„Es gibt hier nichts zu sehen!“, ruft Kriminalobermeister Ordophob Ohßem ins Nichts hinein.

„Hier ist aber doch auch niemand!“, sage ich ihm, woraufhin er nur mit der Stirn zuckt. Das wiederum macht mich neugierig:

„Wenn Sie mit der Stirn zucken, was tun sie dann erst mit Ihrer Schulter?!“

Doch Oberinspector Ohßem ficht mein durchaus kritisch gemeinter Einwand nicht an und zeigt mir seinen Scotland-Yard-Ausweis:

„Behindern Sie bitte die nicht Arbeit des Yards.“

„Yard?! Das ist ein Ausweis aus dem ‚Yps‘-Heft!“

„Na, und?!“

Ich antworte nichts und beuge mich über das Opfer. Rudine liegt da in einer Blutlache, deren Herkunft noch ungewiss ist. Also:

„Rudine, wessen Lache ist es dort, in der du badest?“

„Es ist die Lache Noahs“, sagt sie. Zumindest glaube sie das.

„Wer ist Noah? Oder wer war Noah?!“, will Ohßem wissen.

Doch nun geschieht etwas Ungewöhnliches, bevor Rudine, meine Nachbarin übrigens, antworten kann. Wir vernehmen eine laute Lautsprecherdurchsage, wobei Lautsprecherdurchsagen immer laut sein sollten, kommen sie ja aus einem Lautsprecher. Das bringt mich zu der Frage, was eigentlich geschähe, spräche man betont leise in einen Lautsprecher.

„Es würde akustisch verstärkt werden, Seppo!“, weiß Rudine, „Technisch betrachtet kann aus einem Lautsprecher nur etwas Lautes kommen!“

„Du magst Recht haben.“

Und dann verdunkelt sich der Himmel und es geschieht, was uns die Durchsage angekündigt hat:

„Dieses Paralleluniversum schließt nun. Bitte begeben Sie sich geordnet zum nächstgelegenen Ausgang. Vielen Dank für Ihren Besuch.“

„Na, dann wollen wir mal. Schade für Noah. Mit etwas Pech lebt er ja noch“, sinniere ich.

„Ganz recht, ohne Leiche kein Fall. Zumindest keiner mit Leiche. Gehen wir“, schließt Ohßem diese Szenerie.

Es ist durchaus ärgerlich, dass wir dieses Mal ein Paralleluniversum erwischt hatten, das gerade in sich zusammenfällt. Und so ist Eile geboten, als wir die Tür des „Flotho 3000“ betreten, jenes Gerät, das uns wieder zurück zu jener Erde nimmt, auf der Sie gerade diesen Text lesen. Der Flotho 3000, Nachfolger des Fotho 2000, der irgendwo an einem anderen Ort des Multiversums steckengeblieben ist, ist eine Erfindung meines Halbbruders Zacharias, der vor einiger Zeit wieder in mein Leben getreten ist. Und wiedere herausgetreten, da er sich mutmaßlich dort befindet, wo auch der Flotho 2000 ist.

Es war an einem Donnerstagmorgen um 18 Uhr, als ich auf den Flotho 3000 stieß. Zusammen mit der Polizei vertreten durch Kommissar Ordophob Ohßem fanden wir die 3000er-Variante in Zacharias‘ Wohnung, nachdem Suchtrupps den Verschollenen tagelang ergebnislos gesucht hatten. Nicht ich hatte etwa Zacharias als vermisst gemeldet, sondern seine Freundin: Rudine.

Es wird nun etwas kompliziert, wie ich gerne zuzugeben nicht bereit bin. Denn wir müssen uns nun um Noah kümmern, der in diesen Fall verwickelt sein könnte. Noah ist oder war ein früherer Arbeitskollege von Zacharias, der diesem seine enormen Forschungserfolge geneidet hat und ihn daher, wo es ging, sabotiert hat. Noah ist, ganz stereotyp, wie es gute Geschichte ausmacht, ein böser Wissenschaftler, Zacharias allerdings aus. Denn letzter wie auch erster haben für das autokratische Regime der rutztekostanischen Regierung gearbeitet: Raketenforschung. Doch halt! Die dortige Raketenforschung, international geächtet, war nur der Deckmantel einer viel übleren Nummer, an der Rutztekostan dran war. Dem Regime unter Präsident Reschiem war es gelungen, Paralleluniversen zu bereisen. Ganze Erdenversionen hat Reschiems Regime dort unterworfen, um mit deren Hilfe dann unsere Erde zu erobern. Ich erinnere mich gut, wie ich das Rudine erklärte, die ja nicht ahnen konnte, wer Zacharias wirklich war. Denn Rudine ist nicht so doof, wie ich sie finde:

„Warum zur Hölle hat Reschiems Regime erst x andere Erden erobert, um mit denen dann unsere zu unterwerfen?! Ist doch irgendwie ein Umweg? Wenn ich mir vorstelle, einem Autor würde ein solcher Logikfehler unterlaufen, würde ich ihn für einen schlechten Geschichtenerzähler halten, der einfach keine Lust hat, bereits geschriebene Absätze wieder zu löschen, statt sich eine Begründung zurechtzubiegen!“

Klang erstmal logisch, doch Rudine hatte etwas Wesentliches nicht bedacht. Ich erklärte ihr also ausführlich, warum Rutztekostan gar keine andere Wahl hatte.

„Die Erklärung überzeugt mich! Entschuldige, Seppo, dass ich das angezweifelt hatte. Es war sehr dumm von mir. Ich werde nie wieder Dinge hinterfragen.“

Wie dem auch sei, Zacharias war im Auftrag von Reschiems Regime in Universum 2B unterwegs, um den Flotho 2000 zu testen. Das war Professor Noahs Chance, ihn zu sabotieren. Wie mithilfe Ordophob Ohßems rekonstruiert, muss Noah sich im Kofferraum des Flotho 2000 versteckt haben, um heimlich mitzureisen. Im Universum 2B hat er mutmaßlich dafür gesorgt, dass Zacharias nicht mehr zurückkehren wird. Vermutlich hat er ihn ermordet, damit er in unserem Universum die Loorbeeren für Zacharias‘ Forschung ernten kann. Rudine wäre nun nicht Rudine, wenn sie nicht auch darin wieder einen Logikfehler vermuten würde:

„Wie ist denn Noah zurückgekommen, wenn der Flotho 2000 noch in Universum 2B ist?!“

Ach, arme Rudine. Würde sie doch mal ein bisschen weiter denken! Ich erklärte ihr also auch das Offensichtliche.

„Du hast Recht, Seppo! Wie unvergleichlich blöd von mir!“

„Ja, ziemlich. Du Spackotante. Er wollte sich zurück auf unserer Erde in Rutztekostan für den Flotho 2000 feiern lassen!“

„Häh?! Wenn doch der Flotho 2000 zurückgeblieben ist, wie wäre er denn dann … und … was?! Das ergibt doch alles keinen Sinn.“

„Mit dem Flotho 3000! Und den müssen wir nun finden, um Zacharias zu suchen.“

Ich selbst wollte ihn an sich gar nicht suchen, da mir Zacharias egal ist. Aber Noah war mir noch unsympathischer als er und eines darf man nicht vergessen: Wenn Rudine verlustig ihres Freundes wieder solo ist, hätte sie wieder mehr Cait, mich zu nerven. Die Rückholung Zacharias‘ hat für mich somit absolute Priorität. Und nebenbei ist mir immer klar gewesen, dass sie nur deshalb mit Zacharias schläft, weil sie das Original, mich!, nicht haben kann. Und so traf es sich gut, dass mein Halbbruder durch einen kuriosen Zufall auch mein eineiiger Zwilling ist. Rudine:

„Moment, sorry, dass ich da auch noch nachhake. Aber wie soll denn das bitte gehen?!“

„Ach, Rudine, du Dummerchen …“, setzte ich meine Erklärung an, die sie abermals voll überzeugte.

„Ich bin echt nicht die Hellste, Seppo! Dabei ist es doch so logisch!“

Jedenfalls fanden wir vor einiger Zeit den Flotho 3000, der zu unserem Glück intuitiv bedienbar ist, worauf Zacharias bei all seinen Erfindungen Wert gelegt hatte. Und so reisten wir ohne groß über Risiken nachzudenken, ins Universum 2B.

„Wir dürfen auf keinen Fall unsere anderen Ichs dort treffen!“, sagte Rudine während der Reise. Und kaum angekommen, kaum die Tür des Flotho 3000 geöffnet, begrüßten uns Rudine 2B und Seppo 2B, die natürlich einigermaßen verdutzt waren.

„Pardon? Wer sind jetzt genau Sie?!“, fragte Seppo 2B, dem ich ansah, wie er unser Aussehen bewunderte.

„Oh, wie ungeschickt von uns“, sagte ich, „ausgerechnet hier zu landen. Hallo, Seppo 2B, du siehst aber gut trainiert aus!“

„Äh, danke, gebe ich so zurück.“

Weil Seppo 2B im Universum 2B genau so schlau ist wie ich, war ihm dann einigermaßen schnell klar, warum wir da waren. Auf die Weise musste ich nichts groß erklären. Seppo 2B hingegen musste mir eine Sache erklären:

„Nicht wundern, Seppo 1A, aber in diesem Universum 2B ist Rudine 2B meine Mitbewohnerin. Also, wir sind zusammen. Wir lieben uns.“

Nachdem ich mich maßlos übergeben hatte, fand ich mich mit dieser Abweichung ab. Denn das war mir ja immer klar: Irgendwo, so will es die Multiversen-Theorie, gibt es eine Erde, auf der ich mit Rudine Sex habe und den womöglich auch noch freiwillig.

„Hast du einen Blog?“, frage ich Seppo 2B.

„Einen Blog?! Wer sollte das lesen wollen?! Nein, ich bin E-Sportler!“

Also noch so eine Abweichung, mit der ich nicht rechnen konnte, sodass ich den Rechenschieber nahm. Mit diesem erklärte ich Seppo 2B und Rudine 2B, wie wir nun vorzugehen vorhatten. Auf unserer Suche waren wir nun zu sechst, denn zufällig kam nun auch Ordophob Ohßem 2B vorbei, der gerade sein Telefon bei Seppo 2B abholen wollte. Unser Ordophob Ohßem 1A dazu:

„Na toll, in diesem Universum habe ich also endlich mein Telefon gefunden!“


Was für ein sensationelles Abenteuer hat da bitte seinen Anfang genommen? Sowas geschieht, wenn man sich völlig gerädert in einen ICE nach Berlin setzt und caine Ahnung hat, was man schreiben soll! Und wo ich gerade hier bin: Manch Leser wird sich an die vergangene Geschichte vom Samstag erinnern. In jenem Tippspiel bin ich derweil von Platz vier auf den 14. abgerutscht. Knochen liegt auf fünf, Kollege Christopher auf 25. Es läuft schlecht für mich. In Universum 2B übrigens hat sich Deutschland 2B nicht für die WM 2B qualifiziert, regiert dort aber das Tausendjährige Reich. Dann lieber in der WM noch mitspielen und eine offene, freie und demokratische Gesellschaft genießen, auch wenn sie gerade von allen Seiten, idiotischerweise auch von innen heraus, torpediert wird.