ein Spacken, dieser Seppo. Verfolgt sich diametral gegenüberstehende Ziele. Nun weiß ich aber nicht, wie ich sinnvoll zunehme. Klar, ich könnte jetzt Pizza und Burger ohne Ende fressen, sehr schnell wäre ich wieder bei meinen 77 Kilogramm. Und mit 77 sehe ich schlicht fett aus. Nicht fettleibig, aber fett. Sehe ich heute Fotos von vor einem Jahr, sehe ich ein waberndes Gesicht, aus dem der Wohlstand nur so herausschreit. Nie wieder will ich so aussehen, das hat etwas mit Anspruch an sich selbst und Disziplin zu tun.

In diesem Zusammenhang möchte ich einen etwas unsympathischen Zug an mir offenbaren: Ich werde intoleranter gegenüber Menschen, sie sich gehenlassen. Ich weiß, das ist nicht korrekt, zumal es mich nichts angeht, wie andere leben. Ich bin Verfechter des „Jeder, wie er will“, hasse es, wenn sich Menschen bei anderen einmischen. Es kann mir egal sein, wie andere leben, sofern sie nicht wieder anderen schaden. Im Übrigen liegt es mir absolut fern, sich über Menschen lustigzumachen, die einige Kilos zu viel draufhaben. Diese Kilos haben ihre individuellen Gründe, ein Urteil darf sich da niemand erlauben. Mir geht es eher um den Lebenswandel an sich. Obwohl ich bis zum Alter von 22 oder 23 eine völlige unsportliche absolute Vollhorst-Null war, kann ich nicht nachvollziehen, wenn jemand so gar keinen Sport macht. Aber: Es ist mir auch egal. Es ist nicht an mir, Maßstäbe zu setzen. Ich kann dann doch irgendwie verstehen, dass manch einer eben keinen Bock darauf hat. Fertig aus. Nur weil ich Sport geil finde, müssen andere es nicht tun. Wenn Zustand A möglich ist, ist Zustand B ebenfalls möglich. Ich zum Beispiel verachte Mannschaftssportarten, die womöglich auch noch etwas mit einem Ball zu tun haben. Ich bin da eher der einsame Wolf, der sein Ding durchzieht. Archobald, ein früherer Arbeitskollege von mir, ist ein massiver Wettbewerbstyp und extrem sportlich. Aus allem macht er einen Wettbewerb. Er sagte mal zu mir, dass er meine Einstellung zu Mannschaftssportarten nicht ansatzweise nachvollziehen könne. Er diagnostizierte bei mir eine Verweigerungshaltung. Das empfinde ich als ausgesprochen intolerant. Es ist schwer auszudrücken, warum, ich versuche es mal so: Ich verstehe, warum jemand derart wettbewerbsorientiert ist; ich stelle es nicht in Frage. Auch dann nicht, wenn ich für mich feststelle, dass mich der Mannschaftswettbewerb nicht reizt. Ich kann also beide Seiten nachvollziehen. Warum nun ist das Archobald nicht möglich?! Warum glaubt er, seine Sichtweise wäre die einzig mögliche?! Exakt das übrigens meint der Begriff „Spießigkeit“, die Unfähigkeit, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. 

Das führt mich zu einem weiteren Aspekt: Unbedingt sollte man sein Ziel verfolgen, was ich hier auf den Kraftsport beziehe, was aber wohl immer gilt. Ist so ein schlauer Satz, den an sich niemand hören mag, weil auch abgedroschen. Aber gut, ich penetriere ihn dennoch: Ich habe Leute in meinem Umfeld, die mein Treiben gut finden. Aber auch solche, die es in Zweifel ziehen. So sagte mir mal eine Kaline:

„Wenn du so viel Sport treibst, warum sieht man es dir eigentlich nicht an?“

Ihr Glück war, dass ich mich daran halte, Frauen nicht zu schlagen. Gedanklich allerdings hatte sie meine damalige Zehn-Kilo-Hantel in ihrer arroganten und aufgedunsenen Fresse. Etwas deftig ausgedrückt, zugegeben, bin gerade in Fahrt, aber die Gedanken sind ja frei … Man wird von außen oft in Zweifel gezogen. Das darf einen jedoch nicht beirren, denn oft lohnt es sich, starr sein Ding durchzuziehen. Hätte ich mich von dieser Frau entmutigen lassen, hätte ich spätere Erfolge nie geerntet. Und immer gilt im Leben: Wer zuletzt lacht … Ich komme teilweise aus dem Lachen nicht mehr heraus. Auch aus diesem Exkurs nicht. Doch, jetzt!

Keinesfalls will ich mich wieder zum Binden der Schuhe hinsetzen müssen, weil ich mir andernfalls die Bauchfalte einklemme. Nicht mit 37 oder 38 Lebensjahren! Das hat auch etwas mit Respekt sich selbst gegenüber zu tun.

Zum Punkt kommen, du Pfeife!

Okay, also, ich werde mein Training – nicht zum ersten Mal – anpassen müssen. Sobald ich mehr esse, muss ich zusehen, dieses Mehr auch in Muskelmasse umzusetzen. Kraftsportler sprechen dabei von „Massephase“, in der sie – meist im Winter! – gezielt mehr essen und ein bisschen Speck in Kauf nehmen. Dieser wird dann in der „Defi-Phase“ (Definition) in Muskeln umgesetzt. Am Ende hat der Sportler ein deutlich höheres Gewicht, denn wer an Muskeln zunehmen will, ist am Ende schwerer als vorher, ohne dabei „fett“ zu sein. Das ist die eigentliche Anstrengung an der ganzen Nummer, die eigentliche Herausforderung, vor der ich nun ebenfalls stehe.

Ein weiterer Fehler in meinem Training ist der, dass ich den Muskeln nicht genug Regenerationszeit gönne. Grob gesagt läuft die Nummer so ab: Trainieren, bis der Muskel schmerzt, dann den Muskelkater (der mit irgendeiner Übersäuerung nichts zu tun hat!) ertragen und abklingen lassen, bevor man dann weiter trainiert mit einem höheren Reiz. Es braucht also Regenerations- oder Ruhetage.

Daher sagen mir auch viele, die keinen Sport betreiben, dass man auf keinen Fall jeden Tag Sport ausüben solle. Das ist natürlich unfassbarer Unsinn, den ich nur schwer ertragen kann. Ich laufe konsequent fünf Mal pro Woche, wobei es auch caine Ausnahmen gibt, achte dabei aber darauf, mittels Tempo-, Intervall-, Pyramiden- oder Dauerläufen zu variieren – wider die Monotonie. Dazu kommen pro Woche sechs Einheiten Kraftsports. Und dennoch ist eine Regenrationsphase möglich.

In dem Zusammenhang spricht man vom split-Training. Nur dadurch können sich Muskeln ausruhen. Heißt: Heute stehen Bizeps und Brust auf meinem Trainingsplan, morgen dann Trizeps und Schultern, sodass sich Bizeps und Brust erholen können. Das klingt gut, ist im Grunde auch genau der korrekte Ansatz. Mit einem Haken: Beim Schulter- und Trizepstraining wird auch die Brust trainiert, die sich ja eigentlich ausruhen soll. Auch sollten zwischen Brust- und Rückentraining bis zu zwei Tage Abstand liegen. Habe ich bislang gerne missachtet in meinem synergetischen Training.

Synergetisches Training ist das Gegenteil des isolierten und wird auch dem vorgezogen: Bedeutet, man trainiert nie den einen Muskel. Man setzt Schwerpunkte, beispielsweise auf den Rücken, bei dem die Brust als Synergist, als mitarbeitender Muskel, mittrainiert wird. Das ist auch sinnvoll, weil der menschliche Körper darauf angelegt ist, dass bei verschiedensten Tätigkeiten nie nur einzelne Muskeln isoliert beansprucht werden, sondern stets mehrere Muskelgruppen beteiligt sind. Dieser Aspekt spricht übrigens auch gegen das Trainieren an Geräten, sehen diese noch so verlockend martialisch aus. Tatsächlich nehmen sie dem Körper oftmals (nicht in allen Fällen, aber doch überwiegend) Arbeit ab und führen zu einem isolierten Training. Wer beispielsweise freistehend hantelt, trainiert seinen gesamten core, also auch Bauch und Rücken (sofern er die Übungen sauber durchführt). Wer hingegen beim Hanteln sich an einer Hantelbank anlehnt, verzichtet unnötigerweise auf den Synergieeffekt.

Ich habe meines und des Erachtens meiner Mitbewohnerin nach, die das Privileg hat, mich nackt zu sehen, gerade in den zurückliegenden Monaten enorm an Muskelmasse gewonnen. Nur daher erlaubte ich mir, diese Thematik mit „Körpertransformation“ zu überschreiben. Aus einem undefinierten leicht schlacksigen Typen ist mitnichten eine Maschine geworden (war nie der Anspruch), aber ein Typ mit Haltung, mit Kreuz. Und wenn ich eben über die Auswirkungen von Kraftsport schrieb, dann ist dieses eine sehr wichtige: Man nimmt Haltung an. Dieses Haltung überträgt sich auf alle Aspekte des Daseins. Und natürlich, man fühlt sich toll, manchmal auch toller, als man real ist, aber man lernt, wozu man fähig ist. Ist die 17,5-Kilo-Hantel anfangs noch viel zu schwer, stellt man nach nur wenigen Tagen, vielleicht Wochen, fest, dass man sie bewältigt hat, dass man also ein Ziel erreicht, etwas aufgebaut hat. Diese Erkenntnis überträgt man auch auf andere Dinge des Alltags.

Nun stehe ich wieder an einem Punkt, an dem ich mein Training umstellen, anpassen muss. Denn so ehrlich bin ich dann doch zu mir selbst, um zu realisieren, dass mein Trainingsertrag dem Aufwand doch etwas hinterherhinkt, in einem Missverhältnis zu diesem steht. Tatsächlich kann ein dickleibiger Mensch innerhalb von nur wenigen Monaten, von seeehr wenigen!, zur Kante werden, wenn er nur alle Regeln beachtet, was leider nicht einfach ist, da man irgendwann den Moment erreicht hat, an dem man vor einer Wissenschaft steht. Ich selbst habe keinen Bock auf getaktete Ernährungspläne. Streng genommen müsste meine Nahrungszufuhr (für das Ziel des Muskelaufbaus, nicht der Kraftausdauer!) aus 59 Prozent Kohlenhydraten, 22 Prozent Eiweißen und 19 Prozent Fetten bestehen. Und ja, es gibt Menschen, die sich daran halten. Die rumrechnen. Aber damit fange ich nicht an, das ist mir zu kompliziert. Mich interessiert auch der wichtige Glykogen-Speicher nicht, obwohl der ziemlich relevant für mich ist.

So nehme ich nur sehr zäh neue Impulse auf, um meinen zarten Geist nicht zu überfordern. Ich werde also nun versuchen, mehr zu essen und das Sportprogramm neu zu strukturieren. Ich fange gleich schon damit an, nachdem ich vergangene Woche neue Gewichte gekauft habe. Ich denke sogar darüber nach, nur noch fünf statt sechs Mal pro Woche Krafttraining zu machen. Auf jeden Fall einschränken muss ich die tägliche Dauer. Nicht selten liege ich bei mehr als zwei Stunden. Weil es einfach auch Spaß macht. Allerdings soll man sich eher im Rahmen von 75 bis 90 Minuten bewegen, beziehungsweise nicht mehr als 30 Trainingssätze pro Tag ausführen. Da liege ich derzeit locker drüber. Ich bin Hulk.

Ich starte also das Experiment „Weniger ist mehr“ beim Training und „Mehr ist weniger“ beim Essen. Ob ich jetzt direkt was esse?! Habe überhaupt keine Lust, werde wohl zum Proteinshake greifen.

Als ich mit der „Tranformation“ im August letzten Jahres begann – den Begriff nutze ich augenzwinkernd -, habe ich mir zum Ziel gesetzt, dass sich nach vier Wochen schon etwas an mir verändert. Das ist absolut eingetreten, meine komplette Lebensphilosophie ist eine andere geworden. Und auch körperlich änderte sich einiges, denn ich erinnere mich an den Tag, als meine Mitbewohnerin feststellte:

„Du hast ja einen Trizeps!“

Ich erinnere mich, wie ich mehrere Hemden aussortieren durfte, weil mein Schultergürtel breiter geworden war und unvergessen, wie ich beim Duschen plötzlich das „V“ in meinem Leistenbereich sah. Es gibt sie also die Fortschritte, die sich auch in den hervortretenden Adern zeigen. Das kann im Extremfall ziemlich scheiße aussehen, so weit bin ich aber zum Glück noch nicht. Meinen letzten Orgasmus kommentierte meine Mitbewohnerin, die daran nicht unbeteiligt war, damit, dass sie kurz dachte, ich würde platzen, da für einige Sekunden jede Ader meines Körpers hervortrat. Kann sein, dass ich diesen Satz später werden löschen müssen, wenn sie ihn liest, aber sie ist inzwischen einigermaßen schmerzfrei geworden …

Ich gebe mir nun wieder einige Wochen und sage einfach mal, dass sich bis Weihnachten ein weiterer sichtbarer Fortschritt einstellen soll. Ich bin auch ziemlich sicher, dass eine Modifizierung meines Trainings dazu führen wird, sodass ich mir einen Plan B spare. Plan B ist was für Verlierer. Lehne mich aber weit aus dem Fenster heut!

Und nun bin ich hochmotiviert und beginne den Tag mit einem deftigen Bizepstraining. Was natürlich nicht so schlau ist, da ich gestern Brust hatte. Haben wir ja eben gelernt.


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