Im Büro genieße ich den Luxus eines Schreibtisches, der sich in der Höhe verstellen lässt; ich würde sagen, zwischen 40 und 200 Zentimeter ist alles drin. Das kam mir heute zugute, da ich kürzlich beim Duschen etwas an mir erfühlt habe, was weniger Lust als Unbehagen in mir weckte: eine Erhebung mindestens in der Größe des Saarlandes, das es ja nur deshalb gibt, um als Maßstab für Dinge in der Größe des Saarlandes herhalten zu können, an meinem Podex. Rechte Hälfte, unten, leicht außen.

Mir war natürlich sofort klar, dass es sich um einen Tumor handeln musste. Und da ich unweit der Uniklinik mit einer fantastisch sanierten Notaufnahme wohne, zog ich in Betracht, mich dort sämtlich möglichen Untersuchungen zu unterziehen.

Doch da ich weiß, dass ich schon so manches Mal vorschnell mit eigens diagnostiziertem Tumor Notaufnahmen aufgesucht habe, rief ich mich zur Vernunft und installierte zwei Spiegel dergestalt, dass ich mich von allen Seiten betrachten konnte – in etwa so wie in einer Umkleidekabine, wo man ja auch sehen möchte, ob die zu erwerbende Hose auch am Popo richtig sitzt. Mir ging es aber nun um den Saarland-Tumor, der sich dann bei näherer Betrachtung doch nur als immerhin monumentaler Pickel entpuppte.

Ich zögerte nicht lang und legte Hand an. Eine Fontäne gelben Eiters schoss durch unser Badezimmer begleitet von einem unfassbaren Schmerz, ja, mir wurde sogar schwindelig, sodass ich mich am Rand der nicht vorhandenen Badewanne abstützen musste. Kurz hatte ich den Eindruck, sämtliche Gedärme bahnten sich ihren Weg durch diesen Krater, der nun meinen Podex nicht nur schmückt, sondern auch an dessen Hauptaufgabe hindert: am Sitzen.

Ich kann es nicht. Ich kann derzeit nicht sitzen. Und so war es mir heute eine gewisse Erleichterung, vor jenem Schreibtisch nicht sitzen zu müssen, sondern stehen zu können. Im Zuge dessen fiel mir auf, dass man, sobald man stehend am Tisch arbeitet, sich fühlt wie ein kreativer Mitarbeiter einer fancy Werbeagentur. Vermutlich sagt man nicht mehr „fancy“. Und weil ich eben nicht weiß, was man heute so sagt, arbeite ich eben nicht in einer Werbeagentur. Wobei ich – jetzt kann ich es ja endlich mal sagen – vor vier Monaten etwa in einer solchen „probearbeitete“. Ich bekam zwei Aufgaben: So sollte ich mir einen Namen für einen Platz in Albstadt (Baden-Württemberg) ausdenken, der seinen eigentlichen Namen „Eisplatz“ verlieren sollte. Ich hatte ziemlich gute Ideen, um vor einigen Wochen feststellen zu müssen, dass sie ihn ganz kreativ „Europaplatz“ genannt haben. Kann der Leser googlen, es stimmt. „Europaplatz“ war mir zu einfach gewesen; ich schlug es erst gar nicht vor. Mit „Hindenburgplatz“ hat man in Münster nicht ganz so gute Erfahrungen gemacht, sodass ich viel bessere Vorschläge hatte.

Zweite Aufgabe war das Schreiben eines „Funkspots“, wie sie Radio-Werbespots dort nennen. Ich verrate nicht das zu bewerbende Unternehmen, deute nur an: Volksbank. Ich dachte mir fünf Varianten aus, fünf davon wurden an eine Funkspot-Agentur geschickt – sie fanden sie alle gut. Und ganz überheblich sage ich: Hat mich nicht überrascht.

Die Agentur entschied sich gegen mich. Gottseidank übrigens. Obwohl sie einen Quereinsteiger gesucht hatten, störte sie, dass ich ein Quereinsteiger gewesen wäre. Und zwischen den Zeilen wurde mir mitgeteilt, dass ich mit 39 Jahren zu alt wäre. Dabei hatte ich nicht einmal das Wort „fancy“ benutzt.

Inzwischen bin ich 40 und mit dieser Aussage breche ich mit einer großen seppolog-Tradtion, mein Alter im Unklaren zu lassen. Geburtstage sind für mich persönlich unerheblich – zumindest die eigenen -, doch machte ich beim 40. eine Ausnahme. Während um mich herum bereits 30-Jährige mit ihrem „Alter“ kokettieren, behaupte ich, dass man auch mit 40 natürlich nicht alt ist. Soll ich mit 40 jammern, während andere das 40. Lebensjahr womöglich gar nicht erreichen?! Ganz im Gegenteil: die 40 hat was. Das klingt endlich mal nach Mann! Gut, jemand wie ich, der aussieht wie 30, der hat natürlich leicht reden. Kürzlich wurde ich beim Kauf von Captain Morgan nach meinem Ausweis gefragt, was aber wohl eher mit dem Hausverbot zu tun hatte …

Während diese seltenen Zeilen ihren Weg auf das Papier finden, sitze ich auf einem „Pezzi“-Ball. Da der etwas nachgibt, kann sich mein Krater schmerzfrei in das feste Gummi hineinbohren: Ball und Pickel sind komplementär. Und dass ich überhaupt hier wieder sitze und schreibe, hat einen Grund: Ich habe Lust dazu. Ich sage aber direkt, dass es eine einmalige Geschichte bleibt, denn jetzt schon vergeht mir diese Lust bereits wieder, zumal ich bemerke, dass ich auf die Metaebene abgleite, was allerdings im seppolog wahrlich nichts Neues ist.

Es begann gestern damit, dass ich in einem anderen Rahmen etwas gebloggt habe. Gebloggtes ist ja im Grunde nur Geschriebenes, das in einem Blog veröffentlicht wird. Das Thema war eine gewisse Herausforderung, da es zum einen überhaupt nicht um mich ging und zum anderen nicht unbedingt für jedermann interessant ist, wobei ich selbstredend weiß, dass das für das seppolog ja auch zutrifft. Überhaupt habe ich in den zurückliegenden vier Monaten Dinge wie SEO oder Werbung für diesen darbenden Blog vernachlässigt, sodass ich durchaus gespannt bin, ob dieses überhaupt gelesen wird. Selbst die Zahl meiner Abonnenten hier habe ich dermaßen aus den Augen verloren, dass ich ihr Sinken gar nicht beziffern kann. Weil’s mir erfrischend egal ist. Überhaupt sind mir Dinge egal, die es noch vor Monaten nicht waren.

Beispielsweise habe ich mich von Facebook verabschiedet. An sich verachte ich es, wenn Menschen damit hausieren gehen, dass sie ja keine sozialen Medien nutzen. Das finde ich fast so schlimm, wie Menschen, die immer wieder betonen, dass sie nur Fleisch aus der Region essen und ein dunkelhäutiges Patenkind in Sachsen haben, dem sie monatlich fünf Euro überweisen. Darum fasse ich mich kurz. Facebook erfüllte für mich ohnehin nur noch einen Zweck: das Verbreiten dieses Blogs. Das hat sich erübrigt. Und dann war da noch die den Stammlesern bekannte Sabrina USA. Die war nicht, die ist auch noch! Um mit ihr zu kommunizieren, fanden sich aber andere Wege. Was letztlich blieb, war zielloses Rumgeklicke in meiner Facebook-Chronik und eine dort zu findende Diskussionskultur, die unserer Gesellschaft jetzt schon enormen Schaden zugefügt hat – und zwar nachhaltigen. Ich gönne mir den Luxus, davor künftig die Augen zu verschließen, um Kraft dafür aufzusparen, mich über Menschen aufzuregen, die Nazis zu einer starken Kraft in einigen unserer Landesparlamente gemacht haben. Und das obwohl wir es besser wissen könnten.

Mein Weggang von Facebook zum einen und das Ende dieses Blogs zum anderen haben mich in gewisser Hinsicht befreit. Ich konnte mein eigenes Geschreibsel nicht mehr ertragen. Die ewig gleiche Leier, der immer selbe Duktus und das ständige Draufhauen auf die AfD. Langweilt mich jetzt auch schon wieder! Aber das darf freilich kein Grund sein, sich des Themas zu entledigen.

„Vielleicht blogge ich am Wochenende mal wieder, wenn du weg bist“, sagte ich gestern Abend noch zu meiner Mitbewohnerin.

„Ja, wenn Dir die Decke auf den Kopf fallen sollte, warum nicht?“, sie dann.

Als würde mir jemals die Decke auf den Kopf fallen können, wo ich doch mit Muße sehr gut umgehen kann! Eher fällt mir eine Hantel auf den Kopf. Darf meine Mitbewohnerin gar nicht lesen eigentlich, aber kürzlich verfehlte meinen Kopf eine 22,5-Kilo-Hantel um nur wenige Zentimeter. Ich hatte mich da etwas verkalkuliert, so rein kraftmäßig. Es gibt immer diesen einen Punkt, wo der Muskel restlos versagt. Der ist ja auch das Ziel manch Trainingseinheit. Wichtig ist nur, dass man diesen Punkt realisiert und passgenau die Hantel wieder ablegt. Ich sollte mir über Tumoren weniger Sorgen machen als über Hantelunfälle.

Ach, übrigens, ich erwarte heute eine Lieferung von 15 Unterhosen. Die habe ich vergangene Woche bestellt, während ich Rumcola genossen hatte. Erst am Folgetag realisierte ich, dass die Anzahl von 15 möglicherweise etwas zu hochgegriffen war. Aber gut, so könnte ich jetzt mehrere Plinten gleichzeitig anziehen, um mein Saarland etwas zu polstern.

Bei der Gelegenheit darf ich Stammlesern noch mitteilen, dass meine Mitbewohnerin und ich nach wie vor über keinen neuen Kleiderschrank verfügen. Der Umzug nach Münster jährt sich in zwei Wochen, sodass wir seit einem Jahr ohne Schrank sind. Aber: Wir haben inzwischen einen bestellt! Lieferzeit: zehn Wochen. Habe mal gegoogelt, „Lieferzeiten Höffner“, Ergebnis: gerne auf ein halbes Jahr Wartezeit einstellen. Damit uns das mit dem neuen Sofa nicht auch passiert, haben wir zumindest das woanders bestellt. Das neue Sofa sieht dermaßen fantastisch aus, dass ich mich keinesfalls mit einem Pickel am Podex draufsetzen darf. Wenn der ausgerechnet in dem Moment des sich Hinsetzens explodiert, gibt das hässliche Flecken auf dem eher hellen Stoff. Ein Mix aus Eiter und Blut – Bleiterfarbe.

Ich freue mich nun und abschließend auf die Kommentare jener Leserin, die seit Jahren nicht müde wird, mir zu unterstellen, ich würde ihre Wohnung mit Kameras ausspionieren, um hier ihr Leben niederzuschreiben. Das müsst Ihr Euch mal reinziehen: Vier Jahre lang habe ich E-Mails bekommen mit wüsten Drohungen und Anschuldigungen, die so unfassbar aus der Luft gegriffen waren (und gleich auch wieder sind), dass ich teilweise schmunzeln musste, mir teilweise aber auch sehr unwohl wurde. Viel verrücktes Volk da draußen – ich bin ganz normal. Was Münsteraner eben so sind.

Ich bedanke mich für die temporäre Aufmerksamkeit und stelle mich nun ans Fenster und warte auf den Lieferwagen von „Hermes“.

Vielen Dank für die Zuschriften seit April. Ja, ich habe auf keine einzige geantwortet! Aber ich weiß sie zu schätzen.

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