Nur halb so nervig wie die derzeitige Hitze ist die Tatsache, dass jeder sich zu dieser äußern muss. Wobei ich eines sehr vermisse, namentlich die obligatorische Bild.de-Schlagzeile

„Saharahitze lähmt Deutschland – Kommt jetzt die neue Heißzeit?!“

in ihren alljährlichen Variationen als Abwechslung zu

„Schneewalze lähmt Deutschland – Kommt jetzt die neue Eiszeit?!“

Ich habe den Test gewagt, mich in meinen Toyota Yariswagen gesetzt und bin durch Frankreich und Spanien bis zur Straße von Gibraltar gefahren, wo ich eine böse Überraschung erlebte, denn jene Straße ist für Autos völlig ungeeignet. Also Rettungsring umgeschnallt, zügige 40 Kilometer geschwommen und nach einem Kamelritt in der Sahara angekommen. Thermometer in die Luft gehalten und 52 Grad gemessen. Kamel bestiegen, am Ufer angeleint, Rettungsring wieder übergezogen, kraulkraul, Auto bestiegen und zurück nach Mü-, pardon, Berlin.

Die Bild-Zeitung liegt also falsch, wir haben hier höchstens Deutschlandhitze. Die reicht mir aber auch schon, möchte mich zu ihr jedoch nicht äußern, weil ich diese ganzen – achtung, es folgt ein ganz hipper Begriff – memes dazu nicht mehr sehen kann. Wobei das strenggenommen falsch ist. Denn gerade weil sie einem überall begegnen, öfter als sonst, kann man sie ja überhaupt sehen! Erst ihre totale Abwesenheit führte doch erst zum Unvermögen, sie sehen zu können. Oder Blindheit. Können Sie mir folgen? Oder ist es zu heiß?

Ich habe nichts gegen diese „Gluthitze“ (Bild.de). Zumindest bis gestern war sie mir egal, ich genieße sie in Teilen sogar, weil es mir Spaß macht, meinem Körper im Freien sportliche Hochleistungen abzuverlangen, ohne dabei zu kollabieren. Ausgerechnet gestern, am einzigen sportfreien Tag der Woche, kollabierte ich gegen Abend, wobei mir zugute kam, dass ich da bereits im Bett lag, sodass mir der Kollaps fast entgangen wäre.

Alles halb so schlimm, den Großteil der kleinen Schwäche beschloss ich einfach zu überschlafen, sodass ich heute mein Leben unbekümmert davon fortsetzen kann. Und natürlich erwischte ich am Mittag einen dieser Taxifahrer, die meinen, auf das Einschalten ihrer Klimaanlage verzichten zu können. Um es mal deutlich zu sagen: Ich kann Menschen nicht tolerieren, die aus freiem Willen eine vorhandene Klimaanlage nicht einschalten! Mir ist klar, Klimaanlagen sind Umweltsäue, aber angesichts der jüngst prognostizierten Heißzeit weiß ich nicht, warum der Mensch sich ausgerechnet jetzt von dieser Technologie verabschieden sollte. Klimaanlagenbauern gehört die Zukunft!

Schon als ich auf das Taxi zuging, sah ich die offenen Scheiben und ahnte das Schlimmste. Auf ein anderes ausweichen? Unmöglich. Wer sich als Kunde schonmal der Taxireihung an einem Bahnhof widersetzt hat, weiß, dass er eine ganze Zunft gegen sich aufbringt. Also stieg ich ein und suchte den „A/C“-Schalter. Ich fand ihn. Und dessen LED leuchtete nicht.

Ich weiß, ich weiß. Als Taxifahrer sitzt man womöglich ungern den ganzen Tag vor einer Klimaanlage. Aber ich kann unmöglich Rücksicht auf mich und meine Mitmenschen nehmen, ich muss Prioritäten setzen. Aber ich war auch zu feige, darum zu bitten, die Fenster zu schließen und die Klimaanlage zu aktivieren. Ich setzte voll auf den Fahrtwind, was etwas naiv war, da wir mehr standen als fuhren und Fahrtwind sich genau nach diesem Sachverhalt zu richten scheint. Des Menschen Crux ist des Fahrtwindes Starrsinn.

Bei diesen Temperaturen, über die jeder ächzt, worüber ich wiederum ächze und daher mich nicht zu äußern möchte, wird man über einen langen Caitraum verteilt gekocht. Frösche, denen der Teich abhanden gekommen ist, würden wissen, was ich meine. Und weil ich halbgar im Taxi saß, musste ich mit meiner restlichen Energie haushalten. Dieser Energiemangel traf auf eine Aggressionsbereitschaft, die auszuleben viel Energie gekostet hätte, sodass ich zumindest äußerlich sehr ruhig auf dem Beifahrersitz saß, obwohl mir zu maßloser Unruhe zumute war. Immerhin gestand ich mir zu, meinen Kopf leicht angedeutet zu schütteln und dabei die Augen zu verdrehen, was aber für niemanden mangels Publikum sichtbar war.  So gesehen verschwendete Energie, wenn auch nicht viel, aber ich meinte, mich danach besser zu fühlen.

Der Taxifahrt voraus ging eine Fahrt mit der Regionalbahn von Brieselang in Brandenburg nach Spandau in Berlin. Hier lobe ich nun ausdrücklich die Deutsche Bahn, denn zumindest diese eine Klimaanlage war nicht nur eingeschaltet, man merkte ihr das auch an. Denn dieser Zugfahrt voraus ging ein Zwangsspaziergang vom Haus zum Bahnhof. 650 Meter. Keine Distanz, möchte man meinen, aber dennoch spürte ich am Gleis angekommen diese unsympathische Feuchte zwischen meinen Beinen und Pobacken. Offenbar muss bei dieser extremen Hitze selbst der Schließmuskel gekühlt werden, obwohl man doch meinen könnte, dass der Körper kein schattigeres Plätzchen zu bieten hat. Nicht umsonst spricht man von dieser Körperöffnung, deren Pförtner er ja ist, als jenen Ort, wo die Sonne nie hinscheint.

Ich habe mich der Hitze ergeben. Ich wusste, rund zwei Stunden später würde ich unter der rettenden Klimaanlage sitzen, bevor ich allerdings drei Stunden lang in einem Fernsehstudio stehen würde. Unter Lampen. Scheinwerfern. Vielen Scheinwerfern.

An dieser Stelle Dank an mindestens zwei meiner Leser, die ich gestern im Rahmen der Sendung wiedertraf. Vielen Dank fürs Einschalten. Ihr habt Euch ein Bild davon machen können, an welchen Stellen ich schwitzen kann!

Bei einem einstündigen Lauf bei dieser Hitze verliere ich bis zu drei Liter Flüssigkeit. Man kann das leicht messen, indem man sich vor- und nachher auf die Waage stellt. Wer ernsthaft glaubt, Laufen sei ein Sport zum Gewichtverlieren (Er ist das nicht! Aber Abnehmen sollte auch nicht die Motivation zum Laufen sein.), der kann sich in diesen Wochen bestätigt fühlen. Doch die verlorene Flüssigkeit, die hat man innerhalb von ein, zwei Stunden wieder durch neue ersetzt.

Der menschliche Körper ist im Sommer scheinbar so effizient wie ein SUV, was Verbrauch und Nachtanken angeht. Schon seit meiner Jugend schwitze ich wie ein Schwein – so deutlich muss ich es sagen – und der Sport hat das nur verschlimmert, da Sport alles und damit auch die Schweißdrüsen trainiert. Doch dafür sollte man dankbar sein. In dem Moment, wo man bei 40 Grad nicht schwitzt, hat man die Schwelle zum Hitzetod erreicht. Um sie nicht zu überschreiten, sollte man einen Notarzt alarmieren. Und diese Information ist der erste Mehrwert für den Leser, den das seppolog jemals geliefert hat! Und das bei dieser Saharahitze!

Übrigens, in Münster regnet es bereits!