Es scheint das Licht am Abend fahl. Und damit fühle sich der Leser in diesen hagelstürmischen Zeiten wohlig aufgenommen im zehnten Teil der heiteren Serie Das seppoABC! Und zugegeben, den Buchstaben J, heute an der Reihe, zu „Justus Jonas“ auszuwalzen, ist das Ergebnis des Versäumnis, dem Buchstaben H „Hörspiel“, und nicht einfallsloserweise „Haar“ zugeordnet zu haben, obschon obgleich es bei mir eher aus- als einfällt.

Wer mit Namen Justus Jonas, oder auch Jupiter Jones, nichts anfangen kann, der hat womöglich in seiner Kindheit eher „Die fünf Freunde“ oder gar das inzwischen als rassistisch und sexistisch entlarvte „TKKG“ gehört. Ich beispielsweise war mit den fünf Freunden unterwegs und schon als Kind machte mich stutzig, dass es immer irgendwie um Geheimgänge geht, die auf irgendwelche Schmugglerinseln führen. Dann wurde irgendjemand entführt, meist Onkel Quentin, und dann wieder freigelassen. Mit Justus Jonas und den anderen zwei Fragezeichen kam ich erst in meinen Zwanzigern in Kontakt.

Es soll um Hörspiele gehen, so wie es im seppoABC um mich charakterisierende Dinge geht, wozu diese Kunstform nun einmal gehört.

Bei meiner vergangenen Datensicherung stellte ich fest, dass ich über knapp 60 Gigabyte an Hörspielen verfüge, eine Sammlung, die ich seit mehr als zehn Jahren pflege.

Denn nach den Fünf Freunden war erst einmal Schluss. Während des Studiums dann entdeckte ich alte „Alf“-Kassetten wieder und durch technische Innovationen der damaligen Cait gelangte ich an sämtliche jemals auf Band erschienenen Folgen dieser Serie, die gerade ihren 30. Geburtstag feiert. Keine Hörspielserie habe ich öfter gehört als diese, noch heute begleitet sie mich fast jeden Abend in den Schlaf. Das bedeutet: die ersten Minuten der jeweiligen Episoden kenne ich auswendig, die zweite Hälfte vermutlich gar nicht.

Tommy Piper ist die unverwechselbare Stimme Alfs im Deutschen und besser als das Original. Er gilt als der Erfinder des „Null Problemos“ und bereut sein Mitwirken an dieser Serie heute sehr, wie ich jüngst lesen konnte. Nach Alf hat der Mann, der eigentlich Schauspieler ist, keine nennswerten Rolle mehr bekommen. Vielleicht tröstet ihn, dass ich ebenfalls keine Rollen bekomme.

Hörspiele erfüllen für mich zwei Funktionen. Zwei, die sich diametral, wie man so schön angeberisch sagt, gegenüberstehen. Zum einen erleichtern sie mir oftmals das Einschlafen. Mit Alf geht das hervorragend: hier und da ein wenig Musik, ansonsten alles ruhig abgemischt, keine schrillen Spitzen nach oben, die einen aus dem Schlafgestöber reißen könnten. Zum anderen aber fasziniert mich diese Art der Geschichtenerzählung generell. Hörbücher, die etwas völlig anderes als Hörspiele sind, hingegen langweilen mich, weil ich Bücher lieber selbst lese. In Hörspielen steht die Kunst im Vordergrund, eine Geschichte überwiegend nur durch Dialoge zu erzählen. Manchen Hörspielserien gelingt das sogar ganz ohne Erzähler.

Doch auch der Erzähler kann zum Star werden. Peter Pasetti! Und damit sind wir eben bei den „Drei ???“. Er war der erste Erzähler, er war Alfred Hitchcock! Rund 120 Folgen habe ich vor etwa zehn Jahren gehört, bis ich ausstieg, da das Muster dieser durchaus extrem guten Serie doch etwas durchschaubar geworden ist. Überhaupt ist diese Serie ein weltweiter Superlativ. Justus Jonas wird gesprochen von Oliver Rohrbeck, den viele kennen auch als die deutsche Stimme von beispielsweise Ben Stiller. Und gibt es eine angenehmere Stimme als die von Andreas Fröhlich, der den Bob spricht?! Meine Mitbewohnerin fließt dahin, wenn sie ihn hört. Zum Beispiel auch als die deutsche Stimme von John Cusack. Und wer „King of Queens“ gesehen hat, der hat auch Peter Shaws Stimme im Ohr: Jens Wawrczeck. Alle drei haben als Kind angefangen und sprechen noch heute nach 39 Jahren (!!!!!!!!!!) ihre Rolle in den „Drei ???“! Skinny Norris ist übrigens vor einiger Zeit verstorben …

Nicht jede Folge der Serie habe ich in dem Sinne auch „gekauft“. In meinem jugendlichen Leichtsinn geriet ich in einen Strudel der Kriminalität, wurde zum MP3-Dealer. Und erwischt. „Sony BMG Music Entertainment“ beauftragte eine Anwaltskanzlei, die mir unangenehme Post zukommen ließ. Ich musste mir damals, ich glaube, es war 2008, einen Anwalt nehmen, da ich andernfalls eine nicht-modifizierte Unterlassungserklärung unterschrieben hätte, die ein Schuldeingeständnis bedeutet hätte, was weitere Unannehmlichkeiten nach sich gezogen hätte. Wie dem auch sei, seitdem habe ich für jede MP3 Geld bezahlt. Meine Weste ist rein. Vor allem stehe ich voll hinter dem Urheberrecht. Und Hörspiele sind nicht teuer. Vermutlich, weil sämtliche Beteiligten unterbezahlt sind.

Die Welt der Hörspielserien in Deutschland ist unfassbar vielseitig, auch wenn sich vieles gleicht. Doch allein die Masse des Angebotes muss einen erschlagen! Ich staune, dass es offensichtlich einen so nachfragestarken Markt hierzulande gibt, dass jedes Jahr neue und vor allem hochqualitative Serien aus dem Boden sprießen oder schießen. Für mich war die Neuauflage von „John Sinclair“, dem Dämonenjäger, das Erweckungserlebnis. Einschlafen war bei der Serie unmöglich! Hier ging es wirklich um die zweite Funktion, um das Unterhalten durch eine mitunter spannende Geschicht, wenn auch nach einfachstem Muster.

John Sinclair setzt auf bekannte Synchronstimmen aus dem Kino und hat damit Maßstäbe für die Branche gesetzt, sie vielleicht sogar wiederbelebt. Es gibt unzählige Nachahmerserien, in denen irgendwelche Helden Geister jagen. Ursprünglich ist Sinclair übrigens der Held eines Groschenromanes gewesen. Und ist es noch.

Ich gehe auf die 40 zu, Luft ist noch!, aber auch die Art der Hörspiele, die ich höre, wird erwachsener. Jüngst habe ich die Serie „Twilight Mysteries“ für micht entdeckt. Dass deutsche Hörspielserien auf englische Titel setzen und meist auch in den USA spielen – geschenkt, hat der deutsche Kreative doch vermutlich einen kleinen Penis zu kompensieren und wagt sich nicht an deutsche Geschichten und Schauplätze. Und dass ich bei „Twilight Mysteries“ drangeblieben bin, kommt einem Wunder gleich: Denn die ersten Minuten der ersten Folge sind inhaltlich das desaströseste, das ich jemals gehört habe. Ich lag da in meinem Bett, während meine Mitbewohnerin neben mir mit Ohrstöpseln in den Ohren ihrem Polnisch-Sprachkurs frönte, und wandt mich vor Fremdscham angehörts dessen, was aus den Lautsprechern unserer „Anlage“ kam. Grottoid! Peinlichst!

Doch das überstanden entpuppt sich die Serie als extrem unterhaltsam, spannend und stellenweise humorig, auch wenn teilweise etwas zotig und vorhersehbar. Aber: Sie kommt ohne Erzähler aus, was vermutlich die größte Herausforderung bei Hörspielen ist.

An einer Folge eines Hörspieles hören meine Mitbewohnerin und ich teilweise viele Wochen herum. Eben weil wir oft dabei einschlafen und am folgenden Abend die Folge wieder von vorn beginnen, da wir ja doch nicht die Stelle finden, bei der der erste von uns weggenickt war. Es gibt aber immer mal wieder solche Episoden, die derart gut sind, dass man sie in einem Zug durchört. Einige Folgen der Serie „Gruselkabinett“ – zugegeben, ein alberner Name – gehören dazu. Diese Serie nimmt sich Klassiker des Horrorgenres zur Basis. Ob nun ganz populistisch „Dracula“ oder die Oper „Der Freischütz“ – beide sind sensationell umgesetzt, zweite sogar so gut, dass ich zehn Jahre nach dem ersten Hören immer noch an diese Geschichte denke.

Und eine Figur darf nicht vergessen werden und ich würde behaupten, keine andere fand sooft Widerklang in Hörspielen wie die von Arthur Conan Doyle: Pitje Puck. Nein, natürlich Sherlock Holmes. Für den Bayerischen Rundfunk sprach ihn beispielsweise Peter Pasetti in den Sechzigerjahren. Auch die 19 Hörspiele habe ich als MP3. Bestimmt gekauft. Doch da sind noch die „Sherlock Holmes Chronicles“ (wieder englich, weil wieder kleiner Penis), „Sherlock Holmes – die neuen Fälle“ oder „Sherlock Holmes – die Edition“ undsoweiter. Zurecht ist diese Figur absolut für eine Hörspielumsetzung geeignet. Sherlock Holmes geht immer.

Es sind so viele Serien, die ich gehört habe. „Gabriel Burns“ muss Erwähnung finden. Sensationell gemacht, nur leider für mein simples Gemüt zu kompliziert, ich stieg irgendwann aus, weil ich nicht mehr wusste, wer wer ist und worum es eigentlich geht. Denn Hörspiele sind extrem anspruchsvoll. Klar, TKKG kapiert jeder, die Handlung ist übersichtlich und einfach gestrickt, die Rollen stereotypisch gezeichnet. Bei den „Drei ???“ fasst Justus gerne alle paar Minuten die groben Züge der Handlung für all diejenigen zusammen, die zwischendurch mal eingeschlafen waren, und bei vielen gibt es eigentlich so gesehen keine nennenswerte Handlung. Doch da sind eben auch die „Erwachsenenhörspiele“ mit komplexer Handlung und einer Dramaturgie, die erst nach 20 Folgen einen Sinn ergibt. Da ist angestrengtes Zuhören vonnöten, nebenbei mal eben bügeln ist da nicht. Ich behaupte, dass neue Medien, denen ich nun wirklich nicht feindlich gegenüberstehe, uns teilweise die Fähigkeit zu einer langen Aufmerksamkeitsspanne genommen haben. Genau die aber ist bei Hörspielen oftmals Voraussetzung, wagt man sich an die wirklich herausragenden.

Und da ich dabei bin, muss ich das öffentlich-rechtliche Radio loben. Das wird hart für die Leser, die nun reflexartig an den Rundfunkbeitrag denken müssen und sofort losschimpfen, aber im Grunde caine Ahnung haben, wovon sie reden, was sie für das Geld bekommen. Das ist ja oft so; die, die am lautesten schreien – leider immer mehr – haben einen nur schwach ausgeprägten Geist und sind sehr, sehr dumm. Denn andernfalls würden sie nicht schreien. Hühner beispielsweise schreien. Und haben ein sehr, sehr übersichtliches Gehirn. Nun gut, das ist ein anderes Thema, bei dem nur meine Meinung richtig ist. Das öffentlich-rechtliche Radio – es lebe hoch! – hat eine faszinierende Hörspielkultur in Deutschland etabliert; keine Frage. Gut, die Sendeplätze werden zusammengestrichen und das finden wir doof, aber letztlich produzieren sie nach wie vor gute Hörspiele. Doch eines muss ich mal loswerden: Warum glauben so viele Radiohörspielregisseure, dass sie ihre Werke derart zur Hochkultur stilisieren müssen, dass man von ihrer Handlung absolut nichts mehr versteht?! Die Hintergrundmusik möglichst unmelodisch, maximal abstrakt die Spreche der Figuren untermalend, die das Gesprochene auch nur noch andeuten!? Schwer zu beschreiben, aber wer so etwas mal bei „EinsLive“ oder „WDR 5“ gehört hat, der wird sich erinnern, dass er sich wie auf einem schlechten LSD-Trip gefühlt hat. Vielleicht hilft der Vergleich mit Kerkelings „Hurz“. Viele Radiohörspiele sind wie „Hurz“. Nur ernstgemeint.

Aber alle anderen sind in der Regel gut, ein Hort für Menschen, die Lust haben, ihre Vorstellungskraft ein wenig zu pflegen. Der Konsum von Kreativität regt zur Kreativität an.


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