Dienstagabend, Düsseldorf. Für diese Geschichte müssen wir ein wenig an den Realitäten herumbiegen, da ich mich gestern Abend in Berlin aufhielt. Doch verweise ich auf das Paralleluniversum ganz hinten rechts im Weltall, gleich hinter dem seltsamen Baum. Wer mit der Multiversen-Theorie, die ich im Übrigen hiermit verifiziere, vertraut ist, der weiß, dass es uns samt Erde unendlich oft gibt – in allen denkbaren Variationen, die sich durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Moleküle ergeben. Und in jenem Paralleluniversum hinter dem Baum, kurz vor der stillgelegten Bahnschranke, befindet sich jene Erdenversion, auf der sich alles exakt so abspielt wie hierzuerden – mit dem einen Unterschied, dass ich gestern Abend in Düsseldorf war, und nicht in Berlin.

Genauer: in der Wohnung meiner Mitbewohnerin und mir, als es um halb zehn des Abends an der am Eingang befindlichen Eingangstür, die wir teilweise als Ausgangstür benutzen, klingelt.

„Seltsame Uhrzeit für ein Klingeln“, stellt meine Mitbewohnerin fest.

„Ja, wir haben gar nicht Samstagmorgen“, pflichte ich ihr bei.

Wer kann es also sein? Denn mein Kumpel Merugin wie auch mein Mitmensch Rudine kommen stets zu anderen Unzeiten vorbei.

„Hermes! Es ist der Hermes-Paketbote!“, spekuliert meine Mitbewohnerin.

„Unwahrscheinlich, die klingeln immer sturm.“

In meinem Kopf entsteht langsam, aber sicher ein Gedanke.

„Vielleicht öffnen wir einfach, dann wird diese Frage auf ihre Antwort stoßen!“, schlage ich vor.

„Guter Gedanke!“

„Getränk gefällig?“

„Glas Grog?“

„Ob es Heinz Erhardt ist?“

„Nein, der ist leider nicht mehr unter uns.“

„Auch in diesem Universum nicht?“, frage ich.

„Achso, ich weiß nicht … Lass uns öffnen.“

Beide legen wir unsere Hände auf den Türöffner und üben Druck aus. Denn wir sind so ein Pärchen, das alles zusammen macht.

Wir öffnen hernach den Wohnungsverschluss und es kommt:

„Herr Schontermann! Wie … äh … schön!“

Herr Schontermann belästigt mich schon seit geraumer Weile. Allerdings weiß ich nach wie vor nicht, was er eigentlich von mir will. Ja, im Grunde weiß ich nicht mal, wer er überhaupt ist – was er ist!

„Herr … äh … Flotho. Guten Abend! Ich hoffe, Sie stehen nicht gerade erst auf. Ich komme ja sonst eher immer zu unüblichen Zeiten.“

„Äh, es ist halb zehn am Abend.“

„Guten Morgen! Und Sie, Sie müssen Frau … äh … Dings … sein?!“, sagt er und richtet sein Blickfeld auf meine Mitbewohnerin.

„Richtig. Guten Abend“, sagt diese.

„Nun, es ist ja schön, dass wir uns heute ein zweites Mal treffen können. Wir sind ja zuletzt nicht zu allem gekommen und es liegt ja einiges an. Sehen Sie meinen Koffer, Herr Flotho?“

„Äh, ja.“

„Ein feiner Koffer. Sind Sie fein mit meinem Koffer?“

„Ob ich was bin?!“

„Fein, fein. Also, wo kann ich mich niederlassen? Haben Sie einen Tisch oder so etwas? Stuhl habe ich dabei.“

„Ähhh.“

„Also in der Küche?“

„Ja, Küche.“

„Gut, Herr Flotho, geraucht wird aber nur in den dafür gekennzeichneten Flächen, nehme ich an?“

„Also an sich wird hier gar nicht geraucht“, erkläre ich.

„Das ist schlecht. Denn ich muss rauchen. Ich biete Ihnen an, mit meinem Pinsel ein Areal in Ihrer Küche als Raucherareal auszuweisen. Wenn Sie dann einfach nur den Tisch, wenn vorhanden, in dieses schieben würden, während Sie dann außerhalb des Areals meinem Anliegen lauschen?“

„Äh.“

„Gut. Ich will gerne Umstände bereiten, dafür bin ja ich da. Und auch für Sie, Herr Flotho, denn in wenigen Minuten wird sich Ihr Leben schlagartig ändern!“

„Nicht schon wieder!“, stöhnt meine Mitbewohnerin auf.

„Ah, Frau … äh … Dings, sind Sie mit Herrn Flotho verheiratet?“

„Nein.“

„Auch nicht in diesem Universum?“

„Auch hier nicht.“

„Gutschade, dann müssen Sie mich mit Ihrem Gemahl kurz alleine lasse, denn nun geht es ums Eingemachte und im schlechtesten Falle haben Sie nichts davon!“

Ich bitte Herrn Schontermann in die Küche, während meine Mitbewohnerin nicht ungern vorher ins Wohnzimmer abbiegt, wo wir gerade eigentlich die zweite Staffel von „Jessica Jones“ nicht so gelungen fanden.

Herr Schontermann versenkt seinen Pinsel in den Farbtopf, den er offenbar mitgebracht hat, und zeichnet sich sein Raucherareal, wo er sich anschließend niederlässt.

„Herr Flotho, haben Sie eine Kippe?“

„Nein.“

„Gut, dann hätte ich mir das auch sparen können mit der Malerei. Aber keine Angst, ist wasserfest. Nun, ich will zur Sache kommen!“

„Ach?“

„Beobachten Sie bitte, wie ich meinen Koffer auf Ihren Tisch lege und öffne. Sehen Sie die vielen Formulare?“

„Äh.“

„Korrekt. Werden Sie gleich alle unterschreiben, sofern Sie nicht nach meiner Nachricht kollabieren. Und wie ich gelesen habe, kollabieren Sie ja ganz gerne mal“, spricht’s und lacht.

„Äh.“

„Also, mein Name ist Schontermann, ich bin Notar. Ich komme im Auftrag Ihres Onkels Loptimul, der den Auftrag nicht mehr stornieren kann, da er verstorben ist.“

„Moooment, ich habe keinen Onkel mit einem solch seltsamen Namen!“

„Richtig. Aber Sie hatten! Er lebte in Rutztekostan …“

„Mooooment, in Rutztekostan?! Wirklich?“

„Ja, sicher. Er arbeitete dort im Auftrag der autokratischen Regierung an einem geheimen Raketenprogramm. Aber das habe ich jetzt nicht gesagt. Nun, wie dem auch sei, er ist verstorben …“

„Woran?“

„Bin ich Arzt?!“

„Äh, nein.“

„Doch, tatsächlich bin ich auch Arzt. Loptimul, um dessen Belange ich mich sein und mein Leben lang gekümmert habe, ist an Mord verstorben. Rutztekostanischer Geheimdienst, aber das dürfen Sie nicht wissen, weil Sie sonst der nächste sind“, erklärt Herr Schontermann mir geduldig und schelmisch grinsend.

„Gut. Also Moment, er war der Bruder meines Va-“

„Korrekt, der Bruder Ihrer Mutter. Ich will Ihnen die kuriose Lebensgeschichte ersparen. Geschwister getrennt, eines kam zum anderen, Sie wissen ja, wovon ich rede, denn Sie haben ja auch Ihren seltsamen Bruder Zacharias.“

„Stimmt, hab ich selbst völlig vergessen! Könnte ich doch mal wieder was zu schreiben!“

„Sie schreiben?“

„Ach, Gott, ja. Bisschen aus Spaß.“

„Nun gut, Geld werden Sie damit ohnehin nicht verdienen. Brauchen Sie auch gar nicht mehr, denn – Tusch – tadaaaaa – tadääää – Sie sind alleiniger Zuzweiterbe!“

„Ich bin was?!“

„War Spaß. Sie sind Alleinerbe.“

„Oha, erbe ich eine Rakete?!“, scherze ich.

„Nein, Sie erben 250 Millionen Rutztekos!“

„Oh. Äh, ist das viel?“

„Nein. Das sind umgerechnet 250 Millionen Euro!“

„Das ist aber schon viel!“

„Finden Sie?! Na gut, wenn man wie Sie von weit unten kommt, ja, okay, kann man sich schon was von leisten. Übrigens bin ich auch Anlageberater und habe Ihnen einige Formulare mitgebracht. Mögen Sie die Blockchain-Technologie? Also ich mag Sie sehr.“

„Äh, Moment. Ich besitze nun 250 Millionen Euro?!“

„Ja, sofern Sie das Erbe antreten.“

„Lassen Sie mich kurz kollabieren. Wobei, besser ich unterschreibe vorher.“

Herr Schontermann reicht mir gönnerhaft die entsprechenden Formulare, die ich mir – ganz Beamtensohn – komplett reinziehe. Nach vier Stunden setze ich meinen Sebastianflotho an die richtigen Stellen und bin ein gemachter Mann.

Kaum reich, nehme ich eine andere Körperhaltung an, nachdem ich wie versprochen kollabiert war, und dränge Herrn Schontermann zum Gehen.

„Aber das Geld will doch in Bitcoins investiert werden!“, wehrt sich dieser.

„Nix Bitcoins, das kommt schön zur Sparkasse Münsterland Ost auf mein Sparbuch.“

„Aber die mickrigen Zinsen, Herr Flotho!“

„Ach, mir egal, ich meine: 250 Millionen! Herr Schontermann, wir verbleiben im Gehen und bei Fragen komme ich auf Sie zurück.“

Ich drücke kraftmeierisch die Wohnungstüre zu und eile zu meiner Mitbewohnerin:

„SCHLAF MIT MIR! ICH BIN NUN SEXY!“


Das ist ja allerhand! Wie werde ich meinen Reichtum über mich verteilen? Werde ich abheben? Bin ich es bereits? Erfahren Sie es schon bald – hier im seppolog!