Der Begriff „Sitzgruppe“ ist ein für mich humorig bedeutungsschwangerer und endlich passt er hier im seppolog auch einmal als Überschrift, war doch die Fernsehsendung „Sitzgruppe“ mein erster einer Reihe von großen TV-Flops, die aber allesamt großen Spaß gemacht haben.

Titelmusik, oder „Opener“-Musik, wie der Fachmann sagt, war im Übrigen der Soundtrack des „Schulmädchenreports“, einer ungleich erfolgreicheren Filmreihe, die ich als Pubertierender an manch Freitagen (23 Uhr zehn, Sat.1) mit regem Interesse verfolgt habe. Im Übrigen halte ich einen knallharten Porno heutiger Machart für für Kinder weit weniger verstörend als eben jene Filme.

Natürlich zitiert der Sitzgruppenbegriff die größte und ehrlichste deutsche Humorinstanz, Vicco von Bülow, und an genau den musste ich denken, als meine Mitbewohnerin und ich vor rund sechs Wochen unsere neue Couchgarnitur aussuchten, die wir zu allem Überfluss, um bei Loriot zu bleiben, mit einem mausgrauen Polster beziehen ließen, woraus nach der Logik der Figur Herrn Winkelmanns baldiger Suizid folgt.

Bis es so weit ist, werden meine Mitbewohnerin und ich aber nun in maximaler Oftmaligkeit auf diesem Sofa sitzen, dessen Eleganz unserem Wohnzimmer einen erlesenen Stil verleiht. Vorbei die Zeit der Jugend, wo alles provisorisch sein durfte, weg mit den Überbleibseln des Studenten-Stils – jetzt wird auf die Kacke gehauen, jetzt wird es endlich spießig! Immerhin bin ich stolzer Münsteraner.

Prunkstück der am zurückliegenden Wochenende gelieferten Sitzgruppe ist der Sessel, dessen Zweck einzig darin besteht, gut auszusehen, worin ich ihm ähnele. Für das Sitzen ist er mir an sich zu schade und so wird er auch nur dann besetzt, wenn wir Gäste empfangen. Das Privileg, ihn zu besetzen, obliegt dabei freilich nur dem Herrn des Hauses, also mir, da ich Angst vor Beschmutzung und Abnutzung durch den Pöbel habe. Nicht auszudenken, einer unserer ungepflegten Freunde würde sich mit seiner ordinären Straßenhose auf das emfpindliche Grau setzen, womöglich noch mit vollem Körpergewicht! Ich hingegen trage eine spezielle Sessel-Hose und deute ein Sitzen nur leicht an; insbesondere Frauen kennen die Andeutung von Sitzen von unter anderem Autobahn-Toiletten. Wobei squats eine sehr effiziente Übung sind und tatsächlich dem natürlichen Sitzverhalten des Menschen entsprechen.

Das obige Beitragsbild zeigt unsere alte „Sitzlandschaft“ am Donnerstagmorgen zwischen Vorgartenhecke und Bordsteinkante. Das schwarze Ungetüm wurde dem Sperrmüll anheimgestellt und ist nun Vergangenheit.

Siebeneinhalb Jahre ist es her, dass meine Mitbewohnerin und ich unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen und zu diesem Zwecke den schwarzen Moloch bei „Möbel Boss“ erstanden. Heute kann ich nicht mehr nachvollziehen, was uns zu dieser Geschmacklosigkeit getrieben hat.

„Das kann ich dir genau sagen“, interveniert gerade meine Mitbewohnerin, „Dir konnte das alles nicht schnell genug gehen!“

Und sie hat ja recht. Wenn ich ein Geschäft – egal welcher Art – betrete, ist oberstes Ziel, keinesfalls ohne erworbene Ware dieses wieder zu verlassen. Wer sich ergebnislos zu einem Einkauf bewegt, könnte ja gleich Zuhause bleiben. „Einkaufen“ impliziert das Abschließen eines Handels. (Übrigens schließen Geschäftsinhaber jeden Abend ein Geschäft ab, nämlich das ihre, wenn nicht sogar das ihres Lebens.)

Ebenfalls im Nachhinein ist mir auch unklar, warum wir damals glaubten, für 799 Euro sei der schwarze Kaventsmann ein Schnäppchen, der mehr als die Hälfte der Wohnfläche unseres alten Wohnzimmers in Beschlag nahm.

Während wir zu unserem Umzug nach Münster vor rund einem Jahr unseren alten Kleiderschrank in Düsseldorf zurückließen, nahmen wir das Sofa mit. Und ich darf Ihnen nicht ohne Stolz sagen, dass wir seitdem eine Wohnung bewohnen, die unserem Traum entspricht, sodass der schwarze Koloss bis zuletzt ein nur geduldeter Schandfleck unseres Palastes war. Als sich die Neumöbilierung unseres Wohnzimmers anbahnte, saß ich dem Irrglauben auf, dass ich ein neues Sofa bei meiner Mitbewohnerin auf keinen Fall durchbekäme, zumal wir nach wie vor keinen Kleiderschrank besitzen, der auch aus funktionaler Sicht durchaus Vorrang vor einer Couch hätte, da unser Kleidungsbestand seit nunmehr 13 Monaten auf provisorischen Blechregalen liegt, die uns wiederum zur Zeit im Keller fehlen.

Doch es begab sich, dass wir eines Morgens an dem Schaufenster von „RS-Möbel“ in Münster an der Möbel-Meile vorbeijoggten, wo uns eine Sofa-Komposition ins Auge fiel, die unseren gehobenen Ansprüchen mehr als genügte, zumal selbst ein Ottomane zu der Polster-Melange gehört, den wir ebenfalls mausgrau polstern ließen, da wir umgehend mit dem Möbel-Hersteller ins Geschäft kamen, während wir immer noch einigermaßen verzweifelt nach einem Kleiderschrank suchten. Den übrigens haben wir Ende August gefunden und geordert, allerdings reizt „Möbel Höffner“ offenbar seine Lieferfristen voll und darüber hinaus sehr aus, und nachdem ich diesen Zusammenhang genau denselben einmal gegoogelt hatte, weiß ich, dass ich mich eher auf Monate als auf Wochen des Wartens einstellen muss.

Umso mehr freute uns die schnelle Lieferung der Couch, die uns allerdings vor ein Problem stellte, das mich ausgerechnet zu einem Caitpunkt ereilte, zu dem ich unter enormen Einfluss der Nachwirkungen des Konsums von „Captain Morgan“ vom Vorabend stand. Denn plötzlich hatten wir am zurückliegenden Samstagmorgen zwei Sofen, einen Ottomanen sowie einen Sessel in unserem Wohnzimmer stehen, da wir unser altes Sofas aus komplizierten und hier uninteressanten Gründen nicht vorher entsorgen konnten.

„Ich breche zusammen“, war mein Kommentar angesichts der zu vielen Sitzgelegenheiten.

Vor allem das schwarze Trumm würde sich seiner Ausmaße wegen zu einem Problem für unser Treppenhaus entwickeln, fürchtete ich. Somit erging noch am selben Tag der Auftrag an meine Mitbewohnerin, das schwarze Monstrum in noch näher zu definierende Einzelteile zu zerlegen, die wir dann zum nächsten – heutigen! – Sperrmülltermin der Wohnung verweisen würden.

Ich selbst hätte gerne beim Zerlegen mit angepackt, allerdings schien es mir zu anstrengend zu sein, sodass ich es vorzog, bei einem herzhaften Mahl mir eine Dokumentation über Quantenphysik anzusehen, die mehr Fragen als Antworten aufwarf, während meine Mitbewohnerin schnell wie Quantenteilchen auf bohmschen Bahnen die schweren Sofa-Teile auseinandernahm.

Heute morgen um sechs dann das große Finale, der Transport des schwarzen Loches auf den Bürgersteig. Während ich eine knappe Woche lang darüber nachgedacht habe, warum wir den schwarzen Goliath niemals durchs Treppenhaus würden bewegen können, ohne dieses und uns dabei zu zerstören, war meine Mitbewohnerin gewohnt gelassen. Und da ich sie ja bereits seit 15 und mich seit 40 Jahren gut kenne, hoffte ich mindestens im Hinterkopf, dass es wie immer laufen würde: sie recht behalten und ich unrecht behalten würde. Und so kam es dann auch: Nahezu gazellengleich glitt das Herzstück des schwarzen Hünen die Stufen unseres Treppenhauses hinunter, ja!, kaum zu bremsen war es, wie ich feststellen musste, da ich am unteren Ende die Stange hielt. Und so lag es nun heute Morgen da dem eigenen bitteren Ende entgegen harrend, alldieweil ich mich auf ein verlängertes Wochenende freue, das ich in der Andeutung von Sitzen verbringen werde bei dem Sofa angemessener stilvoller Lektüre.

Verehrter Leser, ich danke abermals für das Lesen dieses Textes gerade in Zeiten, in denen sich Radikale aufmachen, unser System mit demokratischen Mitteln zu zerlegen, bevor wir dann von undemokratischen Mitteln zerlegt werden. So lange das Wort noch frei ist – ein Zustand, den ich allen Ernstes für zeitlich begrenzt halte -, sollten wir das Geschriebene genießen! Und zu diesem zählen auch mehr als 870 weitere Geschichten auf www.seppolog.com! Sie baden gerade Ihre Hände darin.