Weihnachten ist für mich wie auch für alle anderen, wenn man mal ehrlich ist, die Cait der Traditionen, der Rituale, die Halt und Sicherheit geben. Und eine dieser auch Familientraditionen ist die Frage der Weihnachtsgeschenke. Meine Kernfamilie ist an sich der Meinung, man müsse sich nicht mehr unbedingt viel schenken, doch ich selbst bestehe darauf, zumindest beschenkt zu werden. Und leider erreiche ich das nur durch meinerseits aktives Verschenken. Weihnachten ist somit nichts anderes als ein Tauschhandel.

Für meinen Vater habe ich etwas als Geschenk im Auge, von dem ich weiß, dass ich es sehr gut gebrauchen kann, da ich es bereits besitze, das er jedoch vermutlich völlig unnütz finden wird. Er bekommt es mangels anderer Wünsche trotzdem. Einfach weil ich so begeistert davon bin. Jahrelang konnte ich ihn mit Biographien von Politikern „seiner“ Zeit beglücken. Ich erinnere mich an einiges Brandts, aber auch Kohls, das er sogar tatsächlich gelesen hat. Ach, und Schmidts erst! Den würde ich sogar selbst mal lesen. Könnte er mir ja zurückschenken …

Bei meiner Mutter war es die vergangenen Jahre denkbar einfach, da es sich stets um das gleiche Geschenk gehandelt hat, angesichts dessen sie am Gabentisch keinerlei Überraschung spielen musste. Und so fragte ich sie per Whatsapp auch vor Kurzem:

„Zu Weihnachten das Übliche?“

„ä“

„Wie ‚ä‘?!“

Wenn meine Eltern Whatsapp-Nachrichten versenden, braucht man als Empfänger viel Geduld und fragt sich am Ende, warum man nicht einfach angerufen hat. Wer aber schonmal versucht hat, bei meinen Eltern anzurufen, wird verstehen, dass Whatsapp schneller gehen kann. Ich habe, rufe ich an, immer schon vor Augen, wie sie sich darum streiten, wer denn nun an das Telefon gehen soll. Ja, und wo das Teil überhaupt ist! Ich bekomme es ja gelegentlich mit, wenn ich zuhause bin:

Das Telefon klingelt.
Vater: „Telefon?!“
Mutter: „Ja, was denn sonst?“
Vater: „Wer ist es?“
Mutter: „Wie kann ich das wissen? Ich muss erst drangehen.“
Vater: „Ja, geh mal dran.“
Mutter: „Ich weiß nicht, wo es ist. Im Wohnzimmer?“
Vater: „Ne, klingt weiter weg. Im Keller. Ich meine, es im Keller gesehen zu haben. Gestern oder so.“
Mutter: „Ich renne doch jetzt nicht in den Keller.“
Vater: „Und wenn’s wichtig ist?!“
Mutter: „Bestimmt nur Sebastian.“
Ich: „Verzeihung, ich stehe neben Euch!“
Mutter: „Dann ist es wohl Nina.“ [meine Schwester]
Vater: „Klingelt schon gar nicht mehr.“
Mutter: „Dann kann es nicht wichtig gewesen sein.“

Obiges „ä“ war offenbar versehentlich abgeschickt worden. Gebannt blickte ich also auf das „schreibt …“ im Display, das immer dann erscheint, wenn jemand etwas – schreibt. Das kann da nun sehr lange stehen, aber das Warten hat sich ausgezahlt, es kam wirklich etwas:

„Wie jedes Jahr. Hab es mir sogar schon gekauft“, schrieb sie.

Ein Muster, das sich schon seit einigen Jahren abzeichnet: Jeder kauft sich die Geschenke inzwischen direkt selbst. Ich beispielsweise habe bereits einige Geschichtsbücher („Münster gestern und heute“) zu meinen Eltern schicken lassen, die sie mir dann schenken werden. Praktisch, dass ich inzwischen auch ihre Kontoverbindung mit meinem Amazon-Zugang verknüpft habe.

„Aber das ist doch witzlos, wenn du dir die Geschenke schon selbst kaufst!“

„ö“

Ich werde mir eine Alternative ausdenken, vielleicht etwas ähnlich Sinnvolles wie das für meinen Vater. Unvergessen in dem Zusammenhang ist das Abflammgerät, das ich ihm vor Jahren schenkte, mit dem man Unkraut, naja, eben abflammt. Nachdem es drei Jahre lang unbenutzt im Keller gelegen hat, zog er es sich bei der ersten Benutzung versehentlich über den Fuß, womit er seine Schuhe abgeflammt hatte. Jenes Geschenk gilt seither als Musterbeispiel eines Fehlgriffes, wessenthalben ich im Jahr darauf von der Schenkung einer Heckenschere abgesehen hatte.

Und da ich gerade dabei bin: Als größter Flop in der Flotho’schen Geschenke-Historie gilt eine überdimensionale Buddha-Statue, die mein Vater meiner Mutter Weihnachten angedeihen lassen wollte. Das Ungetüm hat ihr dermaßen gut gefallen, dass mein Vater und ich es am ersten Werktag nach Weihnachten zurück ins Geschäft gebracht haben. Und was lese ich vor Kurzem in der Zeitung? Dass Buddha-Statuen der Deutschen neuen Gartenzwerge sind! Mein Vater war seiner Cait einfach nur weit voraus!

Noch schwieriger wird es, wenn es um meinen Neffe und meine Nichte geht. Kinder haben zwar viele Wünsche, aber oftmals wünschen sie an der Realität vorbei. Ich werde für ihn mitnichten einen Feuerwehrwagen, einen echten!, kaufen und für sie sicherlich kein Pferd.

Am Wochenende waren die beiden bei meinen Eltern, bei Oma und Opa also. Mitunter schalten sie sich in unsere Whatsapp-Konversationen ein. Mit der Rechtschreibung hapert es noch ein bisschen, aber letztlich bewegen sie sich sicherer auf der Handytastatur als meine Eltern. Er wünsche sich ein longboard, schrieb mir der – wie alt ist man in der zweiten Klasse?! – x-jährige. Ich bin mir allerdings relativ sicher, dass dieser Wunsch nicht mit seiner Mutter, meiner Schwester also, abgesprochen ist. Also antwortete ich, was mein Vater mir seit mehr als 30 Jahren jedes Jahr zu Weihnachten sagt:

„Wünschen kann man sich vieles.“

Ich komme mir in den Whatsapp-Gesprächen mit den beiden Nachwuchsmenschen immer recht humorig vor, da Kinder ja ein sehr dankbares Publikum sind, bevor sie ein Alter erreichen, wo die Erwachsenen eher uncool sind. Und so nehme ich auch an, sie halten mich inzwischen für den leicht irren Onkel aus Düsseldorf, wobei es die Anrede „Onkel“ bei uns nicht gibt. Obiges Bild zeigt einen beispielhaften Ausschnitt einer solchen Whatsapp-Unterhaltung, wobei in deren weiteren Verlauf auch klar wurde, dass sie, meine Nichte, sich Monopoly wünsche. Das klingt schon etwas sinnvoller, Kinder können nicht früh genug an den Kapitalismus herangeführt werden, jenes System, dem wir zweifellos unseren Wohlstand zu verdanken haben, was den einen oder anderen Leser jetzt sicherlich provozieren dürfte. Eben weil es stimmt. Gerade zu Weihnachten sollten wir den kalten Kapitalismus hochhalten!

Monopoly habe ich meist gerne gespielt, insbesondere mit meiner Mitbewohnerin, weil sie immer verloren hat. Bis zu jener Partie, in der sie die Rolle der Bank übernommen hat, womit meine korrupte Spielweise nicht mehr möglich war und ich innerhalb weniger Runden mit Pauken und Trompeten unter- und pleiteging. Meine Taktik, einfach jede Straße, jedes Wasserwerk und jeden Bahnhof zu kaufen, verträgt sich nicht mit dem Startbudget bei Monopoly. Monopoly wird seitdem bei uns nicht mehr gespielt. Ich spiele nur Spiele, bei denen ich gewinne. Wir spielen an sich gar nicht mehr.

Heute habe ich mir bei Amazon bestellt, was meine Eltern mir schenken werden. Das Teil also wird dann direkt zu ihnen geschickt und zusammen mit meinen Geschenken für sie von meiner Mutter verpackt. Dabei ist wichtig, dass für alle Geschenke das gleiche Geschenkpapier verwendet wird, wodurch aus dem Schenken am Gabentisch eine Spielart des Wichtelns wird, weil meine Mutter natürlich – kein Vorwurf! – den Überblick darüber verliert, welches Geschenk nun für wen war. Zu früh hatte sich mein Vater so vergangenes Jahr über eine „Fissler“-Pfanne gefreut, als er diese ausgepackt hatte, denn die war für mich vorgesehen. Pfannen sind überhaupt ein beliebtes Geschenk bei uns und so fragte mich meine Mutter in diesem Jahr bereits:

„Wünscht Ihr Euch eine Pfanne?“

„Nein.“

„Ich hab aber schon eine für Euch gekauft!“

„Ihr habt uns letztes Jahr doch die ‚Fissler‘ geschenkt.“

„Die war für deinen Vater.“

Also doch wieder ein Missverständnis. Dennoch gilt: Sobald meine Mutter fragt, ob wir uns nicht dieses und jenes wünschen würden, bedeutet dies, dass sie dieses und jenes bereits gekauft hat und man keine Wahl mehr hat, ob man sich das nun wünscht oder nicht.

Wenn aber nun mein Vater im vergangenen Jahr seine Pfanne nicht bekommen hat, wäre diese doch eine ideale Geschenkidee für dieses Jahr!

Schenken steht Weihnachten freilich nicht im Vordergrund. Aber es sind eben genau diese Rituale, die man schwer vermissen wird, wenn sie irgendwann einmal nicht mehr möglich sind. Nur darum geht es mir, diese Art unserer Weihnacht möglichst lange zu erhalten.

In diesem Sinne, bleibt besinnlich.