Schockschwerenot! Dass meine Texte in Form geistigen Eigentums gestohlen werden – egal. Richtiges Zitieren ist einigermaßen simpel, aber für manchen dann doch eine etwas zu hohe Hürde, sodass ich mir gerne ansehe, wie er davorrennt. Der Dieb wird kaum gelesen, also was soll’s; im Zweifel ehrt es mich, und wenn ich das mal so selbstsicher sagen darf, meinen Texten merkt man an, dass sie von mir kommen. Alles somit halb so wild beziehungsweise ärmlich. Aber dass heute bereits der 30. November ist, das ist eine Katastrophe. Denn was bedeutet das?

Ich zitiere aus „Alf“:

Alf: „Heute schreiben wir den ersten März.“
Willy: „Ich hoffe sehr, das ist nicht alles!“
Alf: „Natürlich nicht, Willy, denn morgen haben wir den zweiten!“

Denn morgen schreiben wir den ersten Dezember. Sie hoffen sehr, das ist nicht alles? Natürlich nicht, denn morgen öffnet die Welt das erste Türchen der Adventskalender. Gut, bei meiner Mitbewohnerin und mir handelt es sich eher um Säckchen und die ihres von mir befüllten Kalenders sind:

leer.

Es wiederholt sich nun wider Erwarten das Drama des vergangenen Jahres. Sämtliche von mit propagierte Besinnlichcait ist in größter Gefahr! Da ich derzeit noch in Berlin weile, ist es mir unmöglich, das erste Säckchen noch pünktlich zu befüllen. Wie konnte es dazu kommen?!

Es war Anfang November, als meine Mitbewohnerin das erste Mal in diesem Jahr andeutete, dass ich an das Befüllen der Säcklein denken sollte.

„In vier Wochen hängen ja schon wieder die Adventskalender, Seppo!“

„Achja, gut, ist ja noch Zeit bis dahin.“

„Ich erinnere ans vergangene Jahr.“

„Was war da?“

„Da hast du bis zum siebten Sack gebraucht, den Kalender zu bestücken!“

„Ja, aber immerhin rückwirkend! Sieben Säckchen an einem Tag konntest du öffnen!“

Nachdem ich vor einer Woche bereits den ersten Advent etwas voreilig gefeiert hatte, ist es doch nun völlig albern, dass mich der erste Dezember überrumpelt. Oder aber … ist es vielleicht ein Ausgleich? Um das Zeitkontinuum wieder in seine Bahnen zu lenken? Vielleicht wäre das eine nachvollziehbare Rechtfertigung, wenn ich morgen früh in das enttäuschte und traurige Gesicht meiner Mitbewohnerin blicke, wenn sie am Säcklein rumfingert, was nur die Schweine unter den Lesern gerade missverstehen. Schämen Sie sich. Und das zur Weihnachtszeit! Spricht nicht gerade für Sie. Was für eine verdorbene Phantasie Sie doch haben! Und dass ich dabei eine Rolle spiele, ist geradezu widerlich!

Kaufe ich heute Abend noch irgendeinen Tand am Bahnhof?! Ist das mein Niveau?! Ja, an sich schon, aber nicht in der besinnlichen Cait, das hat sie nicht verdient. Nicht meine Mitbewohnerin, die vielleicht bald schon mehr ist. Wenn sie es sich morgen angesichts der Leere nicht anders überlegen wird.

Keinesfalls will ich meine Mitbewohnerin enttäuschen. Doch derzeit läuft einiges schief. Erst versenke ich mein Diensthandy im Klo (wobei ich im Büro offenließ, zu welchem Zeitpunkt genau das Handy ins Wasser fiel), dann gab es großen Ärger im ICE 844, wo man mir weismachen wollte, dass meine Platzreservierung nicht gültig sei. Dazu später einmal mehr. Doch ich befürchte, dass hier eine Serie von Unglücken ihren Anfang nimmt, die auch meine Mitbewohnerin in Mitleidenschaft zieht. Und das kurz vor unserem Jahrestag, derer wir zwei begehen. Im Dezember den, an dem wir uns vor nunmehr 13 Jahren kennengelernt haben, wonach alles ganz schnell ging. Und immer hatte es geklappt, das rechtzeitige Befüllen des Kalenders; was also hat sich verändert seit vergangenem Jahr? Ist es ein Zeichen? Ein Omen? Der Anfang vom Ende der Beziehung?!

Das Leben hat sich verändert. Die Rahmenbedinungen sind andere als zu jener Zeit, in der ich noch studiert hatte. Und ich war ziemlich gut als Student. Denn ich wusste, wie man seinen Stundenplan von Vorlesungen und Seminaren möglichst freihalten konnte. Montags und freitags war grundsätzlich frei und vor elf Uhr am Vormittag lief sowieso nichts. Genug Zeit also zum Befüllen von allen möglichen Dingen. Ich weiß natürlich, dass Studenten genau aus diesem Grund verlacht werden, ahne aber, dass da Neid hintersteckt. Und immer begegnete ich Kritikern: Warum hast du nicht auch studiert? Wir sind eine Gesellschaft des Neides, jeder beneidet irgendeinen anderen und vergisst darüber vor lauter Grün, dass man selbst auch Beneideter ist. Ich habe aufgehört zu neiden. Irgendwann hatte ich mal bemerkt, dass auch ich Stärken habe, während Mitmenschen andere Stärken haben, um die ich sie eben nicht beneiden möchte, um meine eigenen nicht zu vergessen. Ob mich jemand um etwas beneidet? An sich schwer vorzustellen. Oder naheliegend? Ich meine, welcher Mann würde mich nicht um meine Mitbewohnerin beneiden? Und erst Recht gilt das für jeden, der sie so kennt wie ich es tue. Tut nur niemand, denn genau das ist mein Privileg! 2018 wird unser Jahr, S.!

Und nun habe ich in diesen Gedanken versunken eine Idee, wie ich den Kalender bestücken kann, ohne dass ich auf irgendeinen Kram zurükgreifen muss: Mit Gedanken wie obigen. Jeden Tag ein paar Sätze, zwischendurch dann auch mal ein Konsumgut, um nicht ganz so billig wegzukommen. Ich meine, so ein bisschen Schokolade oder einen Paar-Vibrator in den Sack stecken – kann jeder. Sich aber hinzusetzen und Substanzielles niederzuschreiben, ist doch kreativer, oder? Nicht, dass hier alles vor Substanz triefen würde, aber findige Leser stoßen mitunter durchaus auf Handfestes. Manche kopieren das dann sogar!

Wenn ich ehrlich bin, spekuliere ich auch darauf, dass ich ebenfalls vor leeren Säcken stehen werde. Denn auch sie war bis heute unterwegs und eben nicht zuhause. Ob auch ihr gerade auf der Autobahn einfällt:

„Verdammt, morgen ist ja der erste Dezember!“?!

Dann wiederum könnten wir uns ja die Hand reichen. Oder aber ich nutze diesen Umstand aus!

„Wie kannst du nur vergessen, meinen Adventskalender zu bestücken?! Ich hab dir immerhin tolle Gedanken da reingeschrieben! Besinnlichen Tiefgang!“

Und vor allem könnte ich ihr das jeeeedes Jahr unter die Nase reiben. Wenn ich beispielsweise irgendeinen Jahrestag vergesse (was mir nicht passiert):

„Vor zehn Jahren hast du vergessen, meinen Adventskalender zu befüllen!“

Dem Klischee folgend würden genau das Frauen machen. Sie aber eben nicht. Sie passt in cain Klischee. Deshalb funktioniert es auch so gut. Und sie erträgt mich, weiß mich handzuhaben. Ich würde es ihr keine Sekunde übelnehmen, würde ich morgen vor einem leeren Sack stehen. Und ich glaube, sie im umgekehrten Falle auch nicht. Aber der tritt ja nun auch nicht mehr ein.

Bleiben Sie besinnlich.


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