Es ist Fußballweltmeisterschaft, die für mich persönlich erst morgen relevant wird, da ich wahrlich cain Fußballfreund bin, aber Patriot, sodass mich die Ausgänge der Spiele mit deutscher Beteiligung durchaus interessieren. Und so bleibt es nicht aus, dass ich jene deutschen Spiele im Kreise von Fußballkennern betrachten werde, wobei ich mich natürlich mit Kommentaren zum Spielverlauf aufgrund fehlenden Sachverstandes zurückhalten werde. Gut, traditionell werde ich ein „Wir sind eben eine Turniermannschaft“ einwerfen, um dafür vollkommen zurecht gepfählt zu werden, so wahr der Spruch auch sein mag, wobei natürlich jede ein Turnier bestreitende Mannschaft eine Turniermannschaft ist. Nebenbei, „Wir sind eine Turniermannschaft“ schließt mich mit ein, was natürlich aus Sicht eines wahren Fans blanker Hohn ist. Ich bin keine Mannschaft.

Ein Klassiker ist auch der Spruch, den ich bereits Silvester abseits irgendwelcher Fußballspiele getestet habe. Sie kennen das vielleicht, wenn man während eines Spieles zur Toilette geht, sich erleichtert und währenddessen ein Tor fällt. 2014 war ich während des Spieles gegen Brasilien sieben Mal zur Toilette. 1998 im Spiel gegen Kroatien lief das allerdings anders. Damals kam ich vom Schont wieder und meine „Kumpels“ teilten mir mit, dass wir soeben aus der WM geflogen waren.

Und so teilte ich am Silvesterabend den feiernden Mitmenschen mit, dass ich kurz zur Toilette gehen würde und

„Vielleicht schießen wir in der Zeit ein Tor …“

Eisiges Schweigen war meine Ernte, denn freilich war das Verstehen der Pointe zu viel verlangt. Auf dem Klo sitzend schrieb ich dann meiner in den USA lebenden Freundin Sabrina, der ich in diesem Moment alle Daumen drücke, dass mir ein unsagbar missratener Scherz gelungen sei, der nahezu zum Stimmungskiller emporgestiegen sei:

„Keiner hat gelacht. Sie haben mich schweigend und verständnislos angeguckt. In einigen Gesichtern sah ich Mitleid. Andere nahmen mich an dem Abend überhaupt das erste Mal wahr.“

Ich wusste, dass genau das Sabrina, die sechs Stunden zurücklebt, sehr erheitern würde und so ist mein mieser Scherz, der eben nur in Abwesenheit von Fußballspielen als solcher funktionieren kann, inzwischen ein Klassiker. Morgen teste ich ihn wieder, beim Deutschlandspiel gegen … ja, gegen wen eigentlich? Schweden?! Nicht einmal das weiß ich, aber ist ja auch nur ein Gruppenspiel. Schweden? Oder war Schweden kommenden Samstag?! Ist mir egal, denn am Ende gewinnt immer … Wales. Auch so eine Pointe, die zur EM vor zwei Jahren aufkeimte.

Wir sind unter uns. Sie, der Sie gerade dieses hier lesen, und ich, der dieses im Zug nach Berlin schreibt. Denn so offen möchte ich sein: Während einer Fußballmeisterschaft bei gleichzeitig bestem Wetter zu „bloggen“ (für mich ist es weniger ein Bloggen als ein Schreiben), ist einigermaßen sinnlos, denn die Menschen haben vollkommen berechtigterwindschneise etwas Besseres zu tun, als hier zu lesen. Das zeigen meine Abrufstatistiken, sodass es völlig egal ist, was ich hier nun zum Besten gebe.

Ist es gut, dann ist es eine Perle vor die Sau, weil nur etwa zwei Drittel meiner Leser derzeit lesen. Ist es aber schlecht und belanglos – und in diese Richtung entwickelt sich der Text gerade zweifelsfrei -, dann vergraule ich auch noch den Rest. Sie, verehrte Leser, Sie sind also in meinen Augen heute:

der Rest.

Werten Sie das nun negativ? Dann ist es allerdings Ihre Schuld, da Sie ihre Vorurteile auf mich projizieren. Denn ich finde Reste meist gut. Nie würde ich als Sendender, ob hier oder im Bewegtbild, wo ich erwerbsmäßig als Moderator tätig bin, versuchen, die Massen anzusprechen. Das hat zwei gute Gründe, die überdies mich in eine komfortable Situation hieven: Zum einen kann ich es einfach nicht, da ich nicht massenkompatibel bin. Das gilt auch für mein Privatleben, in dem ich weißgott keine großen Scharen an Menschen um mich herum versammle. Dafür übrigens, vielleicht erkennt sich der eine oder andere wieder, muss ich mich immer wieder rechtfertigen, als sei es ein Makel. Genau so nehme ich es gar nicht wahr, so gerne man mir einreden möchte, dass ich unglücklich darüber zu sein habe. Das Gegenteil ist der Fall. Ich schätze mein gut sortiertes Umfeld wie einen gut sortierten Zeitschriftenhändler.

Sie merken, ich werde persönlich, denn es liest eh nur der Rest. Die kommenden vier Wochen wird’s also so richtig intim hier im seppolog! Wie oft verkniff ich mir bislang Dinge, da sie zu persönlich wären?! Damit ist nun Schluss! Während der WM! Zeit für die Seppomeisterschaft! (In diesem Moment blicke ich aus dem Fenster und sehe das „Deutsche Fußballmuseum“.)

Ich habe auch cainerlay Interesse an der breiten Masse, denn – Grund zwei – die ansprechen, das tun andere ohnehin und sowieso viel besser. Der Markt ist da schon lange gesättigt. Zudem spricht nichts gegen die Ansprache einer Minderheit oder gleich mehrerer, die für sich genommen ohnehin wieder eine Mehrheit sind!, denn Minderheiten sind ja erst einmal nichts Schlechtes, wobei ich Nazis ausnehmen möchte. Und Massenmörder. Was manchmal dasselbe ist und daher wohl kaum ein Vogelschiss sein kann.

Minderheiten sind anspruchsvoller, sie sind spezifischer. Sie fühlen sich vom Einheitsbrei gelangweilt und ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als spitzfindiger durchs Leben zu gehen, was ich auch klar für mich deklariere. In dem Zusammenhang las ich mal, Jahre her, einen Artikel in der, wie ich meine, „Zeit“, in dem es um die schweigende Mehrheit der introvertierten Menschen in Gesellschaften ging. Behandelt würden sie wie eine Minderheit, doch womöglich ist ihr Anteil gleichauf mit dem der Extrovertierten. Letzte allerdings sind eben naturgemäß „lauter“, man nimmt sie eher wahr und sie bestimmen die Agenda, während erste natürlich eher schweigend die Dinge des Lebens hinnehmen. Damit widersprechen sie – und das ist ihr wie auch mein Unglück – der derzeitigen Norm der Gesellschaft. Ich will hier keinesfalls klagend wahrgenommen werden, denn dazu ist mein Selbstbewusstsein, derzeit überbordend, ja, nahezu zu widerlich groß. Es speist sich vollumfänglich aus Dingen, die ich im Alleingang erreicht habe, was ich mir immer wieder vor Augen halten muss und auch halte.

Introvertierten wird gerne, eben weil sie es nun einmal ausstrahlen, geistige Abwesenheit unterstellt. Das ist natürlich Unsinn und gleichzeitig ihr großes Plus. Auch das las ich doch jüngst irgendwo, Tenor war irgendwie „Unterschätzt uns gerne!“ Verdammich, ich weiß nicht mehr, wo ich das las. „Süddeutsche“, glaube ich. Es ist was dran. Wer mehr schweigt, also nicht zu allem seine mitunter unfundierte Meinung abliefern muss, hat mehr Muße, die Dinge zu beobachten. Ich darf offen sagen, dass ich beispielsweise manches lange vor anderen realisere. Insbesondere gelingt mir das in Bezug auf die Einschätzung von Menschen. Man sagt gerne, der erste Eindruck täusche – bei mir liegt er meist richtig, wobei ich einmal grandios danebenlag. Ich mag gottähnlich sein, -gleich wohl noch nicht. Bin aber auch erst 37. Oder 38. Nein, ich werde 38. Nein. Ich weiß es nicht. Je länger ich darüber nachdenke, desto unaktueller mein Denkergebnis. Numerisches Alter ist auch uninteressant, nur im Sport, da bin ich 40 …

Spüren Sie die intime Atmosphäre zwischen uns, die ich aufzubauen vermocht habe? Oder gründet mein Empfinden einfach darauf, dass ich in einem fast leeren Waggon des ICE 549 sitze?!


Ich lasse uns nun wieder alleine; mit dem Hinweis nur, dass ich an dieser Stelle künftig kürzertreten werde, was ja schon seit einiger Zeit der Fall ist und letztlich darin begründet ist, dass mir etwas anderes deutlich wichtiger geworden ist. Alles hat seine Phasen. Diese hier hatte sie vielleicht.

Achso, da Sie ja genau so sportaffin sind wie ich, schauen Sie gerne bei meinem Instagram-Profil vorbei. Dem Begriff „Poser“ habe ich dort eine ganz neue Bedeutung eingehaucht!