Verehrter Leser, suhlen Sie sich in Ihrem unermesslich maßlosen Glück, in diesen Augenblicken, da Sie diesen Text neu- wie wissbegierig einsaugen, an meinen Gedanken teilhaben zu dürfen, wobei ich ganz marktunkonform auf jedwede Gegenleistung verzichte!

Aber sind denn des Autors Gedanken frei von Wert?, werden Sie fragen, ob denn Gedanken so beliebig seien, dass man sie nun schon verramsche?!

Gewiss nicht. Doch Sie kennen mich seit nunmehr mehr als drei Jahren und wissen leidlich, dass ich bislang stets eine Gegenleistung Ihrerseits verlangt habe. Auf diese Weise haben mir viele von Ihnen immer wieder den einen oder anderen Groschen zugesteckt, wenn Sie die Ehre hatten, mich einmal in real life zu treffen. Es ist nun an mir, etwas zurückzugeben.

Und da ist auch schon der erste Gedanke gewesen: in real life. Das sagt man nämlich so. Wobei ich jüngst gesagt bekam, dass man das inzwischen doch nicht mehr sage, es sei bereits wieder out. Ich bin kürzlich und überstürzt um ein Jahr gealtert – nicht schlagartig, jedoch verstrich der entsprechende Stichtag -, und stelle ohne Gram fest, dass ich mehr und mehr zu denen gehöre, die verwundert auf die Generation unter meiner blicken, weil ich sie nicht verstehe. Was freilich auch ganz einfach daran liegt, dass sie verlernt oder gar nie gelernt hat, ordentlich mit der Muttersprache umzugehen, sodass ich mich von Sprachbehinderten umgeben glaube. Das jedoch ist ein Irrtum. Jene Generation verzichtet aus freien Stücken weitestgehend auf Grammatik und deutsche Vokabeln. Ich habe mir angewöhnt, in „Gesprächen“ mit ihren Vertretern ein Wörterbuch bei mir zu führen, um ihnen damit eins überzuziehen, wenn mir danach ist.

Folgen Sie mir nun zum zweiten Gedanken, doch lassen Sie mich vorher einen Kaffee aus dem Bortbistro holen.

Blende … Aufzugmusik … Bordbistro, Wagen 25

„Hallo, ich hätte gerne ’nen großen Kaffee zum Mitnehmen.“

„Darf ich Ihnen einen Kaffee Crema anbieten?“

„Ja, sicher.“

„Das sind dann drei Euro siebzig.“

„Siebzig? Waren es nicht immer fünfzig?!“

„Ja, für den normalen Kaffee. Das ist jetzt Kaffee Crema. Der is’n bisschen teurer.“

„Aber ich wollte doch einfach nur einen großen Kaffee.“

„Sie sagten, ich dürfe Ihnen einen Crema anbieten!“

„Ja, anbieten! Sie dürfen mir alles anbieten! Aber das bedeutet ja nicht, dass ich mich auf den Handel einlasse! Aber nun gut, ich bin heute großzügig. Schreibe gerade in Wagen 21 einen Text, da geht es um kostenlose Teilhabe an-“

„Danke. Gute Reise noch!“

Blende … keine Musik mehr … Wagen 21

Wie Sie nun völlig kostenfrei mitbekommen habe, sitze ich mal wieder im ICE, der sich nicht unbedingt zielstrebig gen Düsseldorf bewegt. Wobei der Begriff „Bewegung“ im Zusammenhang mit der Deutschen Bahn einem eine mutige Assoziation abverlangt, da wir auffällig häufig im Niemandsland stehen. Nun, ich übe mich in Geduld, denn heute fahre ich schwarz und so gesehen steht es mir nicht zu, den für mich kostenlosen Service der Bahn zu kritisieren. Zudem bin ich etwas angespannt, weil ich eine baldige Fahrkartenkontrolle befürchten muss. Doch ich bin vorbereitet: Bei „Deiters“, einem Karnevals-Zubehör-Geschäft in Düsseldorf, habe ich mir vor der Abreise Anfang der Woche ein Kofferkostüm gekauft, welches ich mir nun schnell „überwerfe“, denn man wirft ja manch Kleidungsstück „über“, also in die Höhe, um sich dann darunterzustellen, damit es auf einen drauffällt, um dann zu bekleiden. Als Koffer verkleidet, lege ich mich dann einfach auf die Gepäckablage. Und sofern Sie „Teilchen“ suchen: Die finden Sie auf der Gebäckanlage. Kurz:

Gepäckablage=Zug
Gebäckablage=Bäcker

Überlege gerade gut gelaunt, gleich einen Zugbegleiter zu fragen, wo denn diese Gebäckablage sei, über die hier jeder spricht …

Kommen wir aber nun zu meinem zweiten Gedanken, denn Vorangegangenes waren nur Gedankenfetzen, die ich Ihnen ohnehin niemals in Rechnung stellen würde.

Zuhause erwarten mich Geschenke. Zwei, soviel ich weiß. Das eine ist mir unbekannt, das andere jedoch nicht, denn ich erwischte meine Mitbewohnerin zu Beginn dieser historischen Woche dabei, wie sie es in unsere Wohnung schmuggeln wollte. Es handelt sich bei dem Geschenk um einen Barren. Nicht um einen Gold-, sondern um einen Sportbarren.

Sabrina USA, eine Freundin, die mit Melanie Chorweiler, einer weiteren, in Irland studierenden Freundin, absolut nichts zu tun hat, fragte mich schon einige Male, wo ich meinen ganzen Sportgeräte eigentlich unterbrünge. Das ist tatsächlich ein kleines Problem, bevor wir in Münster demnächst eine Wohnung mit „Sportzimmer“ beziehen werden. Bis dahin stehen meine zahlreichen Kugelhanteln auf der Fensterbank des Wohnzimmers, ist die Hantelbank der Couchtisch und steht alles andere einfach im Weg rum. Die größte Gefahr geht dabei vom Medizinball aus, der sich immer wieder weigert, auf der senkrecht placierten Faszienrolle zu verweilen und so im Dunkeln zu einer ungünstigen Stolperfalle wird. Die Kurzhanteln sind ebenfalls über den Boden verteilt, wobei die Langhantel deren Grenzen absteckt. Ebenfalls im Weg herum stehen der Minibarren, der ja nun einen großen Bruder bekommt, und die TRX-Schlingen, in denen sich schonmal ein Hund, der bei uns zu Gast war, stranguliert hat. Kurzum: Es ist voll in unserer Wohnung und mir unklar, warum meine Mitbewohnerin mir überhaupt den neuen Barren zugesteht, denn der steht jetzt wirklich mal im Weg. Er hat die Ausmaße eines Wäscheständers, und der ist in unserer Wohnung bereits ein Störfaktor. Mir ist völlig verschleiert (AfD-Bots schlagen an dieser Stelle an!), wo ich diesen Barren gleich placieren werde.

Aber, und das ist sicher, ich freue mich auf den Zusammenbau dessen, der in einem Karton geliefert wurde, den meine Mitbewohnerin unmöglich an mir vorbeischmuggeln konnte, als ich ihr die Tür öffnete.

„Dass du mir auch immer die Tür öffnest!“

„Ist doch ein toller Service! Ein echter Mehrwert des Zusammenlebens mit meiner liebenswerten Person!“

„Ja, aber heute ist schlecht.“

„Was ist in dem Karton? Mein Barren?! BEKOMME ICH WIRKLICH MEINEN BARREN?!“

„Geh in die Küche! Und Freitag bist du gefälligst überrascht!“

„Ob ich ihn heute schon zusammenbauen kann?!“

„Du hast noch nicht Geburtstag!“

Dieser liegt nun hinter mir, sodass ich das Recht auf Zusammenbau auf meiner Seite weiß.

Ob wir noch Zeit für einen dritten Gedanken haben? Für einen kurzen, ja. Ich werde, nachdem ich mich am Barren werde erschöpft haben, mich nach einigen Jahren des Pausierens wieder in Kishon-Lektüre stürzen. Vor Kurzem sah ich bei „Arte“ eine sehenswerte Doku über diesen humorigen Mann erstaunlichen Geistes, der so deutlich macht, woraus sich Humor irrigerweise speisen kann. Einige ungelesene Werke stehen sogar noch in meinem Regal. Und ich hege Interesse an dem neuesten „Pu, der Bär“-Film, der sich ja eher der Figur des Christopher Robins annimmt. Dieser wiederum hatte ein getrübtes Verhältnis zu seinem Vater, dem Schöpfer dieses mich faszinierenden Figurenuniversums. Überhaupt, viele Kindergeschichten kratzen am Rande der Genialität. Weil Kinder eben auch ein dankbares Publikum sind, dem Logik egal ist. Mit ihnen im Blick kann man sich ungebremst die kuriosesten Dinge und Figuren ausdenken, da man sie nicht rechtfertigen muss. Kinder nehmen den depressiven Esel einfach so hin. Neid zerfrisst mich ob dieser großen Autoren, die so einfache Dinge schreiben – auf die man aber erst einmal kommen muss!

Die letzten zwei bis drei Fahrtstunden verbringe ich gedankenbetrunken bei musikalischer Untermalung von Johannes Brahms. Hau in die Tasten, Johnny!

In diesem Sinne,

Ben Gurion!