Natürlich war mir klar, welche Reaktionen der Text „Wir trauern um Seppo“ hervorrufen wird, da er ein Thema berührt, das niemandem gefallen kann. Dass der Begriff „geschmacklos“ ziemlich schnell fallen würde, hat mich auch nicht überrascht, da ich das im Übrigen auch nachvollziehen kann. Ich will da gar nicht dagegen an argumentieren, auch wenn ich es tatsächlich anders sehe. Offensiv anders. Freilich respektiere ich da jede Herangehensweise, so, wie ich auch die meine akzeptiere.

Es geht mir nun also nicht darum, jene zu überzeugen, die den gestrigen Text geschmacklos fanden. Einige davon werden diesen Text auch schon gar nicht mehr lesen, weil sie sich abgewandt haben. Was ich interessant finde.

Der gestrige Text ist auch nicht leichtfertig entstanden. Der Leser darf davon ausgehen, dass ich mich sehr ernst und intensiv mit dem Tod auseinandersetze. Und zwar nahezu jederzeit. Mir sind seine tsunamiartigen Auswirkungen völlig klar.

Um das mal deutlich zu sagen: Auch ich habe eine scheiß Angst vor dem Tod. Ob nun vor dem eigenen, oder schlimmer noch, vor dem mir Nahestehender. Darum ist der gestrige Artikel auch kein Scherz. Er ist nicht witzig, weil er so auch gar nicht gemeint ist. Ich habe lediglich die Regie bei meinem Tod gespielt. Dem absoluten GAU im Leben, dem Tod, will ich offen ins Gesicht sehen, solange ich es noch kann. Denn auch ich kenne die Situation, wo man es vielleicht nicht mehr kann, auch ich stand bereits an der Grenze zum Jenseits und habe voreilig Bilanz gezogen. Und auch ich hatte tatsächlich schon den Moment, in dem ich wortwörtlich dachte:

„So also fühlt es sich an zu sterben.“

Es kam zu meinem Glück dann aber anders.

Und auch ich erlebe Tod in meinem Umfeld. Und ich meine nicht den der Großeltern, die nun einmal nicht 150 Jahre alt werden, ich meine den brutalen, den, der junge Menschen einfach so aus dem Leben löscht. Ich kenne das zermürbende Gefühl von Trauer. Ich habe nicht leichtfertig über den Tod geschrieben, gebe aber zu, dass es mir ein Leichtes war, überhaupt darüber zu schreiben.

Ich will mich nicht rechtfertigen, ich will es nur erklären. So ging es mir bei jenem Beitrag auch nicht um Klicks und likes. Mir war auch klar, dass das kein Text zum Gefallen sein wird und wertfrei sowie der Vollständigkeit halber erwähne ich (da es auch von Lesern angesprochen wurde), dass in den fast drei Jahren dieses Blogs kein Text innerhalb der ersten Stunden sooft aufgerufen wurde. Eine Leserin schrieb mir heute Morgen, die Zahl der likes sei jedoch übersichtlich. Tatsächlich bewegt die Zahl sich in einem leicht unterdurchschnittlichen Rahmen, was mir zeigt, dass viele, nicht alle, meine Herangehensweise an den eigenen Tod so abwegig nicht finden. Aber es ging mir wirklich nicht um Zahlen oder Aufmerksamkeit. Aus der Phase bin ich schon lange raus.

Der Text hat nichts mit Sarkasmus oder Ironie zu tun. Es ist lediglich das nüchterne Beschreiben eines möglichen Dahinscheidens meiner Person, wobei schnell deutlich wird, dass nur diese selbst die eigenen Gedanken nach dem vermeintlichen Tod wiedergeben kann, somit vermutlich nicht tot ist.

Ich denke jeden Tag an den Tod. Ich sehe mir die Krebs-Statistiken an und zähle eins und eins für meine Person zusammen. Ich kann nicht den Überraschten spielen, sollte mich genau dieses Schicksal ereilen. Ein „Warum ausgerechnet ich?!“ wird mir nicht über die Lippen gehen. Eher ein „Warum ich bislang noch nicht?!“ Und ich überlege dann, ob ich darüber öffentlich schreiben würde, wenn mich das Schicksal einer schlimmen Krankheit ereilt. Natürlich würde ich das. Zeit hätte ich ja genug; eine solche aber, die abliefe. Würde ich mit Humor darüber schreiben? Da bin ich mir absolut sicher. Alles andere wäre nicht ich. Aber ich erwarte nicht, dass das andere auch so handhaben. Für mich ist Humor etwas enorm Wichtiges, der gerade dann zum Tragen kommt, wenn es übel um einen herum wird. Das ist eine sehr radikale Einstellung, die man entweder hat oder eben nicht. Humor bedeutet nicht immer Lachen. Humor ist eine tiefe Nachdenklichkeit.

„Das kann nur einer so schreiben, der nicht im Sterben liegt“, schrieb eine Leserin. Protest! Jemand, der im Sterben liegt, würde es viel besser können, und es wäre sein gutes Recht, aber eben auch nicht seine Pflicht. Und gerade in der Welt der Blogger gibt es Unzählige, die ihren eigenen Tod schreibend begleiten.

Wenn mir jemand schreibt „Über den Tod scherzt man nicht“, frage ich mich, wer das denn festgelegt hat. Es bleibt jedem selbst überlassen, ob er darüber scherzt oder nicht, ein „man“ kann es in dem Falle doch gar nicht geben. Für mich ist völlig klar, dass man natüüüüürlich auch über den Tod scherzen kann. Was spricht dagegen? Beschwört man ihn dadurch herauf? Macht man sich damit lustig über Menschen, die im Sterben liegen oder um einen Nahestehenden bangen? Nein. Diese Unterstellung wäre ein mir viel zu einfacher Reflex, der mich auch beleidigen würde. Wo genau mache ich mich über Betroffene lustig?! Diese Stelle muss man mir erst einmal zeigen. Ich weiß, dass diese Sichtweise nicht für jeden nachvollziehbar ist. Aber für mich ist völlig klar: Ich mache mich nicht lustig über den Tod, ich mache aber Scherze darüber. Dazwischen liegen Welten. Der Mensch hat schon immer über die Dinge gescherzt, die ihm Angst machen.

Warum scherzt man nicht über den Tod?, fragte ich gestern. Weil er traurig mache, weil er alles Bekannte beende, war eine Antwort. Für mich ist das jedoch keine Antwort, zumindest keine zu der Frage passenden. Es klingt in meinen Ohren (in meinen!) nach Wegducken. Genau das will ich nicht, mich wegducken vor etwas, das unweigerlich kommt. Ich will offen damit umgehen, dass der Tod jederzeit kommen kann.

Ein anderer mutmaßte, ich wolle provozieren. Ist das offene Thematisieren des Todes, des eigenen, schon eine Provokation?! Worin genau bestünde denn da die Provokation?! Wer sich durch diesen übrigens auch lyrisch nicht gerade hochwertigen Text provoziert fühlt, tut das nur, weil er Dinge in diesen hineinprojiziert, die seinem, nicht des Autors Wertesystem entspringen. Ich wollte nicht provozieren, aus dem Alter bin ich raus. Es gibt keine Tabus mehr, alles war schon einmal da. Das gewollte Brechen von Tabus ödet mich an.

„Es ist ja wirklich nicht abwegig, es kann ja wirklich jederzeit, in jedem Moment eintreten“, schrieb mir jemand. Genau das ist mein Punkt. Wenn es einen jeden Tag ereilen kann, dann will ich es auch jederzeit thematisieren können. Und ich wiederhole: Ich mache mich nicht über den Tod lustig. Diese Sichtweise ist mir viel zu eng und reflexhaft.

Dennoch habe ich sicherlich einen nicht unerheblichen Teil meiner Leser verloren. Es lag mir aber immer fern, es allen rechtzumachen und verstehe, dass mir manch einer jetzt verstört den Rücken kehrt. Denn ich erwarte natürlich nicht, dass jeder meine Herangehensweise gutheißt. Aber ich staune auch darüber, dass manche derer sie nicht nur nicht gutheißen, sondern sie auch inakzeptabel finden, was eine enorm intolerante Reaktion ist. Ich halte beide Art und Weisen des Umgangs mit dem Tod für möglich und gangbar. Mich also jetzt zu verdammen, finde ich einigermaßen engstirnig. Sogar ausgesprochen engstirnig. Worin genau liegt eigentlich meine Untat?!

Es gibt nicht immer nur die eine Seite.

Noch einmal: Ich rechtfertige mich nicht. Ich verstehe jeden, der eine fahle Geschmacklosigkeit auf seiner Zunge empfindet. Nur finde ich es völlig legitim, sich auf jede erdenkliche Weise mit dem Ableben auseinanderzusetzen. Ich habe das nicht leichtfertig getan.

Der Umgang mit dem Tod polarisiert. Jeder geht mit ihm anders um. Das eben ist meine Weise.

Nebenbei bedanke ich mich dafür, dass sämtliche Reaktionen zivilisiert abliefen. Das ist gerade im Internet nicht selbstverständlich.

Mit Blick auf den Kalender stelle ich fest, dass der Text eine Woche zu früh erschienen ist.