"Super Tisch!"

Gegen elf Uhr am Vormittag erreichte mich von meiner Mitbewohnerin eine Eilmeldung:

"Tisch ist da / Muss die Rollen aber dran machen"

Kurzer Exkurs: Wenn ich in Restaurants telefonisch einen Tisch reserviere, sage ich meist am Telefon so etwas wie „Ich würde gerne einen Tisch bestellen.“ Das mag inhaltlich nicht ganz korrekt sein und zurecht kommt jedes zweite Mal als Antwort meines Gesprächspartners der knaller Gag:

„Wohin sollen wir ihn liefern?“

Ist vermutlich so ein Gastronomie-Gag, der beim ersten Mal ja ganz humorig ist, aber inzwischen für mich ein Grund ist, das Telefonat wortkarg zu beenden. Aber gut, Restaurant-Tische bestellt man eben nicht, man reserviert sie.

Doch diesen Tisch haben wir bestellt, er ist die zweite von drei tragenden Säulen unserer neuen Wohnzimmerausstattung – nach neuem Sofa mit Sessel, bevor am Dienstag die dritte folgt und nachdem der alte Tisch unter der langjährigen Last meiner Langhantel weinend in sich zusammengefallen ist, da ich ihn als Hantelbank missbraucht habe:

Kein suuuuuper Tisch.

Und außerdem wollten wir uns tischtechnisch verkleinern.

Nun, ich kann nicht ausschließen, dass wir in genau dem Punkt versagt haben. Denn bereits bei der ersten Stelldichein-Probe mutmaßte meine Mitbewohnerin:

"Sie ist sehr groß, vielleicht sogar zu groß"

Sie sei möglicherweise etwas zu groß, warf meine Mitbewohnerin ein, wobei sie freilich nicht „die Tisch“ meint, sondern „die Truhe“. Denn wir wollten ja unbedingt eine Art Tischtruhe haben, in der wir unsere Gesellschaftsspiele verstecken können. Nach unserem Ableben könnte man sie weiter als Sarg verwenden, sofern wir nicht vorher schon in die unangenehme Situation geraten, eine versehentlich getötete Leiche dort zu verstecken. Folgende Situation ist ja mitnichten an den Haaren herbeigezogen:

Bei uns zu Gast möge Krolldoff sein. Eingefleischte Leser kennen Krolldoff als unseren Nachbarn von Gegenüber. Vor geraumer Cait versagte ich dabei, diesen Nachbarn als neue Figur hier einzuführen. Zwar hat das nie gefruchtet, doch seitdem heißt unser Gegenüber bei meiner Mitbewohnerin und mir nur noch Krolldoff, was natürlich nicht sein wahrer Name ist, den wir auch gar nicht kennen. Krolldoff sehen wir oft; man beobachtet sich gegenseitig durch das jeweilige Schlafzimmerfenster über die Kaiserstraße hinweg. Aber nun nehmen wir einmal an, Krolldoff wäre unser Gast. Und weil er gamer ist (wie ich oft genug sah), ist auch seine Affinität zu Brettspielen nicht unwahrscheinlich, um hier einmal das Klischee zu bedienen, ohne übrigens es zu werten. Genau das nämlich ist gerade nur in Ihrem Kopf geschehen, was für Ihre Vorurteile spricht. Die alle stimmen.

„Sollen wir vielleicht was spielen?“, fragt Krolldoff dann möglicherweise und löst damit bei mir einen Blutsturz aus, da ich gelinde gesagt nicht unbedingt ein Freund von einer solchen Beschäftigung bin. Ich würde auf seinen Vorschlag hin also einen stumpfen Gegenstand nehmen – eine Kugelhantel drängte sich dazu geradezu auf – und diesen mit einem gewissen Schwung auf seinen Kopf befördern – Krolldoffs Tod also die Folge und dabei die Frage aufwerfend, wohin nun mit dem Leichnam. In die Tischtruhe. Das perfekte Verbrechen. Natürlich nur solange niemand in der Tischtruhe nachsieht und Krolldoff keinen Schimmel ansetzt, was bei gamern – und hier freue ich mich über diesen kleinen Scherz, der sich aufdrängt – allerdings nicht unwahrscheinlich ist. Konstruierte Situation ende.

Mangels Zeit, zeitmangels, verzichtete meine Mitbewohnerin am Vormittag darauf, die Rollen an die Truhe zu dengeln, was einiges an Bohrungen mit sich brächte, und derzeit weiß niemand hier im Haushalt, wo das entsprechende Werkzeug abgeblieben ist, was auch für zwei Paar Laufsocken gilt sowie seit gestern Abend auch für eine Mütze meiner Mitbewohnerin. Da diese permanent ihre Mützen „verlegt“, wundert mich zumindest der Verlust nicht, wohl aber der meiner Laufsocken. Das letzte Mal sah ich sie, als ich sie vom Wäscheständer nahm und – wie man das mit Socken so macht – miteinander und ineinander zusammenrollte. Auf dem Weg zum provisorischen Kleiderschrank sind sie dann offenbar verloren gegangen. Dieses Rätsel wird Sie und mich hier mit Sicherheit noch länger beschäftigen, da ich als vorbildlicher Wäschemanager noch nie auch nur eine Socke verloren habe. Und glauben Sie mir, ich habe schon überall gesucht – seit zwei Wochen schon.

Als ich nun nach Hause kam, nachdem sie dieses verlassen hatte, bot sich mir also der Anblick der stellgebrobten Tischtruhe im Wohnzimmer, das nun herrlich nach Holz duftet. Schon seit das neue Sofa hier steht, duftet es sehr angenehmen naturverbunden, sodass ich darüber nachdenke, zu eruieren, ob es künstliche Duftstoffe gibt, die diesen Geruch exakt nachahmen, damit ich ihn hier versprühen kann, sobald das Original sich verflüchtigt hat. Für Autos gibt es sowas doch auch!

Jedenfallsauchimmer bin ich begeistert von der Truhe als solcher, gestehe mir im Hinterkopf aber schon unbewusst ein, dass sie zu groß sein könnte. Also rufe ich – alleine in der Wohung – mehrfach

„Suuuuuper Tisch!“

Denn ich muss ihn mir schönreden. Und auch üben für heute Abend, wenn meine Mitbewohnerin zurückkehrt und es möglicherweise wagt, den Tisch in seinen Ausmaßen in Frage zu stellen. Wenn ich dann ebenfalls auch nur den Hauch eines Zweifels andeute, hat die Tischtruhe keine Chance mehr. Also schrieb ich ihr eben bereits:

"super Tisch! wir müssen noch gucken, was wir unter dir Füsse machen. jetzt gerade sind Tempos drunter. damit ist er auch nicht mehr zu hoch..mit Rollen wäre er zu hoch.was für ein tolles Holz!"

Lassen Sie sich von dem Pink nicht ablenken. Meine Mitbewohnerin ist bei meinem Facebook pink („Hast du Facebook nicht den Rücken gekehrt?!“ – „Ja, habe ich!“), Sabrina USA (Freundin in den USA, da ich international vernetzt bin – so als Kosmopolit) grün. Man möchte meinen, das könne man nicht verwechseln. Ich schon. Erst vergangene Woche schrieb ich meiner Mitbewohnerin:

Sie können mir nicht mehr folgen, habe ich recht? Dann lesen Sie gefälligst etwas aufmerksamer! Wegen Ihrer fehlenden Konzentration wird dieser Text zum Rohrkrepierer! Suuuuuuper Text!

„Suuuuuper Tisch“ wiederhole ich auch jetzt noch. Und inzwischen glaube ich es sogar. Und es wird spannend für mich, wie es meine Mitbewohnerin heute Abend betrachtet, zumal der von mir beschlossene Verzicht auf die Rollen unter der Truhe dazu führt, dass diese nun deutlich niedriger steht. Sollte dieser Tisch heute Abend hier zur Disposition stehen, muss ich mich auf die Suche nach einem neuen Stellplatz für ihn machen, da ich nicht bereit bin, ihn wieder zurückzuschicken. Aus diesem Grunde besitze ich seit vielen Jahren ein Backblech, das zu breit für unseren Ofen ist. Ich habe es auch nie zurückgeschickt. Kann ja sein, dass wir irgendwann den passenden Ofen bekommen.


Abmoderation: Verehrter Leser, so kurz habe ich mich lange nicht mehr gefasst. Dafür gab’s ja ein paar Bilder. Herzlichen Dank für das Lesen dieses Textes. Ich wünsche ein angenehmes Wochenende. Ich werde es haben, denn ich habe Urlaub. Prüfungsrelevant sind auch die anderen mehr als 870 Geschichten auf www.seppolog.com!