Die Fans trifft es aus heiterem Himmel, nicht wenige zeigen sich kurz nach der Nachricht geschockt:

„Ich lese diesen selbstverliebten Blog nur wegen Merugin!“
„Merugin war ein so Netter, kann mir gar nicht vorstellen, dass er das getan hat!“
„Solange nichts bewiesen ist, stehe ich zu Merugin!“
„Männer sind alle Schweine! Ich hab’s immer gewusst!“

Doch das seppolog hat caine andere Wahl, es muss möglichst hysterisch und auf bloße Verdächtigungen hin harsch reagieren. In einer Pressemeldung vom frühen Vormittag heißt es so auch:

Das seppolog versteht keinen Spaß, wenn es um solche wie die vorliegenden Anschuldigungen geht. Der Blog, der derzeit immerhin auf Platz 51 der deutschen Humorblogs steht (gefallen von Platz 21!), sieht sich gezwungen, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen und sich von der Figur des Merugins aufgrund bloßer Verdächtigungen zu trennen. Als führender Leitblog kann es sich das seppolog nicht leisten, auf den Zug der Hysterie nicht aufzuspringen. Das Autorenteam des Erfolgsblogs ist nicht bereit, sich auf eine differenzierte Diskussion einzulassen und unterstützt den Gedanken, dass Männer sich grundsätzlich dem Generalverdacht stellen sollten, da sie ihre Geschlechterrolle prinzipiell neu überdenken sollten. Bereits geschriebene, aber noch nicht veröffentlichte Artikel mit Merugin in der Hauptrolle werden dahingehend umgeschrieben, dass er in diesen nicht mehr auftaucht. Das seppolog wünscht Merugin für die Zukunft alles Gute und dass er sich seiner Verantwortung stellt.

Vergangene Woche wurden erste Vorwürfe laut, denen zufolge Merugin Seppos Nachbarin Rudine sexuell mindestens belästigt haben soll. Seppo in einer ersten Stellungnahme:

Ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendjemand auf die Idee kommt, Rudine auch nur länger als eine Sekunde anzublicken. Auf der anderen Seite halte ich auch einen solchen Fetisch für durchaus denkbar. Aber egal, wie ich mich dazu äußere, irgendwer dreht mir da eh ’nen Strick draus. Meine Anwälte rieten mir daher zu sagen, dass ich absolut gegen sexuelle Belästigung von Frauen, Männern und Tieren bin. Es sei denn, es hilft der Karriere des Belästigten sowie dem Machtanspruch des Belästigenden. Von diesem Satz rieten mir meine Anwälte allerdings ab. Bitte nicht zitieren.

Rudine selbst schildert, inzwischen an Eides statt versichert, den vermeintlichen Übergriff Merugins so:

Es war etwa 19 Uhr am Abend, als Merugin zum Vorglühen bei mir vorbeikam. Ich hatte nie geplant, dass ich mit ihm alleine sein würde. Männer nutzen das sofort aus. Ursprünglich hatte ich daher noch Seppo eingeladen, der jedoch angab, nicht kommen zu können, da er unter Malaria leide, was ich für eine fadenscheinige Ausrede halte. Manchmal glaube ich, Seppo mag mich nicht, was ich mir aber kaum vorstellen kann, da ich doch so sozial und empathisch bin.

Rudine und Merugin tranken Glühwein aus dem „Tetrapak“ und sahen sich dabei „The Lego Movie“ an.

Den Film hatte Seppo mir letztens empfohlen, inwischen weiß ich, dass es eine Falle war; kein guter Film, nichtmal mit Glühwein.

Während einer der langweiligen Szenen soll Merugin Rudine plötzlich mit Komplimenten überhäuft haben.

„Schlecht siehste ja nun wirklich nicht aus, Rudine“, sagte er zu mir, wobei er leicht sabberte, was ich auf den Alkoholkonsum schiebe. Ob er mal anfassen dürfe, wollte er wissen, „der kann unmöglich echt sein“, meinte er. Ich fühlte mich bedroht, sodass ich umgehend Seppo telefonisch alarmierte.

Seppo wohnt zwei Etagen unter Rudine und konnte sein Glück kaum fassen, als er sie am Telefon hatte.

„Ach, Rudine. Warum rufst du immer mit unbekannter Nummer an?!“

„Weil du sonst nie drangehst.“

„Ja, gibt dir das nicht zu denken?!“

„Nein … Seppo, Merugin sitzt gerade bei mir, er ist im Begriff, sexuell überzugreifen.“

„Auf wen? Auf sich?“

„Nein! Auf mich! Kannst du mir helfen?“

„Ich hab Malaria.“

„Du hast ’ne Grippe! Komm mich befreien!“

„Gerade schlecht. Hänge am Tropf.“

„Seppo!“

„Na gut, ich komme hoch. Muss mir aber noch ’ne Hose anziehen.“

Keine zwei Stunden später klingelte Seppo bei mir. Merugin war über den Alkohol bereits auf meinem Sofa eingeschlafen. „Wo ist der Misstetäter?“, rief Seppo, als er in meinen Flur stürzte. Er stürzte übrigens wirklich. Er ist sehr ungeschickt. „Er schläft“, sagte ich ihm. „Er schläft?! Wo ist denn dann das Problem?!“ – „Er wollte anfassen!“ – „Niemand würde dich freiwillig … Was ist das?!“

Dem Protokoll nach habe Seppo plötzliches Interesse an Rudines Weihnachtsbaum gezeigt.

Ob er echt sei, wollte Seppo wissen, und weiter: „Darf ich mal anfassen?“

Das Protokoll bricht an dieser Stelle ab, was bei solchen Beobachtern, die nicht vorschnell und reflexhaft reagieren, für ein Stutzen sorgt, obwohl man ja nur für Kranke sorgen kann.

Bei dem Beschuldigten nachgehakt, äußert sich Merugin so:

Sorry, Leute, mega Filmriss. Glühwein ist meine Sache nicht. Also, worum geht’s? Rudine belästigt?! Bei aller Liebe, aber ich habe so unfassbar viel Sex mit so unglaublich vielen Frauen und Männern, wie soll ich mich da erinnern, ob ich Rudine … Moment, die Rudine? Nein, wirklich nicht. Also ich meine, ich hab es zwar unglaublich nötig, aber so nötig kann ein Mann es nicht haben. Ich habe nie irgendjemanden belästigt. Aber wo wir schon einmal dabei sind: Seppo hat mich sexuell belästigt, vor meinen Augen in einen Blumentopf … faselte irgendwas von „Ich bring dich groß in meinem Blog raus“ und „Ich schreib dich in völlig abgedrehte Geschichten!“ und „Mit dir sammle ich Likes ohne Ende!“ Er versprach mir sogar ein meruginlog, einen eigenen Blog! Bis heute nicht passiert. Aber eines kann ich sagen: Ich habe den einseitigen Sex mit Seppo sehr genossen!

Keine Sekunde zu spät hat Seppo auf diese Einwürfe reagiert:

Nun, vermutlich stimmt es. Ich habe mit so ziemlich jeder meiner Figuren geschlafen. Nur Rudine ist da eine Ausnahme. Aber ansonsten habe ich sie alle nach Strich und Faden an die Wand getackert.

Die Situation also ist verworren und vor allem dazu geeignet, dass der Eindruck entsteht, hier nehme jemand die Debatte um sexuelle Belästigung im Zusammenhang mit Machtmissbrauch nicht ernst. Dem widerspricht der Autor hiermit vehement. Er nimmt lediglich nicht jeden Teilnehmer an dieser Debatte für voll. Und vielleicht wünscht er sich etwas mehr Vernunft in dieser und vor allem etwas weniger Vorverurteilung.