Für die kommenden Wochen will ich mich temporär vom klassischen Krafttraining wegbewegen hin zu dem, was man momentan unter dem seltsamen Begriff „Cathlenetics“, nein, „Calethethenics“, nein, auch nicht, es muss „Calisthenics“ heißen, nein, nein, auch falsch, „Calisthenetics“, sooooo, Ihr Dödel, muss es heißen, vermarketet wird, also was ich sagen wollte, ich spezialisiere mich künftig ein wenig auf Calisthenetics. Das klingt kompliziert und mega-trendig, meint aber letztlich nur Training mit dem Körpereigengewicht. Grob gesagt. Denn wer das Ziel des Muskelaufbaus hat, der kommt an Gewichten und anderen Geräten nicht vorbei. Doch Hanteltraining fördert nicht primär die Mobilität und ist im Kern das Gegenteil funktionalen Trainings, da es die Muskelgruppen isoliert trainiert, anders als eben das funktionale.

Cathle-, nein, Casilethenics oder so, setzt aber den Schwerpunkt auf einige ganz bestimmte Übungen, die sehr, sehr viel mit Körperbeherrschung zu tun haben. Calisthenics! So ist es richtig! Was für ein Wort. Ich übe allein an der Aussprache bereits seit zwei Wochen. Sie ist zum Dauerbrenner-Gag zwischen meiner Mitbewohnerin und mir geworden.

Eine ganz klassische Übung der Kalisthenie ist beispielsweise der Handstand, den dann gerne auf einem Barren – oder eben auf einem Minibarren!

Weitere Übungen wie der „Lever“ oder der „Planche“ fordern massiv den core des Körpers, also die Körperstabilität, sowie das Gleichgewicht. Es ist ein bisschen das Gegenteil vom klassischen bodybuilding. Denn anders als man annehmen möchte, hat Bodybuilding nichts mit Kraftvermögen zu tun. Aufgepumpte Muskeln sind nicht zwangsläufig „stark“ und schon gar nicht ausdauernd. Bodybuilder haben auch nicht Muskelausdauer als primäres Ziel vor Augen. Calisthenics ist für mich also nach zwei Jahren ein relativ neues Gebiet. Und wer sich beispielsweise bei Youtube Meister dieses Sports ansieht, der wird kaum Muskelprotze sich darin ergehen sehen. Es geht eher um die Mobilisation des Körpers und meine Lektorin mutmaßte bereits, dass mobility nichts anderes meint als Yoga für Männer. Und sie könnte Recht haben, würde ich doch niemals Yoga machen! Wenn es aber als mobility daherkommt, klingt es doch gleich viel männlicher! Und siehe da, auch ich fand mich heute bereits im aus dem Yoga bekannten Krabbengang wieder, der in der Kalisthenie „Froschstand“ heißt: Man steht auf den Händen, die zwischen den in der Luft hängenden Beinen aufgestellt werden.

Die nächste Stufe ist der half lever, der auf eben so einem Minibarren ausgeführt werden kann. Den kann ich bereits, weil ich ihn vor einigen Wochen mittels Kugelhanteln erlernte. So schwer ist er auch nicht.

Und genau jenen Minibarren habe ich mir gestern Morgen spontan bestellt und am Abend wurde er bereits geliefert. Er besteht aus zwei Stangen mit jeweils zwei Füßen. Und das Tolle: Der Minibarren ist „to go“! Man kann ihn mitnehmen! Weil man ihn auseinanderbauen kann! Ganz simpel: Füße dranschrauben und loslegen! Die „Amazon“-Käufer-Rezensionen überschlugen sich im Loben des Produktes, das übrigens ziemlich teuer ist, dafür aber aus stabilem und massivem Holz gefertigt.

Freudig unboxte ich, wie man heute sagt, den kleinen Bausatz und der Geruch des Holzes erinnerte mich an die Bauklötze meiner Kindheit! Sogar eine Bauanleitung lag bei! Wie albern!, dachte ich! Kann doch so schwer nicht sein – Füße dran und los geht’s!

Man muss sich die Teile so vorstellen: An den zwei Enden der beiden Stangen ist eine Schraube. Diese schraubt man in die jeweiligen Gewinde der Füße. Ganz simpel. Doch schon nach dem ersten Versuch stellte ich mir die Frage, wie ich die sich jeweils gegenüberliegenden Füße ansetzen muss, damit sie am Ende genau dann fest im Gewinde verschraubt sind, sodass sie beide in der gleichen, parallelen Position stehen?! Denn meine ersten Versuche sahen so aus:

Ich kenne mich. Und weil ich mich kenne, suchte ich die Schuld für diesen wortwörtlichen Missstand sofort bei mir. Irgendetwas muss ich übersehen haben. Schließlich schreiben die Amazon-Käufer, dass der Zusammenbau nur wenige Sekunden dauere.

Um es vorwegzunehmen: Bei mir hat der Zusammenbau drei Stunden beansprucht.

Aus Verzweifelung wechselte ich nun sämtliche mathematisch möglichen Fuß-Stangen-Kombinationen durch. Vielleicht gehören zwei bestimmte Füße zu einer Stange, während sie aber nicht zu der anderen Stange passen. Oder aber der eine Fuß korrespondiert nicht mit jedem der anderen drei. Auf wie viele Kombinationsmöglichkeiten also käme man? Sechs hoch vier?! Sechs hoch sechs?! Sechs hoch zwei?! Also mehr als 46.000 Variationsmöglichkeiten! Wie viele Stunden oder gar Tage würde ich brauchen, um die richtige zu finden?! Ich suchte nach Markierungen, nach Nummerierungen, fand aber nichts dergleichen. An der Qualität des Produktes zweifelte ich ebenfalls nicht, da es extrem hochwertig erscheint und wirklich sehr, sehr teuer war. Immerhin muss es einiges an Gewicht aushalten und darf keinesfalls brechen!

Ich probierte alle Kombinationen durch. Als meine Mitbewohnerin nach Hause kam, setzte ich auch sie auf diese Aufgabe an und fürchtete schon, dass sie nach nur einem Versuch Erfolg haben würde, was meinem Selbstvertrauen massiven Schaden zugefügt hätte. Doch auch sie scheiterte und schlug vor, das Gerät zurückzuschicken. Aber ich schicke keine Dinge zurück. Nur deshalb steht bei uns im Keller noch jenes Backblech, das ich vor Jahren bestellte, das aber um einen Millimeter zu breit für unseren Ofen ist. Dieses Backblech im Keller ist inzwischen Legion. Ich warte einfach, bis wir uns einen Ofen kaufen, in den es passt. Dann werde ich zu meiner Mitbewohnerin sagen können:

„Siehst du? Gut, dass wir es nicht zurückgeschickt haben!“

Zwischenzeitlich überlegte ich, ob wir den Minibarren als Katzenbaum benutzen könnten. Ich suchte bei Amazon bereits nach Katzen, denn was nützte uns ein Katzenbaum ohne entsprechendes Tier?!

Ich versuchte es dann aber doch mit einer direkten Ansprache des Herstellers auf dessen Facebook-Seite. Relativ zügig bekam ich eine Antwort.

Also nochmal schrauben, dieses Mal eben mit Gewalt. Vor der schreckte ich eigentlich zurück, da ich ungern das Gewinde im Holz brechen wollte. Und irgendwann hat es dann endlich funktioniert, meine Minibarren zum Mitnehmen sahen so aus, wie das obige Beitragsbild sie zeigt.

„Wir schrauben die nie wieder auseinander!“, erklärte ich meiner Mitbewohnerin. Denn dass nun alles passte, das war sicher nur Zufall. Vermutlich habe ich die richtige Kombination erwischt. Ich gehe kein Risiko ein, noch einmal stundenlang mit dem sekundenlangen Aufbau ins Training zu starten. Denn das muss ich zugeben: Dieses ewige Rumschrauben ist ein ideales Unterarmtraining; beide Unterarme melden sich inzwischen mit einem enormen Muskelkater zurück.

Mit diesem Muskelkater habe ich mich heute in das Erlernen des planches gestürzt.

So also muss es bald bei mir aussehen, sodass ich dann die entsprechenden Abbildungen zieren und veredeln werde. Denn noch gelingt mir das gerade Zurückstrecken der Beine nicht zu hundert Prozent, eher zu 40. Ich bewundere die Menschen, die das beherrschen, weiß aber auch, dass man das nicht innerhalb weniger Tage erlernen kann. Zumal die Verletzungsgefahr nicht ohne ist, hatte ich am Mittag doch bereits beim Froschstand das Gleichgewicht verloren, um dann auf meiner Nase zu landen. Für mich eine Eilmeldung wert, aber die Nachrichten aus der Türkei drängten sich in den Vordergrund.


Die Ablichtungen sind dem Buch „Calisthenics“ von Ashley Kalym aus dem Verlag „Riva“ entnommen. Eine klare Buchempfehlung. Und ich empfehle ausdrücklich auch die Minibarren der Firma „Edelkraft“, die sehr zügig und hilfsbereit auf meine Anfrage geantwortet hat. Die Barren sind hochwertig und ausgesprochen standfest. Ich bekomme keine Gegenleistung von dem Unternehmen, habe das Produkt selbst bezahlt.