Auf zwölf Uhr sehe ich in diesem Moment am Küchentisch sitzend ein Panorama an abgespültem Geschirr. In dem Zusammenhang und wann immer ich an den Begriff „Geschirr“ denke, fällt mir ein, wie ich vor inzwischen 20 Jahren einmal in meiner Heimatstadt Münster-Hiltrup mit meinem damals besten Kumpel Pavel völlig verkatert etwas essen ging.

Wir waren dazu mit meinem damaligen VW Polo, der Peter Polo genannt wurde, zum „Grill am Osstor“ gefahren, einem Imbiss, der sich auch heute noch „das etwas andere Restaurant“ nennt. Das Konzept des Imbiss ist, etwas mehr als nur Imbiss, aber weniger als Gourmet-Tempel zu sein; man kann da durchaus gut essen, wenn man auf Burger, Currywurst und Pommes steht, was ich Muscheln oder Schnecken immer vorziehe.

Merkmal der dortigen Currywurst war, dass sie ohne Currypulver serviert wurde. Wer schlau war – und wir waren das -, bestellte statt Pommes-Currywurst eine Bratwurst mit Ketchup und Pommes. War dasselbe, aber 20 Pfennig, später Cent, günstiger.

Wir waren da häufig. Von unserem 14. Lebensjahr an, bis sich unsere Wege damals vorerst getrennt hatten, über einen Caitraum von etwa zehn Jahren. Unsere Besuche gäben viel Erzählstoff her, doch sind einige strafrechtlich relevant, sodass ich hier mehr dazu nicht schreiben kann. Als Jugendlicher war ich zwar kein Rebell, habe aber viel Scheiß gemacht und nicht jeder nahm ein gutes Ende … Noch heute sind Spuren unserer Besuche im etwas anderen Restaurant zu finden …

Bei jenem Besuch stellte mir Lilo, die heute dort nicht mehr arbeitet, vielleicht sogar tot ist, da damals schon alt, meine aufgetellerte Bestellung auf den Tresen (Phosphatwurst mit Fritten), und ich fragte:

„Haben Sie auch Geschirr?“

Lilo war irritiert. Deutete auf den ja durchaus vorhandenen Teller unter meiner Wurst:

„Geschirr?! Wie?!“

Rational weiß ich inzwischen sehr wohl, dass der Begriff Geschirr unter anderem Teller meint. Doch irgendwie bedeutet für mich Geschirr Messer und Gabel. Geschirr in meinem Kopf bedeutet Besteck. Ich kann diese Begriffe nach wie vor nicht voneinander trennen.

„Naja, eine Gabel! Messer!“

„Du meinst Besteck!“

„Achso! Stimmt!“

„Moment, bringen wir gleich.“

Es gibt einige Begriffe, die ich zwar kenne, aber einfach nicht mit dem bezeichneten Gegenstand in Einklang bringen kann. Und wann immer ich in die Verlegenheit komme, Besteck suchen zu müssen, habe ich das Wort „Geschirr“ im Kopf. Daran musste ich auch gerade wieder denken, als ich nach vorn blickte, wo abgespültes Geschirr eine Skyline neben meiner Spüle formt, die nicht einmal Frankfurt als einzige deutsche Stadt mit einer Ahnung von Skyline zu bieten hat.

Den höchsten Punkt bildet der Aufsatz des Zerhackstücklers meiner Mitbewohnerin und mir. Nun weiß ich weder, wie das Gerät korrekt heißt, noch, ob es überhaupt unter die Gattung „Geschirr“ fällt. Jedenfalls zerhackstücken wir mit dem schwer zu reinigendem Teil Gemüse. Oder auch Obst. Eben weil es so schwer zu spülen ist und schlimmsterdings dazu spülmaschinenuntauglich, benutze ich es sehr ungern. Und wenn, überlasse ich die Reinigung meiner Mitbewohnerin, deren Geheimnis es bleibt, was eigentlich sie heute Morgen mit dem Teil zerhackstückt hat.

Vor etwa einer Woche haben wir vergessen, dass wir eine Spülmaschine haben, die randvoll war. Ich war für einige Tage, wie es meine Art ist, in Berlin, sie hier schwer beschäftigt. Dazu kam eine gewisse wetterbedingte Hitze, sodass sich innerhalb der befüllten Maschine ein Mayonnaise-Rest an einem Geschirrteller aufmachte, das Innere der Maschine zu bevölkern.

Dieses Bild bot sich mir, als ich nach meiner Rückkehr aus Berlin in die Maschine blickte. Nun, das passiert den Besten, dachte ich, und schaltete die Maschine ein, ohne mir das Desaster näher anzugucken. Ich dachte, die Wassermassen werden das Problem schon erledigen.

Zweieinhalb Stunden später will ich das vermeintlich saubere Geschirr und Besteck in die dafür vorgesehenen Schränke verräumen, um festzustellen, dass Schimmel eine sehr hartnäckige Angelegenheit ist und wir uns wohl von einigen der befallenen Teller und vor allem Gabeln wohl würden trennen müssen, da sie mindestens Gästen nicht zumutbar wären.

Doch dann dachte ich, dass ich mich einem Schimmel, der noch so grün daherkommt, nicht unterwerfen würde. Die befallenen Speiseunterlagen spülte ich mit Essigreiniger ab, um sie hernach mit „Sagrotan“ für die Toilette zu desinifzieren. Die Beschichtung nur dreier Gabeln habe ich auf die Weise zerstört und das, was übrig blieb, wieder in die Maschine gestellt, die ich dann ein drittes Mal durchlaufen ließ.

Erst danach stellte ich fest, dass die Maschine auch selbst mit dem Schimmel zu kämpfen hat. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auch den Maschineninnenraum mit Essig zu reinigen. Insbesondere das Sieb ihres Abflusses nahm diese Behandlung sehr dankbar auf, denn Schimmel mag Siebe.

Nach einem weiteren Durchlauf war letztlich alles sauber und auch der beißende Essiggeruch nimmt langsam, dafür stetig ab.

Fast so hoch wie das Teil des Zerhackstücklers ist mein Dings. Tja, wie nennt man das?! So ein Becher mit Trinkaufsatz. Da kippe ich immer mein Eiweißpulver rein, um es dann mit Wasser zu vermischen. Gott, wie heißen denn solche Teile? Eine Art Cocktailmixer eben. Der ist aus Plastik und dementsprechend schmeckt auch das, was man darin mixt. Ich finde, dass Weichmacher zu Unrecht unter Beschuss stehen, denn wenn man sich einmal mit ihrem Geschmack angefreundet hat, will man sie gar nicht mehr missen. Inzwischen kochen wir auch mit Weichmachern.

Natürlich ist Plastikgedöns scheiße. Dritthöchstes Gebäude meiner Skyline ist unser Messbecher. Ihn nutze ich allein zum Befüllen der Kafeemaschine und jedesmal ärgere ich mich darüber, dass wir noch einen Plastikmessbecher verwenden. Denn vieles andere haben wir inzwischen durch Glas oder Porzellan ersetzt. Nur: Mir einen gläsernen Messbecher in die Hand zu geben, darf als grob fahrlässig gelten, da ich ihn etwa einmal pro Monat fallen lasse. Nicht mit Absicht, sondern weil ich mich mitunter unbeholfen durch den Alltag bewege. Nur andeutungsweise erwähne ich mein sportliches Treiben. Nach vier Stunden Sport hat man seinen Körper nicht immer vollumfänglich unter Kontrolle. Ein massives Armtraining kann zu zeitweisen Lähmungserscheinungen führen, sodass man Dinge, die man begreift, gerne mal fallenlässt. Kraftsportler wissen in diesem Zusammenhang, welche Folgen der so genannte „Legday“ haben kann. Das Treppensteigen kann nach einem Legday zur Hölle werden. Aber eben auch das Greifen von Dingen nach einem Armday.

Und daher ist Plastik, wenn ohnehin schon im Haushalt, die bessere Wahl. Und ganz nebenbei, ein Gesundheitsfanatiker bin ich gewiss nicht. Ich habe auch kein Problem, Wasser aus Plastikflaschen zu trinken. Sterben tun wir an anderen Dingen, sehe aber durchaus die Umweltproblematik als solche. Aber da sind wir ja auf einem hoffnungsvollen Weg.

Zu guter Letzt bildet der liegende Käsehobel eine Reihenhaussiedlung wie die, in der ich aufgewachsen bin, und wenn alles gut geht, ich wieder einziehen werde, wenn meine Eltern, naja, also … ich meine, niemand lebt ewig … Reihenhäuser gelten als spießig. Ich sehe das nicht so, denn entscheidend sind nicht die Häuser, sondern die, die darin leben. Und wer wäre ich, mich darüber zu beklagen, in einem Reihenhaus zu wohnen?! Das wäre doch wohl etwas vermessen angesichts der Armut, der ich tagtäglich in Ruinenstädten wie beispielsweise Düsseldorf begegne. Wie sooft im Leben sollte man nicht vergessen, sich den richtigen Maßstab zu suchen.

Ich trockne das Zeuch jetzt mal ab.