Es ist fünf Uhr 30, als ich das erste Mal wach werde und mit mir in Verhandlungen trete. Zum einen plagt mich der Harndrang, zum anderen die Tatsache, dass um sechs Uhr der Wecker gehen wird. Mir bleiben also noch 30 Minuten. Stünde ich nun zwecks Urininierens auf, verschwündete ich wertvolle Cait und würde über Gebühr wach. Und dann ist da noch etwas: Da ich heute keinen Sport zu machen brauche, vom Laufen abgesehen, könnte ich doch ohnehin etwas länger schlafen; bis halb sieben vielleicht. Zwar würde ich mir das nun unumwunden gönnen, doch da ist die Kaffeemaschine vor, die ich gestern Abend darauf geeicht habe, um sechs Uhr den Brühvorgang zu starten. Stünde ich erst um halb sieben auf, wäre der Kaffee bereits wieder lauwarm.

Ich überlege also aufzustehen, schiffen zu gehen und hernach die Maschine auf halb sieben umzuprogrammieren, um mir so eine weitere wenn auch knappe Stunde Schlaf zu verpassen. Der Hedonist in mir gewinnt die Debatte, nachdem der Altruist kaum hörbar argumentiert hatte, dass ein früher Tagesbeginn zahlreiche Möglichkeiten böte.

Ich verlasse also das Bett, stoße mir den Kopf an der Dachschräge, an die ich mich nach wie vor nicht gewöhnt habe, lasse mich davon aber nicht beirren, da meine Schädeldecke inzwischen mit zusätzlicher Knochensubtanz angereichert worden ist. Ich bin zudem zu müde, mich jedes Mal darüber aufzuregen, wenn es wieder „rummms“ macht. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum mein Hirn nicht in der Lage oder willens ist, sich zu merken, dass ich zwei Nächte pro Woche unmittelbar unter einem Dachstuhl nächtige.

Etwas schlaftrunken eiere ich zur Zimmertür. Hier zahlt es sich aus, dass ich abends stets darauf achte, dass der Weg zur Tür freigeräumt ist, da ich sonst zweifellos stolpern würde. Über Schuhe, Hanteln oder meinen toten Hund, den ich oftmals mit nach Berlin nehme.

Die Türklinke. Sie quietscht, drückt man sie herunter. Aus unsicheren Quellen weiß ich, dass das hier verwendete Klinkenmodell einen Euro 50 gekostet hat. Und so hört es sich leider auch an. Das Quietschen ist im ganzen Haus zu hören, ich fürchte, einen meiner Kollegen wachgemacht zu haben. Routiniert verharre ich und versuche, das Schnarchen meines Zimmernachbarn zu erlauschen, das ich dann tatsächlich auch höre; puh, er schläft also noch.

Auf der Treppe nach unten stelle ich fest, dass einer von uns Dreck mit ins Haus geschleppt hat. Sofort verdächtige ich mich selbst, da die Spur des Erdbodens in mein Zimmer führt. Ich nehme mir vor, die Spuren später des Tages zu verwischen und in ein anderes Zimmer umzulenken, sodass ich fein raus bin. Dennoch ärgerlich, hatte ich gestern doch erst gesaugt.

Das Licht im Flur des ersten Stockwerkes geht an. Zuverlässig erschrecke ich mich, da ich mich noch nicht an diesen Bewegungsmelder gewöhnt habe. Und auch hier sehe ich den von mir hochgetragenen Dreck.

Den Weg fortsetztend höre ich meine Knie knacken. Folgen des jahrelangen Fersenlaufes mit dem Nebeneffekt, dass ich zu den wenigen Menschen gehöre, die ihre Unterschenkel auch nach vorn umknicken können, sodass ich mit den Fußspitzen meine Knie berühren kann.

Unten in der Küche angekommen weiß ich nicht mehr, was ich da überhaupt will. Sehe dann die Kaffeemaschine und achja, ich wollte den timer vorstellen. Aber warum eigentlich?! Ich bin doch schon wach. Wollte ich noch länger schlafen?! Wollte ich nicht eigentlich zur Toilette?! Und wenn ich doch schon mal da bin, könnte ich doch gleich den Brühautomaten einschalten!

Geben wir mir einige Minuten der Privatsphäre auf der Toilette, während die Filtermaschine den Kaffee zubereitet und ich überlege, wie wohl die Maschinen heißen, die Kaffefilter produzieren …

Ich befülle wie gewohnt zwei Tassen mit Kaffee und gehe wieder zurück ins zweite Stockwerk, wo mir einfällt, dass ich eigentlich noch schlafen wollte. Überspringe also den Teil, weil schon übermäßig wach, und setze mich ins Bett, die Kaffees auf dem Nachttischchen abgestellt. Bereits zweimal habe ich dort meinen Kaffee verschüttet, nicht jeden braunen Flecken entfernen können. Ich bin einfach ein ungeschickter Mensch, was ich aber für mich akzeptiert habe.

In der Sonntagszeitung vom Sonntag lese ich am Donnerstag nun also ein Protokoll über den Ablauf der Sondierungsgespräche, das nicht spannend ist, da der Ausgang bekannt ist. Ich selbst bin ratlos. Große Koalition? Der SPD würde sie schaden, dem Land auch, weil der Verdruss die Menschen zu den neuen Nazis treibt. Das ist übrigens nicht die Schuld der so genannten Altparteien, sondern Schuld der Bürger. Auch 30 Jahre Merkel sind cain Grund, auf Hetzer reinzufallen. Über Merkel klagen heißt, auf hohem Niveau zu klagen. Ich kann es nicht mehr hören. Der Deutsche hat leider Spaß am Klagen; es ist geradezu chic. Klar, die neuen Rechten würden es besser machen …

Schwere Gedanken am Morgen, die ich zur Seite wische, und ich überlege, etwas zu schreiben. Was schwer ist ohne Internetanbindung, sodass ich mein Handy zum Hotspot mache. Wie das geht, habe ich erst vor einigen Wochen rausgefunden. Und es dauert nicht lange, bis „O2“ mich per SMS darüber informiert, dass mein Datenvolumen aufgebraucht ist. Bis zum achten Dezember würde ich nun mit einem Megabit pro Sekunde durchs Netz eiern, es sei denn, ich buchte einen Gigabyte dazu. Mache ich ohne groß nachzudenken, da mich eine Kosten-Nutzen-Analyse möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gebracht hätte. Ich antworte auf die SMS mit „MEHR“ und bin wieder Teil der digitalen Welt.

Acht Uhr 13. Nun wird die Zeit überraschend knapp. Inzwischen trinke ich den dritten Kaffee. Als ich gerade zwecks Nachschenkens unten war, hörte ich ein seltsames Geräusch. Ein Rascheln. Eine Katze?! Ich denke bei jedem nicht zuordbaren Geräusch sofort an Katzen. Das ist an sich Unsinn, da wir über keine Katze verfügen. Der Hund konnte es ja auch nicht gewesen sein, er ist seit zehn Jahren tot und ausgestopft. Aber Geräusche entstehen ja nicht einfach so. Ich verharrte und lauschte. Und wieder raschelte es. Es kam aus dem Erdgeschoss, eindeutig. Eine Nachbarskatze musste sich in der Nacht Zugang zum Haus verschafft haben. Ah! Es war der Gelbe Sack! Der Gelbe Sack ist offenbar aus seiner Halterung gen Boden gerutscht. Wie lang wohl dieses Rutschen gedauert hat? Vielleicht die ganze Nacht über? Ich war jedenfalls erleichtert, die Ursache des Geräusches gefunden zu haben.

Inzwischen ist es draußen hell geworden. Ich beende diesen Text, da ich mich nun zum Laufen präparieren werde. Dazu gehört auch das Zähneputzen, zumal mir etwas in der oberen rechten Zahnreihe steckt. Warum zur Hölle benutze ich morgens Zahnseide – und nicht abends?! Ich muss dieses Vorgehen überdenken. Es ist nicht zielführend.


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