Ziemlich genau ein Jahr lang habe ich nichts mehr geschrieben. Das ist zwar nur ein Einundvierzigstel meines Lebens, wobei ich die ersten fünf bis sechs Jahre dessen weitestgehend gar nicht geschrieben habe (anders als mein lange Jahre bester Kumpel Pavel, der die Anfangszeiten des seppologs ja sehr prägte: Der konnte schon vor seiner Einschulung schreiben, da er eine sehr ehrgeizige Mutter hatte.). Doch in den zurückliegenden schreibfreien Monaten hätte ich ja auch durchaus sterben können, sodass sich die Schreibpause bis auf Weiteres (Wiedergeburt) verlängert hätte. Jede Pause ist also immer ein Risiko.

Dieser Blog, der ja an sich kein Blog ist, sondern einfach nur eine Plattform, ein Medium, zur Verbreitung meiner Texte, deren Bedeutung ich durchaus realistisch einschätzen kann – und zwar nicht hoch -, entstand im Mai 2015, als ich mich noch in einer völlig anderen Lebensphase und -situation als heute befand. Ich möchte meinen, in diesem Lebensalter sind fünf Jahre nicht sehr wenig; es sind möglicherweise genau die fünf Jahre, in denen ich erwachsen geworden bin.

Kleiner Einschub dazu: Nachdem ich „die Medien“ verlassen habe, hat sich mein soziales Umfeld radikal verändert. Um mich herum werden nun Häuser gebaut und Nachwuchs produziert: alles erschreckend solide. Ich erinnere mich an eine Party im Herbst letzten Jahres, auf der meine Mitbewohnerin und ich recht verloren dastanden. Wir kannten niemanden – das war nicht das Probem -, aber die, die da waren, lebten in einer vollkommen anderen Welt, waren trotz gleichen oder teils sogar niedrigeren Alters „weiter“ als wir, aber auf jeden Fall „ernster“. Sie verhielten sich so, wie ich es von Erwachsenen erwartet hätte. Was sie aber ja auch waren! Es war ein Gefälle zwischen ihnen und uns. Ich kann es auch etwas wertender sagen: Wir fanden sie … langweilig. So würden wir nie sein wollen. Normalität verschließt die Augen vor den Möglichkeiten.

So gesehen bin ich nur im Verhältnis zu mir selbst „erwachsener“ geworden, einen gewissen Freigeist habe ich mir erhalten können und nach wie vor verzichte ich auf so einen zum Himmel schreienden Unsinn wie Fünf- oder auch nur Zweijahrespläne. Wir wissen, dass Planwirtschaft noch nie funktioniert hat. Was weiß denn ich, was in einem Jahr ist! Auch ohne irgendwelche Pläne haben sich die zurückliegenden zwei Lebensjahre zu den besten meines Lebens entwickelt. Ich habe auch erstmals wieder meinen Geburtstag gefeiert, da ich die Vierzig ziemlich geil finde! Und wer mir nun pflichtgemäß mit „Lebensmittekrise“ um die Ecke kommt, den kann ich nur ausschmunzeln. In die Krise stürze ich mich erst zum Lebensende, aber doch nicht mittendrin! Doch nicht dann, wenn alles exakt so ist, wie ich es mir wünsche! Ich fahre zwar kein großes Auto (Wozu auch? Ich passe mit meinen 180 Zentimetern auch in meinen Toyota Yaris und könnte sogar noch einen Hut aufsetzen.) und ich habe kein Haus (Hier ist das letzte Wort freilich noch nicht gesprochen!), was aber auch dem Umstand geschuldet ist, dass ich gerne mitten in der Stadt wohne. Dennoch könnte mir derzeit die Sonne nicht greller aus dem Allerwertesten scheinen. Ich weiß gar nicht, wohin mit meinem Geld. Und das weiß ich zu schätzen, denn: Es war mal anders.

Eine Stammleserin schrieb mir vergangene Woche anlässlich meiner „Rückkehr“, dass die wohl darin begründet liege, dass ich mich nun in Münster eingelebt und gefunden hätte. Ist da was dran?

Ich war zehneinhalb Jahre in Düsseldorf, was sich jetzt schon, zwei Jahre nach meiner Rückkehr, irreal anfühlt, sehr weit weg. Bereuen tue ich diese brotlose Cait nicht, denn erst das Schlechte zeigt einem den Wert des Guten. Dass aber dann auch noch zwei Jahre Berlin-Pendelei dazukamen, war zuviel des Schlechten, doch rückblickend waren das alles Ereignisse, die den Weg zurück nach Münster, in meine hochgeliebte Heimat, leichtmachten und ebneten. Ohne den miesen Job in Berlin wäre ich heute noch in Düsseldorf. Und ja, es gäbe Schlimmeres. Aber es gibt eben auch Besseres. Ich habe inzwischen gelernt, dass es sich auszahlt, für dieses „Bessere“ immer zu kämpfen. Kleines Alltagsbeispiel: Bei meiner Jobsuche war mir absolut wichtig, keinen großen Anfahrtsweg zu haben. Wenn ich schon neuanfange, dann nach meinen Bedingungen. Einen Job in Hamm schlug ich also aus – sehr zum Missfallen der Arbeitsagentur. Hatte damals ein, zwei schlaflose Nächte, die sich aber bezahlt machten.

Nun musste ich mich in Münster ja nicht einleben. Ich kannte Münster ja, war ja 30 Jahre vorher schon hier. Ich kenne hier allein vom Laufen jedes Viertel, jede Gasse. Jede bauliche Veränderung während meiner Abwesenheit hier war mir aufgefallen: Wir haben ja inzwischen einen kompletten neuen Bahnhof (Ginge es nach mir, ich würde Duisburg unseren alten spendieren.). Aber eine Sache, die stimmt dann doch: Eingelebt habe ich mich trotzdem irgendwie wirklich erst jetzt!

Nach meiner Rückkehr nach Münster hatte ich in meinen Texten krampfhaft versucht, meine „Figuren“ (Lara, Ehepaar Fahrgescheit, Ordophob Ohßem und so weiter) entweder auch nach Münster umzuziehen oder sterben zu lassen. Es folgte ein regelrechtes Gemetzel. Es sollten neue kommen, war mein Plan, unsere Münsteraner Nachbarn ins Spiel kommen, doch irgendwie gelang das nicht, war zu krampfhaft. Frau Fahrgescheit ersetzte ich einfach durch jene Eva, die uns wirklich gegenüber wohnt, doch die Parodie von Figuren, sie gelingt nicht auf Teufelkommraus: Alles, was gewollt ist, kann man direkt vergessen. Die Dinge brauchen ihre Zeit, müssen von sich aus kommen, sich entwickeln. Und vielleicht hat ja jene Leserin, Simone, so gesehen wirklich Recht: Ich musste erst einmal ankommen. Und das betrifft vor allem auch meine Jobsituation. Die nämlich ist erst seit rund drei Wochen endgültig geklärt.

Ich ging ohne neuen Job nach Münster, da mir klar war: Lieber arbeitslos in Münster als irgendeinen scheiß Job in Düsseldorf. So gesehen war ich schon mal zufrieden. Und nach rund dreieinhalb Monaten fand mich dann auch „schon“ ein neuer Arbeitgeber. Das mag für manchen nun ein langer Zeitraum sein, doch habe ich mich als Quereinsteiger beworben und ich kann Ihnen sagen, so ein Quereinstieg ist nicht ohne: Sie lernen alles neu. Sie fangen dort an, wo sonst Zwanzigjährige anfangen. Sie sind 40 Jahre alt und fühlen sich wie ein Praktikant, der die dämlichsten Fragen stellen muss. Sie werden belächelt von manch eingesessenem Kollegen, der deutlich jünger ist. Und Sie wissen: Er hat ja Recht. Aber es spornt auch an und irgendwann wissen Sie auch für sich selbst, wer eigentlich der Idiot ist. Und ich weiß, wovon ich rede, wenn ich prophezeien kann: Dieser Hochmut, diese Arroganz wird irgendwann einmal sich bitter rächen – und ich muss nicht einmal etwas dafür tun: Ich kann es mir von der Seitenlinie aus ansehen. Ich nenne das die „Laschet-Methode“, über die ich gerne mal schreiben würde, aber aus Rücksicht gegenüber diverser Mitmenschen nicht kann.

Mein Arbeitsvertrag war befristet. Das war in Ordnung, denn so einen Vertrag unterschreiben immer zwei. Dennoch war mir natürlich klar, dass ich irgendwann abermals auf Jobsuche werde gehen müssen, was mir unterschwellig immer präsent war. Kaum eingearbeitet wieder alles auf Null. Wieder neu einarbeiten … Und auch so etwas merkt man erst in der Rückschau: dass einen das dann doch belastet. Wirtschaftliche Sicherheit: Kenne ich erst seit drei Wochen. Zu wissen, was in einem Jahr ist – kenne ich erst seit drei Wochen. Entspannt Urlaub machen? Seit drei Wochen. Ohne Sorge ins neue Jahr starten? In drei Wochen.

Viel zu lang habe ich einen Preis bezahlt, der sich aber für den Ertrag heute durchaus gelohnt hat. Noch immer kann ich mein Glück nicht fassen, das aber nicht nur Schicksal, sondern auch Ergebnis eigener Anstrengungen ist. Es hat – wie alles in meinem bisherigen Leben – länger als bei den meisten anderen gedauert, aber dafür weiß ich es mehr zu schätzen.

Und womöglich musste das alles erst passieren, um wieder diesen Drang zu verspüren zu schreiben. Es geht dabei nicht darum, Menschen – also Sie! – mit irgendwas vollzusülzen. Es ist der Vorgang als solcher. Das, was in diesem Moment bei mir geschieht.

Es war etwa fünf Uhr 15 am Morgen, als ich zurückliegende Woche durch den Münsteraner Schlossgarten joggte (Wobei Stammleser wissen, dass ich kein Jogger, sondern Läufer bin!). Um die Zeit ist es dort stockdunkel, von Lichtsmog keine Spur. Hier muss ich das Tempo drosseln, genau hinsehen. Denn nicht jedes Schlagloch kenne ich und hier im Schlossgarten halten sich weder Igel, Kaninchen noch Schildkröten daran, die menschengemachten Fußwege nicht zu kreuzen. Unvergessen, wie mir mal ein Igel zwischen die Beine geriet. Ich bin sicher, der Igel hat das auch nich vergessen, hatte er doch den Schaden. Jedenfalls schwelge ich so in Gedanken und mir kam dieser brachliegende Blog in den Sinn. Und plötzlich war irgendwie vollkommen klar: Ich schreibe mal wieder was. Kann ja eine einmalige Sache sein. Mal gucken. Ganz unverkrampft. Thema wird sich schon finden. Hauptsache unverkrampft. Ungeachtet der Klickzahlen.

Und sofort war es wieder da, dieses beflügelnde Gefühl, das ich so lange nicht mehr hatte und dennoch war es vertraut. Auch jetzt in diesem Moment ist es wieder da. Mit der Vorfreude darauf, diesen Text morgen früh zu veröffentlichen. Ich habe es ohne zu merken vermisst, mir so einen Schwachsinn auszudenken wie „Detektiv Doppel-OO Ordophob Ohßem“, eine Geschichte, die ich erst nach der Veröffentlichung mit Fotos der Schauplätze versah, sodass die ganze Nummer einen ganz neuen Dreh bekommt.

Der Fokus dieses Blogs hat sich ohnehin schon vergangenes Jahr verschoben, das forciere ich nun. Meine Mitbewohnerin – einzige Konstante in meinem Leben – und ich haben inzwischen hier in Münster unsere Rituale gefunden und gelebt, sodass ich neuen Stoff habe für meine Ergüsse. Das Fundament ist erst jetzt vollendet, den Oberbau werden Sie hier miterleben. Da lasse ich mich auch nicht von irgendwelchen weltweiten Krisen beirren, die mich bislang kein Stück berühren und die hier auch nicht Widerhall finden werden. Ich meine: Da läuft es einmal bei mir so richtig, das lasse ich mir doch nicht von irgendwelchen Verwerfungen miesmachen. Und hier und da mal ’ne Maske aufsetzen, bisschen Abstand halten und mal nicht mit tausend Leuten ’ne Hochzeit feiern: Leute, Generationen vor uns hatten schon härtere Einschränkungen. Die Heulerei der so genannten Querdenker, Möchtegern-Sophie-Scholl inklusive, finde ich da nur absolut lächerlich. Reißt Euch mal zusammen: Ihr habt eine echte Einschränkung von Grundrechten doch noch gar nicht erlebt. Wobei ich finde, dass man sie in Eurem Falle durchaus einschränken sollte. Ist ja kaum zu ertragen, was Ihr da abzieht. Habt Ihr einen quersitzen? Schlecht geschissen? Fickt Euch und haltet die Klappe.

Ich schreibe also erstmal wieder und natürlich kann das kommende Woche schon wieder vorbei sein. Bis dahin aber genieße ich es und freue mich im Übrigen darüber, so viele bekannte Namen in der Kommentarspalte wiederlesen zu dürfen! Dafür vielen Dank.

Das Thema der Überschrift habe ich derweil verfehlt. Wie immer. Ich ändere sie aber nicht. Darum mag ich das Schreiben: Ich weiß im ersten Absatz nie, worum es im zweiten gehen wird.

Wenn Ihr jetzt auch noch meinen Podcast hört, den ich zusammen mit einem früheren Kollegen mache, werden wir gut miteinander auskommen. Und übrigens, das seppolog ist seit gestern auch bei Instagram.


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