Der siebente Tag unseres Urlaubes gehörte wieder ganz dem Sport, zumal auch die Bootsfahrt zu einer Robbenbank mit anschließender Robbenjagd am Morgen ja auch eine Form von Sport ist. Doch hier soll es um etwas gehen, was mir (zu meiner Schande) noch in meinem Lauf-Portfolio fehlte: Laufen am Strand.

Ich laufe im 18. Jahr und natürlich habe ich in dieser Cait schon Strandurlaube gemacht. Allerdings galt bis vor zwei Jahren: Urlaub ist lauffreie Zeit. Dieses sehr zähe Dogma habe ich erst 2017 über Bord geworfen – aus zwei Gründen. Zum einen ist doch das Laufen gerade an fremden Orten eine willkommene Abwechslung und zum anderen eine seltene Gelegenheit, beispielsweise wie vor zwei Jahren im Hochgebirge zu laufen oder eben am Strand, wie heute zusammen mit dem special guest in meinem Leben, meiner Mitbewohnerin. Und ich folge dem „Springer“-Konzern und präsentiere ein hochformatiges Video unseres heutigen Laufes:

Erstmals unzensiert im seppolog: sie!

Damit bin ich voll im Trend … Den zweiten Grund bin ich noch schuldig, den dafür, dass auch Urlaub nicht mehr Urlaub vom Laufen heißt. Sportfreie Tage empfinde ich inzwischen als verschenkt. Freilich gibt es auch bei mir die notwendigen Regenrationstage, allerdings ist Laufen durchaus Regeneration – beispielsweise im Bereich des Kraftsportes, den ich seit etwa vier Jahren intensiver betreibe. Laufen gilt als aktive Erholung, die der passiven – dem Nichtstun also – aus sportphysiologischer Sicht vorzuziehen ist: Auf dem Sofa rumhängen ist keine Erholung und schadet eher dem Training. Auf der anderen Seite gönne ich mir pro Woche ein bis zwei lauffreie Tage, die dann allerdings mit anderem Ausgleichssport gefüllt werden. Und ja, alle paar Wochen einmal ergibt sich die Konstellation eines absolut sportfreien Tages. Das jedoch sind Tage, die ich nicht immer genießen kann. Bewegung gehört inzwischen zu meinem Dasein. Sie bedarf nicht mehr der Überwindung eines inneren Schweinehundes, wie es noch in den ersten Jahren der Fall war. Selbst an Tagen nach einem richtig herzhaften Besäufnis mit meinem geschätzten Captain Morgan brauche ich den Sport; vielleicht gerade an solchen verkaterten Tagen, um möglichst schnell die Abbaustoffe des Alkohols noch schneller abzubauen. Zwar kann man Alkohol nicht ausschwitzen, aber man kann sich diesen Effekt zumindest einbilden!

Der Leuchtturm war unser Start- und Zielpunkt. Man erkennt ihn an seiner an Leuchttürmen angelehnten Optik.

Doch Alkohol spielte heute caine Rolle, zumal ich in diesem Urlaub noch nicht einen Schluck Alkohol getrunken habe. Eine gute Voraussetzung also für einen guten Lauf, nachdem wir in den vergangenen Tagen insgesamt und ziemlich genau 100 Kilometer gewandert waren. Nun war es Zeit, mir den kleinen Läufertraum des Laufes entlang dem Wasser zu erfüllen.

Der Lauf wurde zu einer Tortur.

Wir wussten natürlich, dass Laufen im Sand deutlich anstrengender ist als auf Asphalt oder Waldboden. Doch wie hart zehn Kilometer auf Sand werden würden, wussten wir nicht. Aber ahnten, das taten wir es schon.

Beim Laufen müssen die Füße mit jedem Schritt das Vier- bis Fünffache des eigenen Körpergewichtes tragen. Bei mir sind das 280 bis 350 Kilogramm, mit denen ich mich Schritt für Schritt in den Sand ramme. Bei mir als Vorfußläufer findet das klassische Abrollen des Fußes über den Fußballen statt. Auf Asphalt bedeutet dieses ein kraftvolles Abstoßen vom Boden – doch im Sand bohrt sich der Fuß dabei nur noch tiefer in den Sand. Die aus dem Aufprall gewonnene Sprungkraft, sie gibt es auf Sand nicht: Die Kraftübertragung von Schritt zu Schritt findet nicht statt – ein unerwartet heftiger und träger Hemmschuh, der massives Konditionsvermögen einfordert!

Glückliche Momente, wenn wir streckenweise härteren Sandboden gefunden hatten, auf dem es sich einigermaßen komfortabel lief.

Ich sah auf die Laufuhr. Immer wieder. Kaum Streckenfortschritte. Die Kilometer zogen sich wie leicht angetrockneter Schnodder. Bei Kilometer vier war ich der Meinung, dass wir nie und nimmer unsere zehn vollmachen würden. Nicht im gefühlt knietiefen Sand. Also mussten wir uns Mut machen, uns motivieren. Warum taten wir das gerade? Weil es Spaß machen sollte? Weil wir gazellengleich über den Boden schweben wollten? Nein! Eben nicht! Wir wollten es tun, eben weil es ein Kampf werden würde! Eben weil es hart werden würde! Eben damit wir am Ende … am Ende sein würden! Und wir riefen uns in Erinnerung, warum das Laufen in Sand (gerne auch barfuß) überhaupt sinnvoll ist.

Das musste zwischendurch sein: nicht am Strand, sondern auf einer Sandbank.

Nichts schult das Koordinationsvermögen des Körpers mehr als ein unberechenbarer Untergrund, auf dem jeder Schritt anders beschaffen ist. Nie kommt der Fuß monoton gleich auf. Mit jedem neuen Schritt landet er in einem anderen Winkel. Sehnen, Bänder und Muskeln können nicht ihre routinierten Abläufe abspulen, sondern müssen jedes Mal anders reagieren: 14.286 Schritte. 14.286-mal eine andere Situation für den Fuß und das oft unterschätzte zentrale Nervensystem, das in ungewohnten Situationen erst so richtig gefordert ist und aufblüht! Das schult Koordination und fordert permanente Kontrolle über den Körper, woraus sich eine stetige Körperspannung ergibt. Und das wiederum stärkt die Rumpfmuskulatur – der Körper lernt auf die Weise die natürlichste Form des Laufens! Sich dessen mit jedem Schritt bewusst machen motiviert ungemein. So machen Schnaufen, Schwitzen und Hecheln wieder Spaß, man genießt jeden Herzschlag, auch wenn man das Gefühl hat, die Pumpe explodiert jeden Moment. Doch sie tut, was sie tun muss, den Körper auf Hochtouren bringen.

Tetrapoden. Außerirdische haben sie einst hier zurückgelassen.

Das Unangenehme an einem Strandlauf ist, dass man permanent das Ziel sieht, das bei uns ein Leuchtturm war. Egal, ob fünf Kilometer entfernt oder zehn: Immer ist da dieser Turm, der nicht näherzukommen scheint. Jede Sekunde wird man daran erinnert, wie weit es noch ist – und wohin man auch sieht: Sand (Der Blick nach rechts bietet allerdings immerhin eine Alternative: Wasser.). Trotz der reichlich vorhandenen Seeluft war dies ein Lauf im anaeroben Bereich, was ein schöner Kontrast ist zu den aeroben Wanderungen der vergangenen Tage, die aber die Trainingsgrundlage für anaerobe Läufe sind. Die heute ihren Tribut forderten.

Nachdem wir unser Ziel völlig erschöpft erreicht hatten, fuhren wir zurück in unsere Strandhütte, und duschten heiß und ausgiebig, bevor wir dann „in die Stadt“ gingen, wo die am Morgen gefangenen Robben von unserem Robbenjagdkursleiter zubereitet wurden. Bergeweise Robbenfleisch füllten unsere Mägen, sodass eine urplötzlich einsetzende Müdigkeit die Folge war. Die lächerlichen zwei Kilometer Heimweg waren eine Qual. Wir sind fertig. Wir spüren unsere Beine. Wir spüren die Füße und zumindest ich spüre die Körpermitte, als läge eines meiner Core-Programme hinter mir. Alt werde ich heute nicht, der Körper verlangt nach erholsamen Schlaf. Bevor morgen die nächste Wanderung ansteht.

Abschließend und aus Chronistenpflicht noch ein, zwei Eindrücke von unserer Fahrt zur Robbenbank. Nimm mich mit, Kapitän auf die Reise, nimm mich mit in die weite, weite Welt …

Laufartikel haben im seppolog eine lange Tradition, obwohl sie thematisch dem Anschein nach gar nicht hier reinpassen. Doch tatsächlich waren viele der ersten Texte vor viereinhalb Jahren Texte zum Laufsport. Auch meine ersten Abonnenten kamen und kommen aus dem Läufer-Milieu. Da ich im inzwischen bereits im unlaublichen 18. Jahr laufe, hat das Laufen hier verdientermaßen weiterhin einen Platz! Aber es gibt auch mehr als 860 andere Geschichten auf www.seppolog.com!