Frauen sind nicht erlaubt. Das ist wohl das wichtigste Statut des Herrenklubs, in dem ich seit 2004 Mitglied bin. Als Gründungsmitglied bin ich sogar Ehrenmitglied auf Lebenszeit, was für mich das große Privileg bedeutet, dass ich trotz meines falschen Wohnsitzes auch heute noch Mitglied des Münsteraner Herrenklubs sein darf. Denn der Wohnsitz in Münster ist eine Bedingung, die ich als Zwangsdüsseldorfer natürlich nicht erfüllen kann. (Der Hintergrund dieser Vorschrift ist freilich der, dass jemand, der meint, aus Münster wegziehen zu müssen, des Klubs freilich unwürdig ist. Man kann sich vorstellen, welchen Stand ich vor zehn Jahren hatte, als ich meinen Wegzug kundtat. Ein Duell war nur eine der Folgen. Klar, wer als Sieger daraus hervorhing.)

Neben der Abstinenz von Frauen ist absolute Diskretion eine weitere Eigenschaft des Klubs. Das übrigens widerspricht keinesfalls der Gleichberechtigung, denn auf dem Männer-WC haben sie ja auch nichts zu suchen und es ist ihnen freigestellt, einen Damenklub zu gründen. So jedenfalls sehen wir es in unserem Herrenklub, den ich an dieser Stelle leider nur äußertst diskret und verklausuliert beschreiben darf. Im Folgenden genannte Namen sind also verfälschte, da mir andernfalls größter Ärger ins Haus stehen würde. Dass ich überhaupt über den Klub schreibe, resultiert aus meiner großen Vorfreude auf die bald anstehende fulminante Rückkehr in die traditionelle Sonntagsrunde, der ich wegen des falschen Wohnsitzes seit nun zehn Jahren nur sehr unregelmäßig beiwohnen kann; meist nur alle vier bis acht Wochen. Mein dortiges Erscheinen sorgt daher stets für helle Freude. Manch Mitglied kommt sonntags nur deshalb, weil er mich zu treffen hofft. Und das erwähne ich hier in nüchternster Bescheidenheit. Es ist womöglich der (falsche) Respekt vor dem Gründer.

Nun wissen wir Mitglieder – wir nennen uns „Teilhaber“ – um die Vorurteile gegenüber solchen Klubs, die wohl deshalb entstehen, eben weil wir so ein Geheimnis aus uns machen. Relevant für unseren Klub ist jedoch nur, was innerhalb dessen geschieht, nicht was außerhalb über uns gedacht wird. Denn eines ist klar: Nichts davon ist zutreffend. Doch genau das ficht uns nicht an. In diesem Klub geht es eben genau darum, sich eine eigene Welt zu schaffen, die von der Außenwelt isoliert stattfindet: ein Refugium des Eskapismus.

Um sich dem Ganzen zumindest oberflächlich zu nähern, sei sich Phileas Foggs bewusst zu werden, war es doch eine Wette mit den Teilhabern seines Herrenklubs, die ihn letztlich in 80 Tagen um die Welt führte. Ein bisschen so, wie in jenem Werk beschrieben, darf man sich auch unseren Herrenklub vorstellen, in dem ich in gewisser Hinsicht ein Zweitleben führe.

Wir sind nicht Freimaurer, wir sind auch keine Studentenverbindung. Wir sind nicht elitär. Wir fühlen uns lediglich so. Politisch stehen wir eher links, aber dem Ordoliberalismus nahe. Obwohl das Vorurteil besteht, sind wir alles andere als rechts. Einem Mitglied der „Partei“ AfD beispielsweise würde bei uns kein Einlass gewährt, was auch damit zusammenhängt, dass unsere Aufnahmestatuten einen gewissen Bildungsgrad voraussetzen, den AfD-Anhänger in aller Regel grandios verfehlen. Die Empirie belegt das.

Dennoch ist die Mitgliedschaft einer politischen Partei zumindest vorteilhaft, wenn es um einen Teilhabe-Antrag geht. Und nun wissen wir auch, warum ich damals unbedingt der SPD beitreten wollte, was nicht bedeutet, dass ich per se alles gut finde, was von der SPD ausgeht. Ich habe Merkel gewählt! Aber auch nur, um dem infantilem „Merkel-muss-weg!“-Gebrüll etwas entgegenzusetzen. Auch wenn es den Schreihälsen nicht passt, die Mehrheit der Wähler hat sich für Merkel entschieden. Dass das mit Stimmenverlust einherging, ist an sich egal, das letztliche Votum zählt.

Ja, das sind auch die politischen Diskussionen, die ich aus der Sonntagsrunde kenne. Sie unterscheiden sich von Stammtischgesprächen dadurch, dass der Lauteste den Saal verlassen muss. Alkohol allerdings ist vorhanden, wird er jedoch nur auf anständige Weise konsumiert. Was oftmals dazu führt, dass ich so tun muss, als sei ich noch nüchtern. Ich bleibe dann einfach in meinem Sessel sitzen und starre auf eine aufgeschlagene Zeitung. Denn dann wird mich niemand ansprechen.

Auch eisernes Gebot: Man hat dort seine Ruhe zu bekommen. Es geht nicht laut zu, es ist eher eine loungeige Atmosphäre („Sie finden mich in der Louuuunge …“). Unser Saal wird auch nicht mit Musik bespielt, was mir als Feind musikalischer Auswürfe sehr entgegenkommt. Es muss eben nicht jede Situation des Lebens mit Musik verunreinigt werden; inzwischen spricht man nicht zu Unrecht in Anlehnung an den Licht-Smog vom Musik-Smog. Schönes Beipiel sind die hippen Klamottenläden, deren Musikuntermalung zumindest meinen Aufenthalt dort immens verkürzt. Jüngst hat eine neue „Pastewka“-Folge sich zufällig genau dieses Phänomens angenommen.

Am kommenden Sonntag ist es wieder so weit, ich werde gen Münster aufbrechen, um für wenige Stunden in die eine Hälfte meines Doppellebens einzutauchen. Ich betrete dann den Saal, nachdem – und das ist kein Witz! – ich mich mittels meiner Losung identifiziere. Natürlich kann ich diese hier nicht preisgeben. Vielleicht so viel: Sie klingt wie ein Psalm und wurde mir vergeben bei meiner Initiation, meinem Aufnahmeritual, das ich als Gründungsmitglied natürlich nur pro forma über mich ergehen ließ. Entgegen Klischees ist die Initiation übrigens keineswegs mit Schmerzen verbunden. Sofern man sich nicht übermäßig wehrt.

Ich betrete also den Saal und suche dort meinen Platz aus. Denn jeder hat seinen eigenen Platz. Alles andere wäre unsinnig, dann könnte ich mich ja auch in eine Wartehäuschen der Deutschen Bahn setzen. Dort also stehen mein Sessel, mein Beistelltisch und meine Fußbank. Und die Welt der Entspannung steht mir offen. Ein reichhaltig bestückter „Lesesaal“ ist meist mein erstes Ziel, aber auch das Buffet. Es empfiehlt sich dessen reichhaltige Nutzung, da der Höchstteil des Teilhaber-Beitrages genau dafür draufgeht. In diesem (zweistelligen) Monatsbeitrag, der für zehn Jahre zu entrichten ist, ist alles enthalten, was der Klub zu bieten hat. Vielleicht werde ich da zu einem anderen Zeitpunkt einmal konkreter.

Doch es geht ja nicht um irgendwelche Annehmlichkeiten des Konsumlebens, es geht letztlich um stilvolle Entspannung. Und wenn denn für jemanden Musik dazugehören muss, dann findet man denjenigen wohl im „Akustiksaal“, den man sich tatsächlich als Lounge vorstellen darf.

Die Trennung der Raucher von den Nichtrauchern findet auch bei uns statt. Leider. Dem ging ein zäher interner Kampf voraus. Somit gibt es auch einen „Genusssaal“, der den Namen „Rauchersaal“ vermeiden will. Dort wird überwiegend allerdings an Zigarren oder Pfeifen gezogen. Weil das für manche einen hohen Ausdruck von Stilverständnis bedeutet. Zeitweise bin ich für Zigarren zu haben, mitunter aber macht es mich brechen.

Die Mitgliedschaft ist auf mindestens zehn Jahre ausgelegt, sofern nicht Tod oder Wohnortwechsel dazwischenkommen. Denn wer sich für den Klub entscheidet, der trifft eine Entscheidung zumindest für eine Epoche des Lebens. In den Klub eintreten und dann gegen die „GroKo“ stimmen funktioniert bei uns also schon einmal nicht.

Für die ganz treuen Leser des seppologs noch die Information, wer das zweite Gründungsmitglied des Herrenklubs ist: mein ehemals enger Gefährte Pavel. Möge seine Seele Frieden finden.

Und da wir nun in die Materie meines Kerrenklubs eingeführt worden sind – ich spreche zum ersten Mal darüber! -, können wir uns freuen auf so manch Anekdote aus diesem Rückzugsort!


Exklusive Fotos meines Aufnahmerituals sind auf meiner Facebook-Seite zu finden.