Aufruhr in Düsseldorf-Oberbilk: Der hochdekorierte Oberst Obersten wurde auf unmenschlichste Weise vom gefürchteten Monokelhenker um sein Leben gebracht. Während der eiskalte Schuft mit der korrupten Polizeibehörde unter einer Decke steckt, da sich deren Bezirksinspektor Ordophob Ohßem mit einem anrüchtigen Deal erpressbar gemacht hat, ist einer dem Monokelhenker auf den Fersen: der furchtlose Detektiv Seppo, der sich immer wieder zum Wohle der Oberbilker Bürger die Hände schmutzig macht. Inkognito, da gesucht von der Polizei, treffen wir Seppo und seine treue Begleiterin, die Apotheken-Gehilfin Melina, am Tatort wieder. Dort sucht er nach Hinweisen, die Licht in das Dunkel von Oberbilk bringen sollen. Viel Glück,

Detektiv Seppo!


Melina und Seppo, Seppo und Melina, betreten im Schutz der völligen Dunkelheit, die nicht einmal der Vollmond zu durchbrechen vermag, das Anwesen des Oberst Obersten, eine herrschaftliche Villa im Bauhaus-Stil.

„Diese verdammte Oberbilker Dunkelheit! Ich sehe meine Hand vor meinen Augen nicht!“, sagt Melina.

„Melina, du hast deine Hände auch in deinen Hosentaschen.“

Das kannst du sehen?! Bewundernswert. Wie kannst du der Dunkelheit so trotzen?!“

„Melina, meine Gute, ich habe die Augen gleich einer Katze. Ich vermag das wenige Licht aus der völligen Dunkelheit herauszufiltern, um meinen Geist zu erhellen.“

Und so kann nur Seppo sehen, wie Melina staunend und bewundernd ihre smaragdgrünen Augen aufreißt.

„Nicht doch, Melina, das ist nicht nur von Vorteil. Wer die Augen eines geschmeidigen Raubtieres hat, der trägt damit auch eine große Bürde. Schlaf ist mir beispielsweise kaum gegönnt, kenne ich doch die Dunkelheit nicht.“

„Aber eben in der Gefängniszelle, da hast doch auch du nichts gesehen?!“

„Melina, du stellst zu viele Fragen. Dein Leben ist weniger gefährdet, wenn du nicht alles weißt. Ich habe eine dunkle Vergangenheit hinter mir. Ich sage nur Geheimdienstexperimente …“

Melina weiß, dass jetzt nicht der Moment ist, weiter nachzuhaken. Sie kennt und respektiert Seppos Verschwiegenheit, wenn es um seine eigene Person geht. Und sie weiß vor allem um das Schicksal derer, die zu oft nachgebohrt haben.

„Die Tür, sie ist verschlossen!“, flüstert Melina, als beide versuchen, in die Villa einzudringen, „Endet unsere Odyssee hier?“

„Aber nein, Melina. Wenn verschlossene Türen mich jemals aufgehalten hätten, wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Alles, was ich brauche, ist eine EC-Karte.“

Melina greift sofort zu ihrer Geldbörse, will ihre EC-Karte dem guten Zweck andienen, doch:

„Seppo! Meine EC-Karte ist … weg!“

„Ist sie das wirklich, Melina? Ist sie das wirklich?“

„Ja, also sie ist nicht mehr in meiner Börse!“

Und während Melina das sagt, hört sie, wie Seppo offenbar mit einer EC-Karte die Tür öffnet.

„Wie hast du … Ist das meine Karte?!“, fragt sie bass erstaunt.

„Ja. Während du noch überlegt hattest, ob wir an dieser Tür scheitern, habe ich offensichtlich unbemerkt deine Karte genommen, um das Beseitigen der Barriere ins Werk zu setzen. Ich sage nur: Geheimdienst …“

Würde Melina nicht noch im Staunen über Seppos Adleraugen verharren, würde sie nun ein weiteres Mal zum Staunen ansetzen: „Du wärst ein guter Dieb, Seppo!“

Seppo schließt seine Augen, senkt den Kopf und sagt nur: „Melina, meine holdselige, es gab eine Zeit in meinem Leben, wenn du von diesen wüsstest, du würdest dich wie so viele von mir abwenden. Ich sage nur-“

„Geheimdienst?“

„Ja. Geheimdienst …“

Beide betreten sie die Villa. Melina findet den Lichtschalter, betätigt ihn und-

„Ahhhh!“, ruft Seppo mit schmerzverzerrtem Gesicht, „So viel Licht! Das muss eine halbe Million Lux sein!“

Seppo ist geblendet.

„Das ist die Kehrseite meiner übermenschlichen Augen …“, stöhnt er, „Das plötzliche Licht …“

Oder ist es die Schönheit Melinas, die ihn so blendet? Er sieht sie an. Melina hat das Gefühl, er sieht sie nicht nur an, nein, als sähe er sogar das Innerste ihrer Seele.

„So rein … und so verletzlich …“, murmelt Seppo.

„Was meinst du?“, fragt Melina.

„Nichts, ich meine nichts … Wir müssen in das Büro des Oberst. Erstes Stockwerk, dritte Tür rechts!“

Woher weiß er das schon wieder, fragt sich Melina im Stillen.

„Ich war oft hier, Melina. Das ist alles. Einen Röntgenblick habe ich schließlich nicht!“

Melina staunt nach wie vor und findet keinen Anlass, das Staunen einzustellen: „Hast du wirklich nicht?“

„Wer weiß, Melina, wer weiß …“

Plötzlich wird Seppo von etwas ergriffen. Von der Lust, das Geschehen endlich voranzubringen. Schnell stürmt er die Treppen hoch. Er braucht nur die Hälfte der Zeit dafür wie Melina.

„Melina!“, ruft er oben angekommen, „Wenn du immer zwei Stufen auf einmal nimmst, bist du doppelt so schnell oben!“

Melina versucht es ihm nachzutun. Doch sie ist übermütig, will Seppo beeindrucken und nimmt drei Stufen auf einmal. Seppo ruft noch:

„Meliiinaaaa, neeeeeein!“

Doch Melina gerät zunächst ins Straucheln, dann in ein Stolpern. Sie droht die Treppe hinabzustürzen.

„DAS WERDE ICH NICHT ZULASSEN!“, ruft Seppo mit Blick in den Himmel, hechtet los, streckt seinen Arm in Richtung Melina, „Nimm meine Hand!“

Melina streckt mit letzter Kraft ihre Hand in Seppos Richtung und der, der zögert nicht, sie bestimmt zu ergreifen. Beherzt reißt er das zarte Geschöpf in seine Richtung. Melina, die sich schon aufgegeben hatte, überfällt ein erregender Schwindel, als Seppos Hand sie greift, und wird erfüllt von dem Wunsch, sich Seppos körperlicher Stärke selbstvergessen und voller Vertrauen hinzugeben …

„Seppo“, stöhnt sie auf, als sie das Oben erreicht.

„Ich hab dich. Sorg dich nicht. Die Gefahr ist gebannt.“

Beide fallen sich in die Arme und vielleicht ist dieses der Moment, in dem Seppo klar wird, für welchen Menschen es sich lohnt zu leben, all das auf sich zu nehmen. Für den Bruchteil einer Stunde sehen sich die beiden tief in die Augen und Melina weiß, jetzt liest er mich. Hoffentlich gefällt ihm, was er liest. Und ja, tatsächlich!, Seppos Lippen, nicht zu dünn, aber auch nicht zu dick, formen ein wärmendes Lächeln.

„Ich habe das Rätsel gelöst“, unterbricht Seppo den magischen Moment und erklärt ihr, dass er im Büro des Oberst Aufzeichnungen gefunden habe, die nahelegten, dass dieser den größten Gauner Oberbilks, den Siebenschüssigen, auf seine Seite, auf die Seite des Guten, holen wollte, „Und das wollte der Monokelhenker nicht zulassen. Darum musste der Oberst sterben.“

„Wann hast du das herausgefunden?!“, fragt Melina noch immer gefangen von Seppos übermenschlichem Wesen.

„Während du zu stürzen drohtest, gab es ein enges Zeitfenster, in dem ich mich in des Obersten Büro umsehen konnte. Der Monokelhenker wird noch heute Nacht hier auftauchen, um diese Aufzeichnungen zu vernichten, um damit die letzte Spur zu ihm zu verwischen. Das ist unsere Chance, ihm das Handwerk zu legen, glaubt er doch, wir beiden säßen im Verließ der Polizei fest.“

„Du meinst also-“

„Richtig, wir müssen nur warten!“

„Was tun wir bis dahin?“, fragt Melina, die Verdorbenes im Kühlschrank Sinn hat.

„Warten, Melina. Ein Detektiv wartet. 90 Prozent meiner Arbeitszeit bestehen-“

In diesem Moment klingelt das Handy des Detektivs. Sofort geht er ran und Melina staunt, hält Seppo sie doch nach wie vor mit beiden Händen fest umschlossen.

„Detektei Seppo, Seppo am Apparat? … Herr Inspektor! … Grundeis, ja … Ja … Exakt … Fensteraussparung … Richtig … Flucht … Ja, Villa des Oberst … Okay … Verstehe … Ja, blöd gelaufen … Zweite Chance, hat jeder verdient … Ja. Kommen Sie umgehend zur Villa des Obersten!“

Seppo legt auf, Melina sieht ihn fragend an.

„Das war Inspektor Ohßem. Ihm gehe der Arsch auf Grundeis, sagt er. Er habe sich mit dem Monokelhenker zusammengetan und bereue das fürchterlich. Aber er habe sein Handy dadurch wiederbekommen. Er wolle nun wieder die Seiten wechseln und uns bei der Jagd auf den Monokelhenker unterstützen.“

„Und du glaubst ihm?!“

„Ich habe ihm in seine Augen gesehen. Er sagt die Wahrheit.“

Während des Telefonates hast du ihm in die Augen gesehen?!“

„Ja, ich sage nur Geheimdienst …“

„Du bist so einzigartig, Seppo!“

„Nicht doch, Melina, nicht doch. Ich bin ein ganz normaler Mensch … fast. Wenn wir gleich den Monokelhenker in flagranti dabei erwischen, wie er sich der Aufzeichnungen des Oberst habbar macht, können wir ihn des Mordes überführen.“

„Habhaft.“

„Was?!“

„Du sagtest habbar, es muss habhaft heißen.“

„Richtig. Entschuldige. Der Stress. Die Last. Die Bürde.“

Melina bewundert Seppo. Selbst jetzt ist er sich nicht zu schade, eigene Fehler einzugestehen, Schwäche zu zeigen. Was für ein Mann!

Ein Krachen aus dem Erdgeschoss durchbricht die Stille.

Melina: „Da scheint jemand die Tür eingetreten zu haben. Dabei fällt mir ein: Kann ich meine EC-Karte wiederhaben?“

„Sie steckt schon in deiner Geldbörse, Melina.“

Melina setzt ihr Dauerstaunen fort. Teufelskerl, denkt sie.

„Wir müssen uns verstecken“, sagt Seppo, „Das ist der Monokelhenker.“

Beide huschen in einen Raum, der sich als eine Abstellkammer herausstellt. Und wieder kracht es in der Eingangshalle.

„Das sind zwei“, flüstern Seppo, „Da sind zwei Menschen da unten.“

„Der Inspektor?“, fragt Melina.

„Nein, der hätte schon lange nach uns gerufen. Da unten stimmt etwas nicht.“

Immer lauter kracht und rumpelt es, ein Stöhnen ist zu hören.

„Es ist ein Kampf!“, sagt Seppo, „Da unten findet ein Kampf statt!“

Und dann fallen Schüsse. Erst einer, dann zwei …

„Drei, vier …“, zählt Melina und knickt mit jedem Mal einen ihrer Finger nach vorn.

„Fünf, sechs …“, zählt Seppo weiter. Dann Stille.

Peng!

„Sieben! Es waren sieben Schüsse!“, ruft Seppo flüsternd.

„Du meinst, das ist der Siebenschüssige?“

„Ganz richtig.“

Plötzlich fällt ein achter Schuss.

„Ist es der Achtschüssige?“, fragt Melina.

„Es gibt keinen Achtschüssigen! Ich vermute, dass entweder der Siebenschüssige ein zweites Opfer gefunden hat oder aber, was ich wahrscheinlicher finde …“

„ERWISCHT!“, ruft im Erdgeschoss die Stimme des Inspektor s Ohßem.

Seppo und Melina hasten aus ihrem Versteck zum Treppenhaus. Seppo nimmt Melina huckepack, nimmt je zwei Stufen auf einmal nach unten und ruft:

„Inspektor?!“

„Ah, der Detektiv! Ich habe soeben den Monokelhenker erledigt!“

„Nein, Sie Narr! Sie haben den Siebenschüssigen erledigt, nachdem dieser den Monokelhenker erledigt hat!“

„Ach, deshalb die zwei Leichen. Wird das jetzt zum Problem?!“

„Ja, Herr Inspektor. Das wird es. Der Siebenschüssige war kurz davor, auf die Seite des Guten zu wechseln. Dass Sie ihn nun ermordet haben in dem Moment, wo er uns half, wird das Organisierte Verbrechen in Oberbilk in Aufruhr versetzen.“

„Ui.“

„Die Schlacht, Herr Inspektor, die mag das Gute gewonnen haben. Aber der Krieg, der geht nun erst los. Für einige Zeit wird vielleicht Ruhe einkehren hier in Oberbilk, aber es ist nur die Ruhe vor dem … Sturm.“

„Oh Gott, Seppo, beschütze mich!“, ruft Melina, immer noch auf seinen Schultern sitzend.

„Was machen Sie eigentlich auf den Schultern von Seppo, gnädige Frau?“, fragt der Inspektor nicht ganz zu Unrecht.

„Es gab Probleme mit dem Treppensteigen“, erklärt Seppo.

„Es müsste nun jemand einen heiteren Scherz machen“, gibt Melina zu bedenken.

„Warum?“, der Inspektor.

„Weil dieses Abenteuer nun zuende ist und am Ende alle immer herzhaft lachen, bevor das Bild einfriert.“

„Sie hat Recht!“, lacht Seppo, „Sie hat ganz Recht, hahahah!“

„Warum haben Sie eigentlich so lustige Brillen auf?!“, fragt der Inspektor, der nun zusammen mit Melina in das Lachen mit einsteigt. Obwohl allen bewusst ist, dass der Oberbilker Weltenbrand erst noch bevorsteht.


Detektiv Seppo kehrt zurück – in „Detektiv Seppo und die Witwe Granterich“!

Alle bisherigen Fälle der Detektei Seppo: hier!