Ist das ein Sonntag?! Das ist ein Sonntag! Dieser Sonnenschein! Und der bei 15 Grad! Ich würde ja den Frühling exklamieren, aber das habe ich bereits zweimal in diesem Jahr getan und beide Male fand ich mich tagsdarauf im Schnee wieder …

Eine Stunde kürzer wird er wohl sein, dieser Sonntag, aber das merkten wir nicht, als meine Mitbewohnerin und ich heute um neun Uhr wach wurden. Wie zweimal im Jahr beeilte ich mich das zu sagen, womit man mich zweimal im Jahr auf die Palme bringen kann:

„Eigentlich ist es ja erst acht Uhr!“

„Ach, scheiße!“, sagte meine Mitbewohnerin. Denn dieses Mal habe ich gewonnen, habe ich das erste Mal diesen Klugscheißersatz von mir gegeben. Wer ihn mir heute oder morgen entgegenschmettert, spielt empfindlich mit seiner Unversehrtheit. Denn der Wahrheitsgehalt dieses unseligen Satzes ist: falsch. Es ist nicht eigentlich acht Uhr. Es ist einzig und allein neun Uhr. Diesen Text schreibe ich auch nicht um eigentlich halb zwei, sondern um halb drei.

„Bloggst du eigentlich mal über die Zeitumstellung?“, fragte mich meine Mitbewohnerin.

„Nein, sie langweilt mich. Mich langweilt das Uhren-Bild aus dem Düsseldorfer Volksgarten, mit dem jedes Medium die immer selben Artikel bebildert. Das ist genau die Einfallslosigkeit, aber Einfaltsfülle, von der ‚Journalisten‘ oder Redakteure Abstand nehmen sollten. Aber sie nehmen dieses Bild Jahr für Jahr aufs Neue.“

Jenes Bild (siehe ganz oben) zeigt eben diese Installation „Zeitfeld“ von Klaus Rinke. Gelegentlich laufe ich joggend daran vorbei und stelle jedes Mal fest, dass mindestens eine der Uhren immer falsch geht. Man möchte meinen, es könne nicht so schwer sein, sie korrekt zu justieren. Ist es aber! Denn: Es handelt sich um ein Kunstwerk. Da darf man eben nicht einfach so eingreifen, die Uhren neu stellen, auch wenn es technisch kein Problem wäre. Inzwischen ist daraus ein Politikum geworden, dessen Ausgang ich ohne Spannung erwarte, da es mir eigentlich egal ist.

Vielmehr ärgert es mich, dass ich heute 13 Uhren werde stellen müssen. Die größte Herausforderung ist dabei meine Armbanduhrensammlung, da ich stets anstrebe, dass alle auf die Sekunde genau synchron laufen. Und immer wieder stehe ich vor der Frage, welche Quelle ich eigentlich als Referenzuhrzeit nutze. Gerne ja eine Atomuhr, jedoch habe ich keine hier, da ich sie leichtsinnig an Nachbarin Rudine ausgeliehen habe, sodass ich eigentlich nicht damit rechnen kann, sie jemals wiederzusehen. Aber nun wird natürlich die Zeit irgendeiner anderen Atomuhr ins Netz übertragen, also ins Internet. Doch kann ich sicher sein, dass auf dem Wege der Datenübertragung es nicht zu einem Zeitverlust kommt? Kann ich eben nicht. Ähnlich wie beim Betrachten des nächtlichen Sternenhimmels erreicht mich ja auch das Bild längst vergangener Zeiten, was mit dem langen Übertragungswege zusammenhängt. Wir sehen Sterne, die es gar nicht mehr gibt. Also Funkuhr? In unserer Wohnung hängen und stehen fünf Funkuhren. Doch wider Erwarten ticken sie nicht synchron, was für mich dieses Funkuhrenkonzept völlig ab adsurdum führt.

Ad absurdum muss es heißen!“, interveniert meine Mitbewohnerin.

„Ja, weiß ich. Warum?“

„Weil du ab adsurdum geschrieben hast.“

„Hab ich nicht.“

„Hast du doch.“

„Wusstest du, dass ich für die Englisch sprechenden Menschen ein neues Wort erfunden habe, das ihnen bislang gefehlt hat?“, lenke ich ab.

„Nein, welches?!“

„Thoch.“

Thoch, mit dem englischen th gesprochen. Aber auch dem typisch deutschen, harten chßoch.

„Und das soll was bedeuten?“, fragt sie.

„Es heißt ‚doch‘. Denn es gibt im Englischen kein ‚Doch‘. Und von Sabrina hörte ich, dass ihr dieses Wort sehr fehle.“

Sabrina ist eine Freundin, die in den USA lebt und deren Hund sich weigert, mit ihr zum Hunde-Frisör zu gehen. Und wenn ihr Hund nun mit seinen Augen sagt:

I’m not going to the hairdresser.“

kann Sabrina ab sofort sagen:

„Oh thoch, Freundchen!“

Widerspruch mittels „doch“ ist praktisch im Englischen bis jetzt nicht möglich gewesen!

Seit einigen Tagen ist wieder zu lesen, warum die Zeitumstellung schlecht für den Menschen ist, für die Tiere und für das Universum überhaupt. Warum welcher Politiker die Abschaffung fordert und warum wir überhaupt seit den Achtzigern, glaube ich, wieder an den Uhren herumspielen. Energie sparen und so weiter und natürlich muss irgendwer zweimal pro Jahr schreiben, dass das eigentlich nie funktioniert hat. Zweimal im Jahr dasselbe, das zweimal im Jahr nicht interessiert. Das ist so, als würde ich 750 Blogbeiträge schreiben, in denen es eigentlich immer um dasselbe geht, um mich.

Doch dieses Jahr war mir eine Sache neu: Es gab Zeiten in Deutschland – und zwar in der Bundesrepublik und nicht etwa im Weimarer Deutschland -, in denen die Uhr nicht zweimal umgestellt wurden, sondern gleich viermal: im April und Mai je eine Stunde vor und im Juni sowie Oktober je eine Stunde wieder zurück. Caitweyse herrschte zwischen Ost und West ein Unterschied von zwei Stunden, was wiederum mit den Russen zusammenhing, die zu einem ganz anderen Zeitpunkt die Uhr umstellten.

„Caitweyse herrschte zwischen Ost und West ein Unterschied von zwei Stunden!“

„Ach, krass. Nicht gewusst“, sagte meine Mitbewohnerin heute Morgen.

„Vettel hat gewonnen!“, wechselte ich das Thema.

„Cool. Wir haben es verpasst!“

„Obwohl, das Rennen begann wohl zehn Minuten zu spät.“

„Warum?“, fragte meine Mitbewohnerin.

„Bei der Bahn wäre die ‚verspätete Bereitstellung des Zuges‘ die Begründung. Aber es ist wohl so, dass der neue Formel-1-Eigentümer sich mehr Flexibilät beim Startzeitpunkt erbeten hat. So wird Formel 1 wieder spannend! Man weiß nie genau, wann es überhaupt losgeht! Formel 1 ist das neue Bahnfahren!“

Während ich diese Zeilen schreibe, schaue ich mir die Wiederholung des Rennens an. Es mag seltsam scheinen, aber für mich gehören ein sonniger Sonntag und ein Formel-1-Rennen irgendwie zusammen. Natürlich empfinde ich die Rennübertragungen, zumal jetzt ohne Lauda, sehr langweilig. Darum tue ich ja irgendetwas nebenbei wie auch meine Mitbewohnerin, die ihr Fahrrad repariert, das zum hundertsten Mal einen Platten hat.

Ich selbst fahre kein Fahrrad mehr (was sich bald ändern wird!), und das, obwohl ich Münsteraner bin. Doch gerade als Münsteraner ist man es als Radfahrer gewohnt, permanent und vor allen anderen Vorfahrt zu haben, was hier in Düsseldorf die Autofahrer für sich beanspruchen – das kann nicht gutgehen, zumal es hier im Grunde kaum Radwege gibt, sodass sich Auto- und Radfahrer die Straßen teilen. Zusammen mit den Straßenbahnen. Die Statistik in Düsseldorf bilanziert für 2017: Von zehn Menschen, die auf ihr Rad gestiegen sind, sind zwölf verunglückt, 14 davon tödlich und 17 wurden nie wieder gesehen.

Nun sehe ich gerade, wie Vettel gewinnt. Wegen des virtuellen safety cars. Das „virtuell“ ist mir neu. Was zur Hölle ist das virtuelle safety car?! Sitzt da ein virtueller Bernd Mayländer drin?! Hat sicherlich etwas mit den neuen Eigentümern der Formel 1 zu tun, die sehr genau wissen, wie langweilig dieser Sport geworden ist. Ich erinnere mich noch gut an die Neunziger, als ich in die Betrachtung dieses Sports einstieg und ihn wirklich als spannend empfand. Irgendwann ist da etwas aus dem Ruder gelaufen und ich habe nur noch wegen Niki Lauda geguckt, weil ich nicht mehr verstanden habe, wann wer seine Reifen wessenthalben nicht wechseln darf. Und nun ist der auch weg, der schnodderige Niki.

So, jetzt gehe ich in den Garten. Tagetes pflanzen. Oder ist das noch zu früh?