In der Nacht sind wir alle gleich. Wir liegen so da und setzen unser ganzes Vertrauen darauf, dass schon nichts passieren wird, während wir unser Bewusstsein mit vollem Bewusstsein ausschalten, uns dem hingeben, auf das wir wohl nie werden ganz verzichten können: dem Schlaf. Wollen wir sonst alles unter unser Kontrolle halten, haben wir für einige Stunden des Tages, der Nacht vielmehr!, keine andere Möglichkeit, als diese Kontrolle abzugeben, um Kraft für den nächsten Tag zu tanken. Welch Errungenschaft der Evolution, das Schlafen! Selig, wer durchschläft, wer nicht mit Störungen dieser unabdingbaren Energierückgewinnung zu kämpfen hat und am nächsten Tag frisch und fröhlich seine Ruhestätte, das Bett, verlassen kann, um einen ereignisreichen oder -losen Tag in Angriff zu nehmen. Beobachten wir heute Herrn F., der eine relativ kurze Nacht hinter sich gebracht hat, da er viel vorhat an diesem Donnerstag, von dem wir hier jedoch nicht alles erfahren werden, da wir Herrn F.s Privatsphäre nur teilweise stören dürfen, nicht alles ist für die Öffentlichkeit bestimmt. Starten wir also mit einem überschwenglichen

Guten Morgen, Herr F.!

 

06.00 Uhr

Es ist sechs Uhr, als Herr F. das erste Mal wach wird. Nicht ohne Überraschung realisiert er, dass sich ein Gang zur Toilette ihm geradezu anbiedert. Seine Mitbewohnerin allerdings blockiert womöglich das Bad, ist sie doch bereits aufgestanden. Anders als Herr F. wird sie an diesem Tag der Erwerbsarbeit nachgehen.

Herr F. ist mit voller Absicht früh dran, auch wenn er eine nur kurze Nacht hinter sich hat. Also verschwendet er keine Sekunde, wuchtet sich ohne Zögern aus dem Bett, um nicht in die Verlegenheit zu geraten, sich müde zu fühlen. Daher ist auch die Kaffeemaschine wie sooft seine erste Anlaufstelle des Tages.

Der Kaffee ist frisch gebrüht, was in den Aufgabenbereich seiner Mitbewohnerin fällt. Hastig schenkt er sich das Heißgetränk ein, führt die Tasse in einem geeigneten Winkel zum Mund und zieht die ersten Schlucke.

Ohne Kaffee am Morgen läuft bei mir gar nichts. Während der Kaffeekrise vor einigen Wochen, als wir keinen Kaffee im Haus hatten, wurde mir erstmals klar, wie abhängig man vom schwarzen Gold, das doch kein Öl ist, sein kann. Aus Verzweiflung holte ich mir damals, es war noch jenseits der Öffnungszeiten von Supermärkten, einen Kaffee von der nahen Tankstelle.

Herrn F. bietet sich nun die Möglichkeit, zur Toilette zu gehen. Lassen wir ihn also für einige Minuten allein.

 

07.00 Uhr

Zweifellos ist Herr F. nun durch und durch wach. Auf angemessene und -gebrachte Weise fällt er zur Begrüßung seiner Mitbewohnerin um und in den Arm, hatte sich die beiden doch drei Tage lang nicht gesehen.

Ein Tag ohne meine Mitbewohnerin ist ein vergeudeter Tag.

Herr F. geht mit seiner inzwischen mehrfach aufgefüllten Kaffeetasse ins Wohnzimmer und fährt seinen Rechner hoch. Er installiert den neuen „Firefox“-Browser, der in seiner neuen Version dem ihm ungeliebten „Chrome“-Browser endlich wieder überlegen ist, macht Firefox nach vielen Jahren wieder zum „Standard“-Browser. Er wiederholt dieses auf seinem Handy, dem Laptop sowie dem Tablet, synchonisiert die Browser untereinander und hofft, dass sich der Umstand auszahlen wird.

Morgens werfe ich als erstes immer einen Blick auf meine Blog-Statistiken. Vom aktuellen Text „Seppos Reisetagebuch“ verspreche ich mir sehr viel, erwarte hohe Zugriffszahlen. Das wird aber nicht einfach, da ich ihn am späten Vorabend veröffentlicht habe, was in nicht wenigen Fällen dazu führt, dass die Klickzahlen unter den Erwartungen bleiben. Die beste Zeit ist der frühe Vormittag. Daher ist in dem Falle des Reisetagebuches die Zahl der likes ein relevanter Maßstab.

Herr F. blickt zufrieden auf die ihm angezeigten Säulendiagramme. Die Zahlen stimmen, sein Text kommt überdurchschnittlich gut an. Es überrascht ihn nicht, schon beim Verfassen des Textes hatte er ein gutes Gefühl, auch wenn dieser fast doppelt so lang geraten ist wie der Durchschnittstext.

Alles über 1.200 Wörter empfinden die Leser als viel. Nur hartgesottene „Fans“ lesen darüber hinaus bis zum Ende. Und am Ende ist der likebutton

42 Likes bislang registriert Herr F. und damit einen ziemlich guten Start. Der Vormittag wird zeigen, ob der Trend anhält. Sind likes denn so wichtig?

Ja. Nicht, weil mir dann einer abginge, sondern weil ich es nach fast drei Jahren einzuordnen weiß, warum welcher Text soundsoviele bekommen hat. Es ist für mich fast die einzige Form der Rückmeldung durch den Leser. Verstörende Texte wie beispielsweise der über die Halbierung eines Menschen kommen schlechter an als solche, die sich mit ganz alltäglichen Dingen beschäftigen, die jeder aus seinem eigenen Alltag kennt. Oft weiß ich schon vorher, dass ein Text nicht so gut ankommt. Schreibe ich beispielsweise ellenlang über mein Sporttreiben, weiß ich natürlich, dass das kaum jemanden interessiert.

 

08.00 Uhr

Herr F. trinkt noch immer Kaffee, während er seinen Koffer auspackt. Er baut „Wäschehaufen“, unterteilt in 30-, 40- und 60-Grad-Haufen. Weil sich in der 40-Grad-Wäsche seine Laufklamotten befinden, wird dieser Haufen als erster gewaschen. Er registriert ein nicht gut klingendes Geräusch, als die Maschine zu rotieren beginnt, das da so nicht hingehört. Er scheint zu ahnen, dass die Maschine einen Schaden hat, der vermutlich bald schon zu einem Artikel im seppolog führen wird. Die Laufklamotte braucht er spätestens am Vormittag, da er aus terminlichen Gründen sein Sportprogramm heute sehr zeitnah wird durchziehen müssen, da Herr F. wichtige Termine zu erledigen hat.

Zurück am Schreibtisch, auf dem sein Rechner steht, blättert Herr F. etwas ratlos in einem Buch mit dem recht einfallslosen Titel „Krafttraining“.

Ich bin noch im Unklaren darüber, welche Muskelpartien ich heute trainieren darf. Derzeit stelle ich mein Programm etwas um und weiß nicht, was ich nach dem gestrigen Bauch- und Schultertraining heute belasten kann.

Er entscheidet sich für „ORÜ“ und „TRI“, was er sogleich in seinen Trainingsplan einträgt. „ORÜ“ für „oberer Rücken“ und „TRI“ für „Trizeps“, auch wenn er ahnt, dass sich das mit dem Vortagstraining nicht verträgt.

Völlig unerwartet für den Beobachter verwickelt sich Herr F. nun in eine Facebook-Konversation mit einer ehemaligen Kollegin, die als Mutter ebenfalls früh wach ist, weil Kinder ja aus unerfindlichen Gründen senil bettflüchtig sind. Kinder ahnen nicht, wie sehr sie einmal dem Schlaf frönen werden. Gegenseitig bringen sich die beiden nun auf den neuesten Stand, zumal beide einen Urlaub in den Bergen hinter sich haben. Herr F. vermisst ein wenig die Berge.

 

09.00 Uhr

Herr F. wird unruhig, offenbar plagt ihn das Wissen um seine Trödelei. Er beschließt, die inzwischen fertig gewaschene Wäsche aufzuhängen, um dann das Training zu beginnen. Nun mischt er sich einen Proteinshake, da die Eiweißaufnahme vor, während und nach dem Training unabdingbar ist. Stören wir Herrn F. also nicht weiter, wenn er sich verausgabt. Heb hoch, Herr F.!, Heb hoch!


Wir gönnen uns an dieser Stelle eine Pause und kehren später des Tages zurück, wenn Herr F. einen so genannten „Big Mac“-Auflauf zubereitet, der für mehrere Tage und Personen reichen muss. Verfolgen wir doch derweil Herrn F.s Treiben auf Instagram und Facebook.