Beatrix von Storch ist eine wunderschöne Frau. Ich liebe an Frauen, wenn diese ein immer strahlendes Gesicht mit sich herumtragen. Es gibt solche tatsächlich. Man sieht ihnen in die Augen und weiß irgendwie, ja, das ist ein guter Mensch. Ich meine nicht etwa ein Dauergrinsen, nein, ich meine wirklich aus der Seele strahlende Augen.

Beatrix von Storch ist natürlich nicht wunderschön, in ihren Augen sehe ich nur Groll, Hass und eine deftige Portion Doofheit. Aber dafür ist sie biodeutsch. Und das wird, wenn es schlecht läuft, ein bald wieder sehr gefragtes Attribut. Obwohl ich bei dem Begriff kotzen möchte.

Ich hatte Bio und Deutsch als Leistungskurs. Zu einer Zeit, als ich glaubte, die Deutschen hätten das Schlimmste überstanden und stünden zu ihrer Verantwortung. Ich rede nicht einmal von Schuld, denn meine Generation beispielsweise hat keinen Juden vergast. Aber meine Generation trägt wie jeder andere Mensch auf dieser Welt eine gewisse Verantwortung. Und da wir in unserem Lande ziemlich genau wissen, wie schnell Irre einen Weltenbrand entfachen können, haben wir eine besondere Verantwortung, der wir derzeit nicht gerecht werden. Nur ein Beispiel: Vier von zehn Schülern können mit dem Begriff „Auschwitz“ nichts anfangen. Ich habe keine Ahnung, wer da versagt, erinnere mich aber gut, dass ich die ersten KZ-Bilder in der vierten Klasse der Grundschule zu sehen bekam. Solche Bilder scheinen nun zu verblassen. Was geschieht nur, wenn der letzte Zeitzeuge diese Welt verlässt? Wenn das Grauen nur noch eine verschleierte Erinnerung ist, die von nicht wenigen auch noch geleugnet wird?! Mich belastet weder dieses Wissen, diese Erinnerung aus Erzählungen, noch belastet mich ein Schuldvorwurf. Ein „Irgendwann muss ja mal gut sein“ kann es nicht geben. Es ist doch wirklich nicht so, dass diese historische Verantwortung uns erdrückt. Lächerlich. Das Gegenteil ist der Fall. Die Deutschen sind vielen anderen Völkern Vorbild in der Aufarbeit dunkler Geschichte. Darauf übrigens kann man als Deutscher stolz sein. Denn das ist – anders als das Biodeutschsein – eine Leistung!

Ich weiß nicht, welche Bilder schlimmer sind. Jene KZ-Bilder aus dem Grundschulunterricht oder ein Konterfei von Frau von Storch, die schneller als N-TV auf den Terroranschlag in meiner Heimatstadt Münster reagiert hatte. Blöd nur, wenn sich dann herausstellt, dass es gar kein Terror im derzeit klassischen Sinne war. Sofern man dem Glauben schenkt, denn in der Echokammer Facebook war vielen geistig Abgedrifteten relativ schnell klar, dass die Behörden einfach nicht zugeben wollten, dass es sich um Terror gehandelt hat, zumal der Lügenpresse ohnehin nicht zu glauben sei. Und wenn es dann eben ein Biodeutscher war, dann habe er halt nur das nachgemacht, was Frau von Storch, die angehende Miss Bundestag, jedem Flüchtling ohnehin zutraut. Also so oder so, der Nichtbiodeutsche ist irgendwie schuld. Und Frau Merkel sowieso.

Das sind Nazi-Methoden. So durchschaubar wie leider auch fruchtbar. Trixi muss es selbst ja alles gar nicht glauben, es genügt, wenn eine kleiner, dafür umso lauterer Biodeutschmob es glaubt, denn leider verhält es sich so, dass die Radikalen immer lauter sind als die vernünftige, aber schweigende Mehrheit. Die Nazis wussten das schon immer: Die Unterstützung der Masse braucht man gar nicht, ein radikalisierter Teil genügt vollkommen.

Facebook ist ein ideales Instrument, das die verqueren Ansichten einiger Menschen offenlegt: Sie haben nun ein Forum, innerhalb dessen sie sich selbst bestätigen. Vieles, was früher nur nach dem x-ten Bier ausgesprochen wurde, ist inzwischen salonfähig geworden, zumal das Ausland ebenfalls nach rechts rutscht.

Aber schweigt die Masse? Nein, das tut sie zum Glück nicht. Auf jeden irren Facebook-Kommentar, den ich am Samstagabend nach dem „Ereignis“, wie man es möglichst neutral nannte, folgte ein geraderückender Kommentar. Doch auch das macht mir Angst: Wir erleben eine tiefe Spaltung der Gesellschaft. Und auch ein solches Ereignis, das gar kein Terror war, nützt den neuen Nazis. Fakten spielen caine Rolle mehr.

Vor einigen Jahren noch hätten es die Eilmeldungen zu dem Vorfall am Münsteraner „Kiepenkerl“, in dem auch ich schon häufig saß, nicht bis in die BBC oder CNN geschafft. Inzwischen sind wir derart konditioniert, dass wir natürlich sofort an Terror denken, fährt ein LKW, der sich als Kleinbus entpuppte, in eine Menschenmenge.

Zunächst las ich am Samstag auf meiner Facebook-Chronik nur irgendetwas von Sperrungen in der Münsteraner Altstadt. Ich las nicht weiter, habe an eine Kneipenschlägerei gedacht. Denn ich muss leider wiederholen, was viele Münsteraner sooft sagten am Samstag: In Münster rechnet niemand mit so etwas. Aber das ist ja das Perfide dieser Art von Terror: Er kann überall zuschlagen. Es geht nicht um maximal hohe Opferzahlen; es geht um das Streuen von Angst, von Verunsicherung. Und es ist im Sinne der Terroristen, aber auch autokratischer Regime in und um Europa herum, dass rechtsnationale Parteien dadurch Auftrieb gewinnen und die westlichen Gesellschaften zersetzen. Eine aufstrebende AfD hat das Potenzial, dieses Land auf Dauer zu ruinieren. Zum einen sind sie regierungsunfähig – sie beherrschen schlicht das Handwerk nicht – und zum anderen baut ihre Macht darauf auf, die Deutschen zu Opfern irgendwelcher Sündenböcke zu stilisieren. Wer eine andere Meinung hat, der ist nicht nur politischer Gegner, der wird zum Feind stilisiert – die Gesellschaft wird vergiftet. Ein simples Muster, hatten wir schon, sieht man auch derzeit in Ungarn oder Polen. Leider funktioniert das immer wieder. Bis zu einem gewissen Punkt, denn Gutes ist daraus noch nie entstanden. Gibt den Anhängern natürlich nicht zu denken, denn Denken ist ihre Sache nicht.

Ich sage übrigens nicht, dass ein AfD-Wähler ein Nazi ist. Aber er wählt solche. Und ich sage durchaus, dass ein AfD-Wähler bei Lichte betrachtet nicht alle Latten am Zaun haben kann. Man kann gegen Merkel sein, keine Frage. Aber dann das Heil in der AfD suchen?! Bei aller Liebe, bisschen mitdenken!

Ich bin auch müde, mich immer und immer wieder darüber zu echauffieren. Ich tue es dennoch, weil sie setzen ja auf diese Strategie: auf das ständige Verschieben des Niveaus. Und natürlich verwunderte der Tweet von der hübschen von Storch nicht. Und natürlich spielt ihr Aussehen in einer Argumentation gar keine Rolle. Aber Fakten interessieren sie ja auch nicht.

Die Bundestagswahl 2017 war ein einigermaßen schwarzer Tag. Glücklich machte mich nur das Wahlergebnis der AfD in Münster: Meine Heimatstadt war der einzige der insgesamt 299 Wahlbezirke des Deutschen Reiches, in denen die AfD nicht über die Fünf-Prozent-Hürde gelangte. Das wird freilich nicht so bleiben, da ich grundsätzlich für unsere politische Landschaft schwarzsehe. Und da es mir gerade einfällt: Schimpfen auf die so genannten Altparteien, aber einem CDU-Urgestein – Alexander Gauland, 77 Jahre alt – hinterherrennen?! Dessen einziges Motiv doch darin besteht, es seiner ewigen Rivalin heimzuzahlen?! Da mangelt es doch massiv an Hirnmasse!

Später des Samstagachmittags schrieb mir Kollege Bunki bei Facebook. Was denn da in Münster los sei. Während mein Essen in der Mikrowelle stand, guckte ich also doch mal genauer in die Nachrichten und erfuhr so von dem LKW, der nie einer war und der in eine Menschenmenge gerast war.

Dann stellte ich fest, dass ich nun in die Verlegenheit kam, meine Eltern in Münster anzurufen. Währenddessen erschienen auf Facebook die ersten „Pray for Münster“-Nachrichten, was ich im Übrigen zum Würgen finde.

Mein Vater ging ans Telefon. Er wusste von nichts.

„Ich wollte an sich jetzt in den Garten“, sagte er.

Ich war beruhigt und überlegte, ob ich denn nun noch essen dürfe. Ich war leicht durcheinander. Ist es pietätlos, jetzt in Düsseldorf zu essen, fragte ich mich. Ein bisschen war mir auch der Appetit vergangen und ich schaltete N-TV ein. Wie es sich für einen deutschen privaten Nachrichtensender gehört, liefen dort aber Dokumentationen. Immerhin haben sie ein rot unterlegtes Laufband auf die Beine gestellt, in dem von einem LKW die Rede war.

Bei „Tagesschau24“, beim „Staatsfernsehen“, das die AfD durch AfD.TV ersetzen möchte, wurde ich schlauer. Ich sah die Bilder und dachte, dass es tausend bessere Orte für einen islamistischen Anschlag gäbe als die Gaststätte Kiepenkerl. Aber da auch ich konditioniert auf Terror bin, war für mich klar: Es ist allen Ernstes in Münster passiert.

Kollege Bunki schrieb mir derweil, dass gleich die Nazis aus ihren Ecken kriechen würden. Und natürlich, so kam es. Ich loggte mich aus Facebook zunächst aus, wollte mich nicht darüber aufregen müssen. Aber unsere Lügenpresse, die viele so nennen, weil andere, sehr laute Idioten es ihnen vormachen, stürzte sich sofort auf den dämlichsten aller Kommentare, auf den Tweet von der Frau, die jeden feuchten Traum im Handschlag trockenzulegen vermag. Ich bin im Zwiespalt: Sollte man solchen Äußerungen überhaupt eine Plattform bieten? Immerhin ist genau das ja ihr Kalkül. Auf der anderen Seite muss doch ein klar denkender Mensch diese Frau umgehend verdammen und nach derzeitigem Stand der Dinge ging die Nummer für sie auch nach hinten los, auch wenn ich fürchte, dass viele ihr Recht geben. Obwohl das völliger Bullshit ist, was sie da von sich gab. Die F.A.Z. schreibt:

Nicht allen in der AfD gefällt das. Am kommenden Freitag wird sich Storch nach Informationen dieser Zeitung im Bundesvorstand ihrer Partei rechtfertigen müssen. Der Vorwurf lautet, Storch habe der Partei geschadet, indem sie der Konkurrenz einen Punktsieg ermöglichte.

Was lese ich daraus? Dass der eigentliche Inhalt des Tweets nicht so das Problem ist, nur ihre Taktik nach hinten losging?!

Zu einer freien Gesellschaft gehört, offen sagen zu können: Ich finde die AfD scheiße. Der AfD gestehe ich auch zu, alle anderen Parteien scheiße zu finden. Diese Freiheit ist eine Errungenschaft. Aber es ist auch diese Freiheit, die schwer gefährdet ist. Der Nährboden ist da, die Aussaat des Hasses besorgen die neuen Nazis.

Ich habe Mitgefühl mit den Opfern und deren Angehörigen. Man kann es sich nicht ausmalen: Menschen wollen den ersten sonnigen Tag des Jahres genießen – und müssen ihr Leben lassen wegen eines Irren.