Eine Soldatin bindet sich die Stiefel und die Zugfahrleiterin informiert mich (aber auch alle anderen Mitfahrenden) über den „gastronomischen Service“, den wir in Wagen 25 fünden. Ich bin nach langer Cait wieder einmal unterwegs nach Berlin und setze dabei nach wie vor auf ein Bahnunternehmen, das im europäischen Vergleich weder besonders unpünktlich noch übermäßig teuer ist. Auch nachdem ich im vergangenen Dezember auf einer Fahrt von Berlin nach Düsseldorf im westfälischen Findensieminden wegen eines Triebwerkschadens gestrandet war, bleibe ich treu an der Seite der Deutschen Bahn, da ich mich nie einreihen will in die gleichgeschalteten Überallesnörgler mit ihren unfreundlichen Gesichtsausdrücken. Denn während ich so brachlag in Minden, versorgte die Bahn mich mit:

Kaffee.

Und damit willkommen beim heiteren seppoABC mit dem Buchstaben K. Und K kann in meinem Leben nur für zwei Dinge stehen – entschieden habe ich mich für „Kaffee“ und über die Alternative darf hier gerne spekuliert werden!

Im ICE kostet ein „Großer Kaffee“ drei Euro 50. Nicht empörend unerschwinglich, würde ich meinen, zumal die heimische Tasse selbst gebrauten Filterkaffees für etwa 15 Cent sowieso konkurrenzlos günstig bleibt. Doch drei Euro 50 zahle ich gerne, denn gerade bei den Fahrten am frühen Morgen geht es ohne Kaffee nicht.

Kaffee ist mein Antidepressivum. Ich kenne zwei, drei Menschen, die grundsätzlich cainen Kaffee trinken. Ich verstehe das nicht. Es ist nicht einmal so, dass das besonders depressive Menschen wären. Wo ich sagen würde, hey, trink doch mal einen Liter Kaffee, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus! Nein, das sind Menschen, die auch ohne Kaffee beispielsweise lächeln können. Oder Dinge anpacken können. Wir erinnern uns, in diesem Jahr muss ich so einiges anpacken; ohne Kaffee würde das nicht funktionieren. Ich bewundere also die Nicht-Kaffeetrinker, auch wenn ich davon überzeugt bin, dass ihnen einiges entgeht.

Die schönsten Dinge im Leben haben Nebenwirkungen. Immer heißt es gleich, „die Dosis macht’s“. Haben Kokain, Heroin und Meth nicht tolle Wirkungen? Ich kenne mich da nicht so aus, habe nichts davon auch nur mal probiert. Aber so viele Menschen konsumieren diese Dinge, sie müssen ja einen tollen Rausch mit sich bringen! Aber wie das so ist, letztlich führen sie in große Verelendung.

Oder Essen! Wie geil wäre es, man könnte hemmungslos essen? Leider geht das nicht, da wir dann sehr, sehr dick werden. Daraus ergeben sich Folgeerkrankungen. Und wieder verelenden wir.

Egal, was uns Spaß bringt, ein Zuviel davon bringt uns letztlich um. Doch gemach! Es gibt zwei Ausnahmen: Sex und Kaffee. Vom übermäßigen Sex wird man höchstens wund; ansonsten bleibt er auch bei steigender Häufigkeit spaßig und gesund. Es gibt bei Sex keinen abnehmenden Grenznutzen! Und das gilt eben auch für Kaffee.

Ich trinke Kaffee in großen Mengen. Ich komme sicherlich auf acht Tassen am Tage und ich rede nicht von diesen albernen Tassen mit diesen kleinen Henkeln, die man in Cafés oder bei Oma kredenzt bekommt. Ich meine natürlich diese Pötte, in die auch was reingeht.

Mein Blutdruck, um das direkt vorwegzunehmen, ist supi, Blutwerte und EKG ebenfalls. Ich bin kerngesund und wir wissen ja nun auch, dass Kaffee unfassbar gesundheitsfördernd ist. Diverse Krebsarten haben bei mir gar keine Chance, werden vom schwarzen Gold praktisch weggeschwemmt, sodass ich eben die anderen bekomme. Der Flüssigkeitszufuhr wird Kaffee allen Unkenrufen zum Trotze ebenfalls zugerechnet und auch an den 18-Uhr-Kaffee gewöhnt sich der Körper irgendwann, sodass die Wirkung des Koffeins diesen nicht mehr beeindruckt, während er wider diese in den Schlaf findet. Kaffee ist also toll und mit cainerlei Nachteilen verbunden, sieht man von den Krankheiten ab, die Kaffee hervorruft.

Wie abhängig ich von Kaffee bin, habe ich im vergangenen Jahr eine Woche lang in Brandenburg erfahren müssen. Wegen eines temporären Technologiedefizits gab es in meinem Zweitwohnsitz, einer Villa in Falkensee, morgens keinen Kaffee. Ja, Sie haben ganz richtig gelesen: Es gab keinen Kaffee.

Führe ich mir morgens nicht als allererstes einen Kaffee zu, komme ich nicht auf Touren. Ich leide dann eine körperliche, aber auch seelische Müdigkeit. Was ich damals habe bitter erfahren müssen: Diese Müdigkeit zieht sich durch den ganzen Tag. Es hilft kein Duschen, kein Koksen und kein LSD. Alles ausprobiert. So blieb mir nur der zügige Gang zur nahen „Total“-Tankstelle, um das Defizit auszugleichen. Hier wird klar: Ich bin eindeutig abhängig.

Mein Wecker klingelt morgens in aller Regel um fünf Uhr. Um fünf Uhr morgens mache ich mir keine Illusionen über die Schönheit des Lebens. Morgens um fünf Uhr ist alles erst einmal so richtig beschissen. Und das meine ich genau so, wie ich es morgens um fünf Uhr empfinde: richtig beschissen. Wer mich morgens um fünf Uhr anspricht, der muss mit heftiger Gegenwehr rechnen, mit harter, kompromissloser körperlicher Gewalt. „Sprichst du mich an, schlag ich dich zusammen“, ist mein üblicher Morgengruß.

Um meine Mitbewohnerin also nicht schlagen zu müssen – ich zöge ohnehin den Kürzeren -, erfolgt morgens als erstes der Gang zur Kaffeemaschine. Kaffeemaschinen spielten in meinem Leben schon immer eine große Rolle. Ich lehne Billigmodelle ab, hier gönne ich mir gehobene obere Mittelklasse. Schwenkfilter sind etwas für „Sana“-Trinker, aber nicht für den Feinschmecker. Und selbstredend werden die Bohnen bei Flothos morgens frisch gemahlen! Das erste, was man also morgens in unserer Wohnung hört, ist das ohrenbetäubende Mahlgeräusch des Mahlwerkes, das natürlich ein Produkt der gehobenen oberen Mittelklasse ist; geht es um Kaffee, wird bei uns nicht gespart. Wer bei Kaffee spart, der hält Lexus auch für Oberklasse.

Die schlimmsten Minuten eines Tages sind wohl die, die während des Wartens auf die Beendigung des Brühvorganges vergehen. Es mögen nur sieben sein, doch fühlen sie sich an wie Stunden. Stunden des Wartens, die sich auszahlen, denn nun geschieht das Wundersame: Bereits der erste Schluck Kaffees führt einen Stimmungsumschwung herbei, der vorher noch als völlig utopisch erschien. Ich spüre förmlich, wie der Kaffee sich über mein ausgefeiltes Adersystem in meinem Körper bis an das Ende seiner Extremitäten ausbreitet und mit Leben erfüllt. Blitzartig wird auch mein Geist hellwach und ich bekomme umgehend Lust auf die Aufgaben des Tages! Mich durchdringt Motivation, etwas zu schreiben. Oder durch den frühen Morgen zu joggen als Pionier der Stadt!

So gibt es kaum Tätigkeiten, die ich ohne Kaffee vollführe. Genüsslich schlürfe ich beim Beischlaf mit meiner Mitbe Schreiben (auch dieser Zeilen) einen Kaffee. Auch beim Sport gehen immer rund zwei bis drei Tassen drauf. Inzwischen neutralisiere ich zwischendurch mit Halblitern Wassers, da ich Sorge habe, mir die Magenwand durchzuätzen.

Und selbst abends habe ich eine perverse Lust auf Kaffee, doch halte ich es für problematisch, um 21 Uhr noch einen solchen aufzusetzen. Denn dann wird es wirklich schwierig mit dem Einschlafen, obwohl hier ein verblüffender Effekt zuschlagen könnte: In den ersten 15 Minuten nach dem Kaffeekonsum wird der Körper eigentlich erst einmal müde. Dieses Zeitfenster könne man nutzen, um sich in ein Schlafgestöber zu begeben. Und ich selbst kenne diesen Effekt von Wochenendmorgenen: wenn meine Mitbewohnerin und ich etwa zwei Stunden lang Kaffee im Bett trinken, um danach noch einmal ein kurzes Nickerchen einzulegen – trotz oder wegen des Kaffees!

Sie trinkt ihn mit Milch und Zucker, ich trinke Männerkaffee. Der Löffel, den ich ja nicht brauche, muss im Kaffee stehen. Sehe ich den Boden der Tasse, ist der Kaffee zu dünn und ungenießbar. Kaffee ist nicht braun, Kaffee muss schwarz sein.

Ich fahre jetzt nur noch wenige Minuten mit diesem Zug, dann komme ich an. Das erste, was ich im Büro tun werde, ist eine kurze Vorstellungsrunde meinerseits, da ich so lange schon nicht mehr da war. Danach aber! Danach geht es zu diesem fantastischen Kaffeeautomaten. Jedes Unternehmen sollte in solch Automaten investieren, da sie die Produktivität der Mitarbeiter verzehnfachen können. Ein Mitarbeiter also kann für neun weitere arbeiten, sodass neun andere entlassen werden können. Neun Mitarbeiter weniger bedeuten verringerten Kaffeekonsum. Die gesparten Kaffeekosten können auf die Weise in noch mehr Kaffeevollautomaten investiert werden und so weiter …

Doch vor einigen Wochen der große Schock: Ich betätigte die Taste „Kaffee“ am Automaten und im Display erschien ein pixeliges „Kaffee nachfüllen“. Ich überlegte kurz, schnell zu gehen, um diese Aufgabe einem Kollegen zu überlassen, doch war mein Kaffeedurst zu ausgeprägt, sodass ich es selbst erledigen wollte. Ich öffnete den Automaten, um ein Bohnenbehältnis zu finden und hernach zu befüllen. Musste jedoch feststellen, dass diese Maschine nicht mit Bohnen arbeitet. Und auch nicht mit Kaffeepulver. Sondern mit

Sirup.

Ich hatte bislang nicht gewusst, dass so etwas möglich ist, aber tatächlich reichert dieser Vollautomat den Kaffeesirup mit Wasser an, sodass er dann als frischer Kaffee in Erscheinung tritt. Seitdem ich dieses dunkle Geheimnis aufgedeckt habe, schmeckt mir der Büro-Kaffee … sagen wir mal … zumindest anders. Aber dennoch: Ohne geht es nicht. Das Wetter.


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