Langsam aber sicher beschleicht mich das Gefühl, dass da ein System dahintersteckt. Erst vor einer Woche war Sonntag, nun schon wieder. Ob es derselbe Sonntag ist, muss sich noch caigen; bislang jedenfalls spielt sich alles exakt wie vergangenen Sonntag ab. Und das übrigens war der 2.060. Sonntag meines Lebens, dieses ist also der 2.061.! Wenn es denn ein anderer Sonntag ist, denn auch vergangenen Sonntag saß ich zur selben Cait hier und schrieb. Auch vergangenen Sonntag las ich meine Sonntagszeitung (aha!) und überlege nun, Herausgeber einer Montagszeitung zu werden, da der Montag als Erscheinungstag von Zeitungen und Magazinen in den zurückliegenden Jahren auffällig schwer an Beliebtheit verloren hat. Ich sehe da eine unbesetzte Nische! So erscheint ja beispielsweise „Der Spiegel“ seit nun ziemlich genau drei Jahren nicht mehr montags, sondern samstags, woran ich mich im Übrigen nie gewöhnen konnte: Ich lese ihn nach wie vor erst immer montags, inzwischen meist in der Bahn sitzend.

Wie auch am 2.060. Sonntag meines Lebens bewegt sich meine Mitbewohnerin gerade zum Sport mit ihrer Freundin nach Oberkassel/Lörick/Meerbusch. Ganz bin ich da nicht im Bilde, was die genaue Austragungsstätte angeht, aber sicher ist, sie befindet sich auf der anderen Rheinseite und Meerbusch ist nicht Düsseldorf und Hürth nicht Köln. Letzteres habe ich lange Zeit geglaubt, weil ich irgendwie im Ohr habe, dass man von „Köln-Hürth“ spricht. Letztlich spielt es keine Rolle, da Hürth ein seltsames Pflaster ist, das wohl niemand missen würde. Sollte also der deutsche Staat, den ich so unfassbar schätze, einmal in die Verlegenheit kommen, die Auswirkungen der Abgase durch Atombombentests auf die menschliche Lunge an Primaten erforschen zu müssen, dann möge er Hürth als Testgelände nutzen. Der Imageschaden für den Hürther Tourismusverband dürfte allerdings irreparabel sein. Ich erinnere mich in diesem Moment an meinen Mathelehrer der achten Klasse, der dereinst von einer durch meine Hand gezeichneten Parabel schwärmte:

„Das ist ja eine irre Parabel!“

Das war insofern bemerkenswert, als dass eine Schulstunde zuvor mein Deutschlehrer, Herr Raber, ebenfalls von meiner Parabel auf die Gesellschaft geschwärmt hatte …

Auch an diesem 2.061. Sonntag meines Lebens stehe ich unter enormen Zeitdruck. Meine Mitbewohnerin und ich sind an diesem Wochenende in einige Dinge sehr eingebunden, sodass ich mir für mein heutiges Sportprogramm lediglich ein Zeitfenster von nur 90 Minuten gewähren kann, was angesichts der fünf (!) Stunden gestern wirklich ein Witz ist, doch glaube ich auch, dass meine Schultern es mir danken werden, die ich heute kaum bewegen kann. Und das Nicht-Bewegen-Können von Schultern, das hat Auswirkungen – auf die Kommunikation:

So erzählte mir meine Mitbewohnerin vor einer Stunde, als wir noch im Bett herumvegetierten, dass sie am kommenden Sonntag nach Laer müsse. Ob ich mitkommen wolle, fragte sie. Als ausweichende Antwort wollte ich eigentlich mit den Schultern zucken, was jedoch wegen des enormen Muskelkaters nicht ging. Meine Synapsen allerdings übertrugen den Befehl zum Schulterzucken an die Schultermuskulatur, die jedoch noch im Koma lag und sich in Befehlsverweigerung erging. Mein Hirn glaubte jedoch, ich hätte durchaus mit den Schultern gezuckt, was ich dann ebenfalls geglaubt hatte, was sich aus meiner blinden Hirntreue ergab. Meine Mitbewohnerin hingegen sah keinerlei Regung und interpretierte das also als ein Nein. Sie wird wohl alleine nach Laer fahren müssen.

Es gibt zahlreiche Filme, die ich mir nicht ansehen kann, da ich einen der Schauspieler hasse. So verachte ich beispielsweise Mel Gibson unter anderem aufgrund seiner homophoben und antisemitischen Äußerungen. Ich finde ihn sogar ziemlich dümmlich. Ich kann Werk von Urheber nicht trennen. Aber kann ich Wagners Werk hören? Schwierig. Ich muss aber auch nicht immer konsequent sein. Doch angenommen, das Polit-Talent Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch wäre eine begnadete Komponistin – würde ich mir das anhören?! Wohl kaum. Und so geht es mir auch mit Tom Cruise. Ich reiere alles voll, das ihn abbildet. Ihn hasse ich seit seinem Auftritt bei Oprah Winfrey, als er auf dem Sessel rumhüpfte.

Sabrina, eine gute Freundin von mir, empfahl mir jüngst den Film „Barry Seal: Only in America“. Das übrigens ist der deutsche Titel, im Englischen heißt er „American Made“. Die Umbenennung englischer Titel in ebenfalls englische in Deutschland hat übrigens oftmals rechtliche Hintergründe. Vorstellbar etwa ist, dass es in Deutschland schon irgendetwas gibt, das eben „American Made“ heißt. Wie dem auch sei, ausgerechnet Tom Cruise, dieser Idiot, ist Hauptdarsteller in diesem Film, der dadurch für mich unguckbar wird. Doch dagegen stehen Sabrinas Filmempfehlungen, die bislang immer Volltreffer waren, sodass ich beschloss, mich auf das Wagnis mit dem irren Scientologen einzulassen, mir den Film mit meiner Mitbewohnerin anzusehen. Und was soll ich sagen?! Der Film ist eine Sensation und Cruise spielt so gut, dass man vergisst, dass er ein irrer Unsympath ist, der auf Sessel herumhopst, was ich auch tue, aber eben nur im privaten Raum. Gott, wenn wenigstens Drogen im Spiel gewesen wären bei der Nummer … Aber ich fürchte, er ist wirklich schlicht nur irre. Der Film spielt ein wenig in der Welt des Medellín-Kartells („Narcos“!) und erzählt darüber hinaus die Geschichte des echten Barry Seals, was naheliegt, wenn Cruise Barry Seal spielt. Ich würde ja auch keinen Film „Hitler – the early years“ drehen, der sich um die Geschichte der Botanik dreht. Name sollte schon Programm sein.

„Barry Seal“ – das klingt gut. Machte man einen entsprechenden Film über mich, sobald ich tot bin, hieße der: „Sebastian Flotho: Nur in Deutschland“. Klingt irgendwie weniger sexy als „Barry Seal: Only in America“. Die Handlung wäre auch deutlich langweiliger.

Es bräuchte einen umstrittenen Schauspieler, der mich darstellt. Keinen Scientologen vielleicht. Womöglich einen AfD-Sympathisanten. Denn wenn ich tot bin, vielleicht in zehn Jahren – man weiß ja nie -, ist die AfD vermutlich stärkste Kraft und somit in der Lage, unser Land vor die Wand zu fahren. Überhaupt säßen nur noch Parteisympathisanten im festen Sattel der Schauspielerei, sodass die Darstellung meiner Person durch einen AfDler völlig normal wäre.

Wie sähe die Handlung aus? Nun, der Seppo-Darsteller säße an einem aufgeräumten Schreibtisch, der zweimal pro Woche mit einem feuchten Tuch gereinigt wird, und würde auf den Bildschirm seines Rechners starrend Texte tippen. Das wäre so die Haupthandlung. Nebenhandlung: Flotho breitet seine Sportmatte aus und macht halt Sport. Zweiter Nebenstrang: Flotho geht aufs Klo.

Mich dünkt, das reicht nicht für einen guten Film … Ich reiche nicht für einen guten Film. Kürzlich wurde ich gefragt:

„Seid ihr auch so langweilig?“

Meine Antwort konnte nur sein: „Ich war schon immer langweilig.“

Und ich genieße es. Seitdem ich mich losgesagt habe von der Erwartungshaltung der hiesigen Gesellschaft, suhle ich mich in meinem langweiligen Leben, das mich selbst übirgens kein bisschen langweilt. Aus diesem Grunde werde ich nun das Filmprojekt „Sebastian Flotho: Nur in Münster“ selbst anstoßen und selbst finanzieren. Ich spiele mich selbst. Kein Schauspieler dieser Welt ist in der Lage, so wortkarg und doch so aussagestark durch einen Film zu gehen wie ich.

Es ist elf Uhr, ich habe allein durch das Schreiben dieser Zeilen Zeit verloren. Und schließe mit einer endlosen Unterbrechung, was physikalisch eine herausragende Leistung ist!