Versuchen wir es jetzt. Es war am Morgen zeitlich etwas knapp, ich hatte zu tun. Ich darf dem Leser also meinen Dank für seine Geduld übermitteln.

Sorry, jetzt passt es uns aber nicht.

Wos? Das ist ’ne Kracher-Geschichte; die vom Mann auf dem Stuhl!

Erstens, Herr Flotho, saß der Mann heute Morgen noch auf einer Bank. Zweitens, Herr Flotho, brauchen Sie sich nicht einzubilden, dass wir Leser nach Ihrer Pfeife tanzen! Sie hatten Ihre Chance!

Erstens, liebe Leser, kann ich den Titel kein zweites Mal verwenden, da sonst WordPress explodiert. Zweitens, liebe Leser, verbitte ich mir jede Einmischung in meine Texte.

Dann schalten Sie die Kommentarfunktion doch ab, Sie Vogel.

Da wiederum freue ich mich über jeden Kommentar. Aber wenn jetzt schon mitten in den Text reinkommentiert wird, kann ich ja gar nicht zum Punkt kommen!

Als wären Sie jemals zu irgendeinem Punkt gekommen!

Jetzt gerade liegt es aber mal nicht an mir, sondern an Ihren Einmischungen in den Schreibprozess. Einigen wir uns doch darauf, dass ich nun mit der eigentlichen Geschichte beginne, während Sie zunächst einfach nur lesen. Denn schließlich sind Sie ja auch die Leser!

Oh, der große Meister bittet um Ruhe, er möchte schaffen! Offenbar interessiert ihn die Meinung seiner Leser einen feuchten Kehricht!

„Kehricht“! Was ist das überhaupt für ein Wort?!

Fragt der, der die Cait dazu hat.

Ich kann auch gehen.

Nur zu, dann schreiben wir eben weiter. Also, der Mann auf der Bank.

Auf dem Stuhl.

Es war an einem sonnigen Samstagmorgen, als ein Mann auf einer Bank bei meiner Mitbewohnerin und mir klingelte.

Das würde ich niemals so schreiben!

Sondern?

„Am vergangenen Samstag ist es passiert.“ So würde ich den Text anfangen. Der Leser, also Sie!, würde sich sofort fragen, was denn passiert ist. Da ist direkt Spannung drin!

Der Leser hatte schon nach wenigen Wochen verstanden, dass das seppolog Erwartungen zwar weckt, aber stets enttäuscht. Etwas Spannendes erwarten wir bei Ihnen nicht mehr, Herr Flotho.

Ach? So durchschaubar?!

So durchschaubar. Aber versuchen Sie es weiter.

Gerne. Also: „Am vergangenen Samstag ist es passiert. Es muss so zehn Uhr gewesen sein, als es an unserer Wohnungstür klingelte.“

Es ist immer zehn Uhr, wenn es bei Ihnen klingelt.

Richtig. Und immer Samstag. Das ist ein Muster, gut erkannt. Also weiter. „Meine Mitbewohnerin bekam es nicht mit, da sie Ohrstöpsel im Ohr hatte. Sie macht gerade mit einer App einen Polnischkurs. Und einen Niederländischkurs. Ich weiß gar nicht, warum. Gut, niederländisch kann sie im Grunde eh schon. Kindheitsbedingt. Aber Polnisch halt nicht. Manchmal sagt sie was auf Polnisch und ich nicke dann einfach treudoof. Meistens allerdings antworte ich mit

‚Gro-kon-kong‘,

wobei die O.s sehr weit gesprochen werden, während sich der Gaumen zusammenziehen muss. Grokonkong ist inzwischen unser Wort für alles geworden.“

Verzeihung, wenn wir da noch einmal kurz einhaken dürften …

Schlecht. Also das ist jetzt wirklich schlecht. Ich war gerade drin im Schreibfluss. Was gibt es denn?!

Sie weichen ab. Es hat geklingelt. Statt zu beschreiben, wie Sie die Türe öffnen, kommen sie mit Esperanto um die Ecke. Sie weichen vom Thema ab. Das tun Sie immer!

Es sind ja auch meine Geschichten! Da kann ich abweichen, so viel ich will! Und es ist ja auch kein Abweichen. Wer will mir denn sagen, dass ich von etwas abweiche?! Sie als Leser können doch gar nicht wissen, dass es da einen Gegenstand gibt, von dem ich abweiche, wenn Sie den Gegenstand doch noch gar nicht kennen, weil ich ja von ihm abgewichen bin!

Haben Sie sich jetzt nicht gerade selbst widerlegt?!

Was? Moment …

Wir haben Zeit.

Herr Flotho?

Nun, ich gebe zu, dass ich in meiner Argumentation … also, dass ich … Wussten Sie eigentlich, wie die Herren Schulze und Schultze im belgischen Original heißen?

Reden Sie jetzt plötzlich von „Tim und Struppi“?!

Ja. Denn das ist ja das Interessante, die phonetisch gleichen Nachnamen, die sich unterschiedlich schreiben. Das muss ja im Original auch so gewesen sein. Im französischsprachigen.

Dupont et Dupond.

Oh … oha. Richtig. Stimmt.

Das überrascht Sie jetzt, Herr Flotho, dass Ihre Leser etwas wissen, das Sie auch wissen!

Nun, also, ich meine … das ist ja jetzt schon recht spezielles Wissen.

Ihre Leser sind also zu blöd für spezielles Wissen?!

Ja, wenn Sie das sooo fragen, wirkt das natürlich etwas abgehoben. Aber eines müssen Sie zugeben.

Ja? Was?

Dass ich sehr gut abgelenkt habe.

Haben Sie? Wovon?

Sie warfen mir Abweichen vor.

Achja, blöd nur, dass Sie uns nun wieder daran erinnert haben. Vermutlich, weil Sie unbedingt wollten, dass wir wissen, wie genial Sie sind?

Ja. Blöd eigentlich, oder?

Ziemlich. Aber erzählen Sie doch Ihre Geschichte vom Mann auf der Bank weiter. Überspringen Sie alles, was Sie schreiben wollten, bevor Sie die Wohnungstür öffnen.

Gut, alles klar. Okay. Ich streiche also das … das … dieses kann auch weg … das noch … und ja, das auch … diese Anekdote, schade, kann auch weg … der Raddampfer auch weg … die AfD-Schelte ebenfalls weg, ein Jammer, Nazis am Arsch und so weiter … also … Gut, wenn ich das so sehe, bleibt da aber nicht vieles.

Merken Sie was, Herr Flotho? Genau das ist doch das Problem! Sie versprechen dem Leser in der Überschrift einen Mann auf einer Bank. Und letztlich bekommt der Leser zunächst eine fadenscheinige Ausrede in einem leeren Blogbeitrag, dann einen Stuhl statt einer Bank und dann ein Grokokong!

Nein, nein, Gro-koh-kooohng! Sie müssen die O.s viel offener sprechen. Wie in „open“. Versuchen wir es mal zusammen. Silbe für Silbe: Groooo …

Groooo …

Offener!

Grooooooo …

Ja! Grooooo-kohhhhh …

Grooooo-kohhhh …

Kong!

Kong!

Und jetzt in einem Wort!

Grooookohhhhhhhkong!

Jawollja! Es geht doch!

Was zur Hölle soll das bedeuten?!

Alles und aber nichts. Sie würden staunen, was man alles mit so einem leeren Wort ausdrücken kann! Ich kann damit ganze Unterhaltungen bestreiten!

Sie haben ja schon diverse Male von Ihren Selbstgesprächen berichtet.

Stimmt. Hab ich. Ich habe sogar schon einmal die Selbstgespräche mit mir selbst thematisiert. Bin daraufhin ins Koma gefallen.

Wo Sie hätten verweilen sollen. Denn ob komatös oder nicht: Wir werden nie vom Mann auf der Bank erfahren. Sie wollen gar nicht von ihm erzählen!

Doch, doch. Es kommt nur immer was dazwischen. Ich würde es morgen noch einmal versuchen. Wenn wir uns auf Nichteinmischung Ihrerseits einigen könnten.

So wichtig sind Sie uns auch wieder nicht. Es passte uns gerade nur ganz gut.

Gut, dann verbleiben wir so. War an sich doch ganz nett unser Gespräch. Kommunikation mit dem Leser kann viel bringen.

Ist gut jetzt.

Ich meine, ich kann ja nur erahnen, wie Sie mich lesen. Jeder hört ja beim Lesen immer die ganz individuelle Vorlesestimme.

Danke, wir sind schon weg.

Die ja ihren ganz eigenen, individuellen Duktus pflegt.

Es hört niemand mehr zu.

Womöglich klingen meine Texte in Ihrem Kopf ganz anders, als ich Sie sprechen würde. Da geht ja vieles verloren … Hallo? Sind Sie weg? Hallo? Wurd doch gerade interessant! … Hallo? … Unverschämt. „Also ging ich zur Wohnungstür, obwohl es mir widerstrebte, an einem Samstagmorgen die Tür zu öffnen. Doch dieses Mal sollte es sich gelohnt haben! Als ich die Tür öffnete …“ Ach, jetzt ist auch egal. Ist schon spät.