Großes Hallo in den Redaktionshallen des seppologs im Düsseldorfer Kreativ- und Maghrebviertel Oberbilk: Eine Studentin der Universität Göttingen, die sich mit den sozialen Medien und der dazugehörenden Blogkultur auseinandersetzt, hat ein paar Fragen an die Autoren des vermutlich erfolgreichsten Blogs aus der Sparte „Seppo“. Mehr muss ich als Chefautor an Informationen nicht bekommen, denn ich begebe mich stets gerne, aber immer seltener, auf die Metaebene. Und selbstredend unterstützt das seppolog die Forschung tatkräfig, auch wenn jene Forschungsarbeit, um die es geht, zu dem Ergebnis kommen sollte, dass Blogger arme, irre, weltfremde Idioten sind. Hauptsache, ich hab ’ne Bühne für meine Bühne. Das muss man erst einmal schaffen! Und hatte ich erwähnt, dass ganz Österreich mich inzwischen liest? Irre, oder? Da liegt es doch nahe, mich zum Studienobjekt zu machen. Nicht das erste Mal …

Apropos Forschung, was viele nicht wissen: Bevor hiesige Artikel online gehen – wir sprechen hier von „scharfschalten“ -, werden sie an Affen getestet. Geht auch nur einer bei der Lektüre eines Artikels im Beta-Stadium ein, wird der entsprechende Artikel lediglich in Osteuropa veröffentlicht – geoblocking macht es möglich.

So, genug des Ungenügens, bewegen wir uns respektvoller Ehrfurcht zur ersten Frage, während ich mir aus hungriger Verzweifelung einen „Kaminbeißer“ in den Rachen einführe. Unsere Nachwuchsforscherin interessiere besonders, was mir mein Blog bedeute.

Nun, er bedeutet mir vieles. Aber die Erscheinungsform „Blog“ steht für mich dabei gar nicht im Vordergrund. Denn was macht einen Blog eigentlich aus?! Rhetorische Frage, die Antwort interessiert mich nämlich gar nicht. Mir selbst ging es bei der Wahl von „WordPress“ vor drei Jahren als Plattform für meine Texte lediglich darum, es irgendwie hinzubekommen, eine Webseite zu „bauen“, auf der ich mich auslassen kann, ohne dass mir andere reinquatschen, die glauben, sie könnten es besser, tatsächlich aber nur Theoretiker sind. Nun ist WordPress meines Wissens nach ursprünglich tatsächlich nur eine Blogsoftware gewesen, aber inzwischen deutlich vielseitger geworden. Meine (andere) Seite www.seppo.tv beispielsweise hat so gar nichts von einem Blog, nutzt aber ebenfalls WordPress. Vermutlich gibt es bessere Lösungen, doch fehlt mir schlicht die Zeit, eine Seite zu bauen, die auch meine Testaffen hip und crazy finden. Mir geht es um meine Inhalte und meine Inhalte sind der Blog und einigermaßen inhaltsleer, was aber bislang nur den wenigsten übel aufgestoßen ist.

Wenn das seppolog ein Blog ist, dann ist es DWDL.de auch. Letztlich ist es eine Sammlung von Texten, wobei der jeweils neu erschienene an erster Stelle angezeigt wird. Die blogtypischen Kategorien beispielsweise spielen bei mir keine Rolle, auch wenn ich sie durchaus eingerichtet habe.

Niemals würde ich von mir, ohne dabei brechen zu müssen, sagen: Ich bin Blogger. Obwohl das gelogen ist, es steht ja sogar auf meiner Webseite zu geschrieben. Verdammt. Erwischt! Aber das hat seine, und zwar ganz andere Gründe. Es gibt manchmal Situationen, in denen man sich verkaufen muss.

Zum Beispiel mit einem guten Namen. Meine Wahl fiel vor drei Jahren auf „seppolog“, ein Akronym aus „Seppo“ und „Monolog“. Einige andere Vorschläge standen zur Wahl:

Und die Affen trafen die einzig korrekte Entscheidung. Finde es gerade selber humorig, dass an „Seppo“ als Bestandteil des Namens offenbar kein Weg vorbeiführte, wie obiger historischer Zettel offenbart.

Doch wenn ich mich nicht Blogger nünnte, wie dann?! Autor? Viele Blogger nennen sich Autor. Ich hätte dann aber das Gefühl, wahre Autoren, Großmeister dieser Kunst, zu beleidigen. Ich fände es peinlich, mich mit richtigen Autoren zu vergleichen. Und wir ignorieren mal, dass auf meiner Webseite ebenfalls steht, ich sei Autor. Denn wie gesagt, ich muss mich da … verkaufen halt. Autor von Fernsehbeiträgen ist da auch gemeint.

Ich überlasse die Einordnung meiner Person also dem Leser und vielleicht bedarf es auch keiner Einordnung. Für mich, für mein tiefstes Ich, ist sowieso klar, was ich bin, für was ich mich halte. Aber das erzähle ich nicht gleich jedem. Eigentlich kaum jemandem.

Aber ein Merkmal eines Blogs bediene ich zweifelsohne und angenehm konsequent: Das Erzählen durch einen Autor aus der Ich-Perspektive, wobei ich an keiner Stelle sage, dass das lyrische Ich dem Seppo’schen Ich entspricht. Denn mal ernsthaft: So toll kann doch kein Mensch im wahren Leben sein! Aber wenn man mal so bei DWDL guckt, wer das alles so schreibt: sind doch auch nur ein, zwei verschiedene Autoren … aber tolles Magazin, keine Frage. Alternativlos. Wobei ich „Horizont“ und „kress“ empfehlen kann. Oder „Übermedien“! Ganz dolle Sache!

Ich schweife ab. Worum ging es? Um Penetration bei Affen? Rrrrichtig! Nein, Blog. Was bedeutet mir also diese Plattform, die nur zufällig als Blog daherkommt?

Ich habe im Grunde schon immer geschrieben. Ich habe sogar mein eigenes Geburtsprotokoll geschrieben:

Prachtkerl! 4.000 Gramm! Sollte auf Kohlenhydrate verzichten! Nabelschnur um Hals gewickelt. Ringt nach Atem. Aber ansonsten: gelungen. Mutter wohlauf trotz leichter Enttäuschung im Gesicht. War Mädchen gewünscht?

Es hat sich also einigermaßen zeitsparend gezeigt, dass ich dem Verfassen von Texten zugeneigt bin. Der Schwerpunkt meiner Verfasstheiten lag dabei früh auf:

meiner eigenen Person.

Das ziehe ich durch, da bin ich ganz ich und mir auf immer treu. Und da ich natürlich nie davon ausgegangen war, dass das jemanden interessieren könnte, habe ich meine vollgeschriebenen Hefte natürlich niemals irgend jemandem gezeigt. Noch heute liegen sie bei mir ungelesen aufgebahrt, damals noch handschriftlich verfasst, später dann mit einer Schreibmaschine. Denn Rechner waren noch nicht verbreitet und das Internet ein irrer Traum von Jules Verne.

In den frühen 2000er-Jahren hatte ich dann meinen ersten Blog. Inhaltlich setzte er voll auf das bewährte Erfolgsrezept: mich. Und es trug den Titel „Lebensführung leichtgemacht“, der freilich ironisch gemeint war, zumal es lediglich um meine eigene Lebensführung ging. Leser hatte ich damals keine und erst vor drei Jahren gelang es mir, die letzten Spuren dessen zu verwischen und zu löschen. Es wäre zu peinlich.

Schreiben tue ich so oder so. Ich täte es auch, würde ich es nicht irgendwo veröffentlichen. Ich sage aber auch nicht, dass es mir gleichgültig wäre, läse niemand meine Texte. Klickzahlen sind mir nicht ganz unwichtig, aber ich schreibe keineswegs klickzahlenoptimiert. So ist mir vollkommen bewusst, dass es ein Fehler ist, diesen Text am späten Abend zu veröffentlichen, was ich aber wider besseres Wissen tun werde. Morgen vormittag so gegen zehn bekäme er aus dem Stand heraus wesentlich mehr Klicks. Das aber interessiert mich einen Scheiß. Ich schreibe ja jetzt und nicht morgen um zehn.

Dazu gehört, dass ich versuche, mich von der derzeit modernen politischen Korrektheit, die natürlich immer nur als Fassade daherkommt, abzukoppeln. Man muss anecken. Also: Man muss anecken! Wer nicht aneckt, ist ein weichgespülter Lappen. Doch nicht immer gelingt mir das, da ich nach drei Jahren des Schreibens an dieser Stelle auch auf drei Jahre Leserreaktionen zurückblicken kann. Das ist ja auch ein Charakteristikum eines Blogs; man kann kommentieren, es kommt zum Austausch zwischen Lesendem und Schreibendem. Und ich bin für nahezu jeden Kommentar dankbar. Nur sehr wenige muss ich blockieren. Hetze oder derbe Beschimpfungen beispielsweise sammle ich an anderer Stelle, beides hat unter dieser Hochliteratur nichts zu suchen. Übrigens, es hetzen immer die am lautesten, die sprachlich am wenigsten dazu in der Lage sind.

Viele Kommentare kann ich inzwischen erahnen, bevor sie geschrieben sind. Schreibe ich darüber, dass ich ausgesprochen gerne Fleisch esse, weiß ich, dass nach zehn Minuten der erste Veganer auf meine Barrikaden geht. Schreibe ich darüber, dass ich gerne einen Vollbart im eigenen Gesicht trage, weiß ich: Gleich kommt der obligatorische Taliban-Kommentar (weil das ja auch die ersten Barträger waren …). Ich beobachte inzwischen an mir, dass ich schon während des Schreibprozesses solchen (vorhersehbaren) Kommentaren vorzugreifen versuche. Sobald ich Behauptungen aufstelle, schreibe ich inzwischen dazu, dass ich freilich verallgemeinere. Ich schreibe das Offensichtliche, das Selbstverständliche direkt dazu. Zuletzt tat ich das sehr ausgeprägt, als ich über Weiblichkeit schrieb. Noch schwieriger ist das Schreiben über Männlichkeit. Wer als Mann Männlichkeit offen beansprucht, wird (von Frauen) sofort in die Ecke „Neandertaler“ geschoben. Mir kann doch keine Frau weismachen, sie stehe auf Weicheier! Natürlich wollt Ihr Männer! Zurecht auch!

Schreibe ich über Nazis, dann weiß ich, gleich fühlt sich der erste AfD-Anhänger angesprochen. Auch seltsam. Oder gar entlarvend? Aber es ist dieses Vorausahnen, das mich möglicherweise etwas weichgemacht hat, sodass ich mir für die nahe Zukunft wieder etwas mehr Angriffslustigkeit vorgenommen habe. Wer das zu ernstnimmt, ist selbst schuld, und sollte woanders lesen. Wer hat eigentlich oben bei den Tierversuchen gezuckt? Kommt gleich der Vorwurf, ich mache mich über Tierversuche lustig? Tue ich an keiner Stelle. Aber so genau wird mitunter nicht mehr gelesen. Hauptsache, Gutmenschentum raushängen lassen. Im Netz muss man schnell sein. Stichworte genügen. Wo ist mein nächster Aufreger? Wo kann ich mich moralisch über andere erheben, obwohl ich eigentlich eine genauso große Wurst bin wie jeder andere Mensch auch?

Aber keine Sorge, ich esse die Affen, nachdem sie an meiner Lektüre zugrundegegangen sind.

Vielleicht bedeutet der Blog mir eben auch das: das Ausnutzen der in unseren Breiten eigentlich selbstverständlichen Freiheit, alles von sich geben zu können, was mit dem tollen Grundgesetz, das wir ja haben, konformgeht. Denn wenn man mal die Vorhaben der „Partei“ AfD weiterdenkt, dann bekommt man – wenn man sich auch nur ein bisschen auskennt in der Menschheitsgeschichte – eine Ahnung davon, dass diese Freiheit viel fragiler ist, als wir so annehmen, wir, die wir damit aufgewachsen sind. Es gab sie immer, es gibt sie und es wird sie immer geben: Irre, die bereit sind, diese Freiheit zu opfern, um dann, wenn es zu spät ist, selbst Opfer dieser Einschränkung zu werden, um nachher aber zu sagen: Ich hab nichts gewusst. Es gibt zahlreiche Zeitdokumente, auch jüngst publizierte, die unmissverständlich klarmachen: Viele haben es eben doch gewusst. Doch ist ein bestimmtes Regime erst einmal installiert, gibt es cain Zurück mehr. Ich wollte es nur gesagt haben, denn ich werde zu denen gehören, die sagen können: Wir haben es kommen gesehen. Denn man kann es jetzt schon sehen.

Offenbar also gehört zur Lust des Schreibens bei mir auch der Drang, etwas mitzuteilen, das über meine Person hinausgeht. So gesehen ist das seppolog oft auch ein Ventil für mich. Leider kann ich mich hier nicht hemmungslos auslassen, da ja Betroffene mitlesen und sich nicht wehren könnten. Ich will auch niemanden bloßstellen, sodass ich auf das hervorragende Konzept der Fabel zurückgreife. Private Ver(w)irrungen finden so mitunter schwer verklausuliert ihren Widerhall und ich darf in diesem Zusammenhang – kann mich gerade schwer zusammenreißen und breche lachend im ICE, in dem ich sitze, zusammen – Melanie Chorweiler grüßen! Sie ist Teil des größten Lügenkonstruktes, das ich jemals errichtet habe und das relativ zügig in sich zusammengebrochen war; Melanie Chorweiler, ein Klassiker. Ich sollte sie wiederbeleben.

Kommen wir nach dem langen Abschwiff zur zweiten von insgesamt 67 Fragen:

„Welche Rolle spielt das Bloggen für dich – besonders im Alltag?“

Im Grunde habe ich die Frage ja direkt mitabgewaschen, wobei ich „Bloggen“ durch „Schreiben“ ersetzen würde. Ich täte es wie oben angedeutet auch ohne Publikum, kann das aber nicht genau begründen. Andere zeichnen oder malen, manch einer töpfert und wieder andere sammeln Töpfe, wodurch sich Töpfer und Topfsammler natürlich hervorragend ergänzen. Und ich schreibe eben. So sehr ich auch nachdenke, ich kann es nicht begründen. Oder doch, wartet! Während ich so schreibe, denke ich. Merkt man nicht jedem Text an, mag sein, aber auch in diesem Moment nehme ich die anderen Fahrgäste nicht wahr, bekomme die Durchsagen im Zug nicht mit und weiß nicht einmal, in welchen Bahnhof ich gerade einfahre. Ich bin im Tunnel. Und da bin ich ganz allein mit mir. Volle Konzentration, ohne dass diese anstrengend wäre. Meditation? Die Gedanken fliegen nur so durch den Kopf. Blitzartig sortiere ich diese, teilweise aus, teilweise um. Je mehr Gedanken da kommen, desto mehr Geistesblitze sind dabei. Mir gelingen plötzlich gedankliche Verknüpfungen, die sonst niemals zustandegekommen wären. Ja, das fasziniert mich, dass das möglich ist. Ich hoffe, jene Forscherin hat durchgehalten und bis hier gelesen, denn das scheint mir wesentlich zu sein. Und das zeigt auch etwas anderes: die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Man nimmt sich die Muße, über die Dinge nachzudenken. Und während man denkt, schnellen die Finger über die Tastatur und bilden die Gedanken ab, während von denen immer neue entstehen, ein Ende nicht in Sicht. Vielleicht meint Kreativität genau das. Und wenn dieser Prozess für mich selbst so befriedigend ist: Spielt es dann noch eine Rolle, was dabei hinten rauskommt? Irgendwie nicht. Man muss unbedingt im Leben in der Lage sein, auf Dinge auch einmal scheißen zu können. Vielleicht nicht unbedingt auf die wichtigen.

Das Schreiben gehört zu meinem Alltag absolut dazu. Heute Morgen stand ich um vier Uhr auf. Ich hätte Bäcker werden können … Ich hatte Lust auf Schreiben. Oder jetzt im Zug sitzend: Wie könnte ich Zeit produktiver totschlagen?! Dass ich bereits seit 60 Minuten schreibe, empfinde ich gar nicht so. Dass Zeit beim Schreiben vergeht, nehme ich nicht wahr. Man steht ein bisschen auch still beim Schreiben. Und die Welt, die einen umgibt.

Und dann ist der Alltag wiederum wichtig für das Schreiben. Denn ihn verarbeite ich nahezu vollumfänglich. Ob ich meine Ideen immer aus meinem Alltag beziehe, werde ich gefragt. Ja, im Wesentlichen schon. Hier im Blog spiegelt sich alles wider, was mir Nahestehende nicht kompromittieren würde. Hier stecken wesentliche Teile meiner Persönlichkeit drin. Daraus folgt allerdings nicht, dass man mich nach dem Lesen der bislang mehr als 700 Artikel kennen würde. Da ist gottseidank noch mehr in mir als das, was ich hier raushängen lasse, was freilich auch verzerrt sein dürfte – und zwar in alle Richtungen. Bin ich wirklich der Volltrottel, als den ich mich hier oft beschreibe? Ja. Oder ist es Taktik, weil es so lustiger für den Leser ist? Nun, das eine schließt das andere ja nicht aus …

Wo schreibe ich? Überall. Im Bett in der Nacht oder am Morgen. Am Schreibtisch am Vormittag. Am Tisch meiner Küche. Im Flugzeug am Handy. Im Arztwartezimmer. Es überkommt mich oftmals. Ich habe schon häufig mein heiliges Sportprogramm unterbrechen müssen, weil ich einen Geistesblitz hatte. Sitze dann da halbnackt und nassgeschwitzt und schreibe, um danach den Sport fortzusetzen. Ideen dulden keinen Aufschub. Eine Idee, eben noch als Sensation geboren, kann eine halbe Stunde später schon wieder langweilig und belanglos sein. Ich muss die Idee im Moment ihres Entstehens zu Papier bringen; es ist ihr Moment.

Ich bin durch und hoffe, alle Fragen beantwortet zu haben. Nun würde mich natürlich interessieren, ob die Möglichcait besteht, mir die Forschungsarbeit, so sie vollendet ist, zukommen zu lassen. Ich würde sie freilich nicht veröffentlichen. Mich würden ihre Ergebnisse interessieren. Und wenn eine Veröffentlichung gewünscht: Zögere nicht, mich zu fragen. Umgekehrt gilt übrigens (da Du fragtest): Mich musst Du nicht anonymisieren, was niemanden überraschen dürfte. Vielmehr wünsche ich, dass mein Name stets fettgedruckt erscheint. Und unterstrichen. Vielleicht noch umrahmt. Und in doppelter Schriftgröße.

Viel Erfolg, Tori!