Lassen Sie mich schnell noch ein Glas befüllen, bevor es losgeht. Nicht etwa Captain Morgan ist heute mein Freund, sondern ein zuckerfreies, isotonisches Getränk aus dem „Aldi Nord“, der hierzulande offenbar eine Verkaufskonzession besitzt. Und das, verehrter Leser, ist ein weiterer Tipp bezüglich unseres Aufenthaltsortes. Eine Leserin konnte bereits gestern dieses Rätsel lösen, wobei ich diese bitten möchte, es nicht in den Kommentaren zu verraten, aber ich denke, sie lag goldrichtig, zumal es im gestrigen Text von Hinweisen zu diesen nur so wimmelte. So gesehen: Gratulation!

Das isotonische Getränk mit seiner vermutlichen Placebo-Wirkung habe ich bitter nötig. Nach der vorgestrigen 20-Kilometer- und gestrigen 26-Kilometer-Wanderung war heute eine Wanderpause angezeigt, da wir unsere Beine seit gestern durchaus spüren: ich eher in den Waden, meine Mitbewohnerin in den Hüftbeugern.

Doch passives Dasein liegt uns nicht, sodass wir heute wenigstens unserem Sport frönen wollten: ein paar Kilometer locker laufen hin zum einzigen calisthenics-Park dieser Region. Meiner akribischen Planung nach liegt dieser 4,2 Kilometer von unserer Blockhütte entfernt. Wir würden also insgesamt lediglich 8,4 Kilometer laufen. Ohne drumherumreden zu wollen, muss ich jetzt schon unumwunden zugeben, dass wir aufgrund einer Fehlnavigation meinerseits letztlich 16 Kilometer unterwegs waren, wobei mir die letzten vier in schmerzhafter Erinnerung bleiben werden.

Bereits auf dem Weg hin zu jenem Park glaubte ich, den Weg besser zu kennen als Google Maps, was im Nachhinein wirklich anmaßend war. Nachdem wir nach Kilometer sieben noch immer nicht am Ziel waren, wurde meine Mitbewohnerin leicht ungeduldig:

„Ich laufe ja gerne mit dir, wohin du willst. Aber ich beziehe das mehr aufs große Ganze, auf unser gemeinsames Leben. Im Kleinen habe ich in den vergangenen drei Tagen feststellen müssen, dass du trotz deines neuen Kompass‘ beim Navigieren eine Flexibilität an den Tag legst, die mit Navigieren nichts mehr zu tun hat.“

„Wäre ich der Steuermann der Titanic gewesen, sie hätte den Eisberg um Hunderte von Seemeilen verfehlt!“

„So wie wir gerade den Parkour-Park!“

Ich öffne Google Maps auf dem Handy und stelle fest:

„Wir sind im Wald. Allerdings im falschen. Ich habe die Grünflächen auf der Karte verwechselt. Wir müssen unseren Kurs korrigieren.“

Noch spielten unsere Körper mit, sodass ich Cait hatte, das zu tun, was ich mir für diesen Urlaub vorgenommen hatte: einen „Handstandwalk“ am Meer:

"Handstandwalk" an der Schnittstelle zwischen Land und Ozean.

Ein Handstand ist zu meiner Überraschung im Sand um Weiten anstrengender, was womöglich mit der andersartigen Abstoß-Kraft vom Boden zu haben könnte – oder einfach damit, dass meine Beine aufgrund der zurückliegenden Wanderungen schwer wie vier sind.

Finden Sie, dass ich damit angebe? Selbstverständlich gebe ich damit an! Ich habe fast zwei Jahre dafür trainiert! Ich wäre doch blöd, damit nicht hausieren zu gehen! Und bei Instagram kann ich es ja jetzt nicht mehr …

Nach acht Kilometern erreichten wir den … Parkour-Park.

Das ist jetzt der Parkour?!“, fragte meine Mitbewohnerin bass erbost.

„Nun … ja … also laut Reiseführer ist das der Parkour. Was für ein Reinfall …“

Ich mache es kurz. Der Park war eine riesige Enttäuschung. Er war – und betrachten Sie das gerne als weiteren Hinweis zu unserem Aufenthaltsort – einem „fernöstlichen Prinzip“ angelehnt, wie wir einer Hinsweistafel entnahmen. Die seltsamen Geräte erforderten keinerlei Krafteinsatz und setzten auf einen „ganzheitlichen Ansatz“, wovon man Fan sein muss, um sich einen Effekt einbilden zu können. Sind wir nicht, also kehrten wir um, machten uns auf den Rückweg.

Und dieser wurde zur Qual, denn nun meldeten sich unsere Körper. Naja, meiner. Mir schmerzten die Fußgelenke, die waren eindeutig überbelastet.

„Ich bin topfit!“, rief derweil meine Mitbewohnerin und ich überlegte allen Ernstes, ob dies bereits in unserem Altersunterscheid begründet lag. Ich hadere keineswegs mit dem Alter, im Gegenteil, ich empfinde das Älterwerden als interessant, wenn nicht sogar spannend. Dennoch gehe ich mit aller Macht und Motivation dagegen vor, dass ich in 20 Jahren, mit 60 also, unter alterstypischen Gebrechen leiden werde – soweit ich da Einfluss drauf habe. Ich will auch mit 60 noch den Handstand beherrschen und Halbmarathons laufen. Somit konnte ich mir diese Schwäche heute nicht leisten! Nach zwölf Kilometern des Joggens schon schwere Beine?! Das wäre neu.

Immer wieder blicke ich auf meinen Kompass, der die Entfernung (Luftlinie) zu unserem Startpunkt hin anzeigt. Vier Kilometer noch.

„Das ist weniger als die Promenade in Münster“, gab ich meiner Mitbewohnerin als Maßstab mit auf den Weg – ungefragt.

„Du immer mit deinen Promenadenvergleichen! Vier Kilometer können wir jetzt noch locker durchziehen!“

Es konnte nicht sein, dass ihr das so leicht fällt, während ich mich gerne in den Sand gesetzt hätte, um einen powernap zu machen. Wenn sie doch wenigstens jetzt einfach umknicken würde. Oder stürzen.

Nach 16 statt acht Kilometern erreichten wir unsere Hütte. Mir schmerzte ab Hüfte abwärts alles, nur abgesehen von den Teilen, die ich gar nicht mehr fühlte. Mein linkes Bein sackte auf den letzten Metern regelmäßig weg. Tönte ich nicht noch am ersten Urlaubsabend davon, jeden Abend möglichst erschöpft nach Hause zu kommen zu wollen?! Nun war es gerade mal 13 Uhr und ich zu cainem Schritt mehr fähig.

In der Blockhütte raffte es dann gottseidank auch meine Mitbewohnerin dahin.

„Ich sehe links nichts mehr“, informierte sie mich, was ein deutliches Caichen für Kreislauf war. Also für fehlenden. Ich war erleichtert. Es lag nicht an meinem Alter, es lag einfach daran, dass selbst ein Pausentag bei uns pausenlos ist.

Nach einer landestypischen Brotzeit – irreführender Hinweis – begaben wir uns in die Innenstadt, wo wir hemmungslos Geld ausgaben. So, wie es hier üblich ist. Und phänotypisch habe ich mich den Einheimischen bereits angepasst …

Morgen steht wieder eine Wanderung auf dem Plan. Nach allem, was ich errechnet habe, werden wir etwa 20 Kilometer wandern.


Auch das letzte war noch ein Hinweis auf unseren Urlaubsort. Vielleicht wird es nun langsam klarer. Sollten in den Kommentaren wider Erwarten Lösungsvorschläge kommen, so werde ich diese vorerst nicht kommentieren, erst dann auflösen, wenn es im Grunde sonnenklar ist! Bis dahin bleiben Ihnen noch mehr als 860 ähnlicher Geschichten auf www.seppolog.com!