Heute vor 16 Jahren, am 15. Dezember 2004 also, habe ich einen Menschen kennengelernt, der von meinen Eltern und meiner Schwester abgesehen mich über den längsten Caitraum meines Lebens begleitet hat – und dies weiterhin tut, so Gott will, und vielleicht darf ich das als Wunsch schon einmal vorwegschicken: Möge es auf immer so bleiben – bis ich widerrufe (Würde mir gerne dieses Hintertürchen offenhalten, reine Formalität …).

subabstenzzzz …

Keinem anderen Menschen war es bislang vergönnt, so lange Teil meines Lebens zu sein. Da gibt es weder Kumpel noch Weggefährte, der beispielsweise seit meiner Kindheit oder Jugend mit an Bord wäre – da ist niemand. So betrachtet ist es eine starke Leistung meiner Freundin, es bis heute an meiner Seite ausgehalten zu haben. Klingt nach dem üblichen understatement, das an so einer Stelle nicht fehlen darf und genau deshalb hier fehlen müsste, da ich Erwartbares verachte, doch meine ich das ganz ernst und unironisch: Anderen wäre meine komplizierte Art schon lange Anlass gewesen, um mich ändern zu wollen. Ihr nicht. Da wird nicht rumgekritelt, da wird nichts in Frage oder zur Disposition gestellt, da wird einfach mal akzeptiert. Für mich ein vollkommen naheliegendes Verhalten (das ich darüber hinaus nur von Sabrina USA kenne), denn Menschen lassen sich nicht ändern. Wenn mir die Eigenschaften eines Menschen nicht passen, dann muss ich die Konsequenz daraus ziehen und nicht rumnölen. Ich kenne es ja von mir selbst: Da gibt es – ich weiß, für Sie kaum zu glauben! – Eigenschaften an mir, die mich stören. Wenn ich aber nun nach vierzig Jahren feststelle, dass vierzig Jahre Kampf gegen diese Eigenschaften nicht zum Erfolg geführt haben, ziehe ich die Konsequenz und akzeptiere diese Eigenschaften. Passen mir Dinge an anderen nicht, diskutiere ich nicht rum, sondern ziehe auch da Konsequenzen: Wenn mir etwas an dem anderen nicht gefällt, dann ist es mein und nicht sein Problem, sodass ich nicht von ihm erwarten kann, sich mir zu Liebe zu ändern – was für ein Schwachsinn!

Besinnlichkahaaait …

2004, da ist lange her. Gefühlt zumindest, denn was sind schon 16 Jahre? Aber 2005, da war ich noch Student. Da durfte man das auch noch sein, während man heute ja Studierender sein muss. Laptops waren in Vorlesungen schlicht eine exotische Erscheinung, über die man sich lustiggemacht hatte, wohingegen ich annehme, dass heute jeder dort Sitzende einen vor sich hat. Auch war Powerpoint noch nicht weit verbreitet, meine Referate wurden durch den Tageslichtprojektor unterstützt. Die Noten von Klausuren holten wir uns noch im Prüfungsamt ab; in ellenlangen, ausgehängten Listen suchte man nach seiner Matrikelnummer – 281669 – und fand dahinter seine Note. Anmelden für Seminare: vor Ort, analog.

Phoatoashööööting …

2004, da war ich wie alt? 24, im weiteren Verlauf 25. Ich war 25, als ich sie das erste Mal traf. Aus heutiger Perspektive empfinde ich 25-Jährige als jung, als wirklich jung – vor allem im Kopf. Ich meine das nicht nur positiv. Die Arroganz des Älterwerdens schleicht sich bei mir ein: Müde belächle ich den Idealismus junger Leute. Auch Joschka Fischer hat mal Steine geworfen.

Verbo- …

Damals war ich nicht auf dem Höhepunkt meines Lebens, auch wenn gerade ein Mittzwanziger das zumindest biologisch sein könnte oder zumindest das von sich glauben könnte. Stimmungsmäßig war auch nicht unbedingt Party angesagt, da einige Dinge nicht so toll liefen. Beispielsweise wusste ich nicht ansatzweise, was ich nach dem Studium überhaupt machen sollte. Zudem hatte ich mit dem Kapitel Frauen an sich bereits abgeschlossen. Und genau dieser Punkt verlieh mir eine tiefe Egal-Haltung, als ich sie dann traf. Nicht eine Sekunde ging ich davon aus, dass sie Interesse an mir haben könnte. Meine Grundhaltung zu der Zeit schloss diesen Gedanken ganz grundsätzlich aus. Und so saß vor mir nicht eine Frau, sondern ein Mensch.

Hupe …

Ich weiß, diese Unterscheidung mag verwirren. Im Hinterkopf sollten Sie jedoch wissen, dass Männer Frauen überwiegend als Frauen betrachten. Das mag umgekehrt auch so sein, ist aber nicht meine Baustelle. Sollten Sie daraus Sexismus lesen, ist das Ihr ganz eigener auf mich projizierter. Wenn Sexismus heißen sollte, dass ich einen Unterschied zwischen Mann und Frau mache, dann bestätige ich Ihnen umstandslos: Ich bin Sexist. Denn natürlich unterscheiden sich Frau und Mann. Und wie ein Stecksatz ergänzen sie sich in aller Regel sehr gut, obwohl ich aus meiner ganz eigenen Erfahrung sagen muss, dass mich wundert, dass nicht mehr Männer mit Männern ins Bett gehen, da deren Verständnis untereinander reibungsloser zu sein scheint, was ich im Übrigen unter Frauen nicht so erkenne. Doch noch mal: Das sind meine Erfahrungen, Sie dürfen da gerne eigene, ganz andere haben (Nur sind die dann eben falsch.). Aber mir ist freilich klar, dass genau diese Reibungen den Reiz überhaupt erst ausmachen. Ich hingegen kann ganz gut ohne Reibungen. Konflikte lehne ich ab, sie nerven mich und ich lasse mich nicht mehr darauf ein. Es lebt sich befreiter ohne. Und dass habe ich heute als 41-Jähriger, der krankhaft stolz auf sein Alter ist, dem 2004er-Seppo voraus. Daraus resultiert eine Tatsache, die ich von hier im seppolog anlässlich dieses Jahrestages zum fünften Mal erwähne: Nicht ein einziges Mal haben wir in diesen 16 Jahren gestritten. Und das nicht etwa, weil wir Konflikte runterschluckten, bis wir uns irgendwann einmal gegenseitig umbringen, sondern weil wir sehr weitgehende Akzeptanz walten lassen.

stonefurter street

Es ist fast etwas banal, wenn ich Ihnen nun sage, dass ich sie auf einer Weihnachtsfeier traf. Das klingt nach Klischee, das klingt nach Arbeitskollegin. So aber war es nicht. Es war die Weihnachtsfeier vom Campusradio der Uni, bei dem ich damals die Nachrichten gesprochen habe – wie kein Zweiter dort -, wohingegen sie mit dem Uniradio nichts zu tun hatte. Aber sie war dennoch auf dieser Feier, was zu erklären nicht nur kompliziert, sondern auch langweilig wäre.

Schau …

Die Feier begann um 20 Uhr in der „Blechtrommel“ am Hansaring. Klar, dass ich schon 19 Uhr 30 als erster im gemieteten Saal war. Alleine natürlich, weil nur Idioten eine halbe Stunde vorher aufschlagen, denn die Coolen, die kommen erst gegen elf. Ich war auch mit 25 noch eher der wundersame Verschrobene. Eigenschaften, die ich heute zelebriere und nicht missen möchte, denn normal sind ja schon die anderen.

Ich hab dich …

Und genau deshalb ging ich davon aus, dass diese Frau, die später mir gegenüber sitzen sollte, natürlich kein Interesse an mir haben könne.

Einmal hattest du mich nicht …

Mit anderen Menschen komme ich meist nicht ins Gespräch. Wer mich als offen oder gar offenherzig beschreibt, muss betrunken oder geistesgestört sein. Treffe ich neue Menschen, sondiere ich zunächst. Ein bis zwei Jahre etwa. Ich beobachte. Während andere sich den Mund fusselig reden, lerne ich das neue Gegenüber erst einmal kennen, um dann fundiert zu entscheiden, ob es überhaupt lohnt, mit ihm zu reden. Meist tut es das nicht. Bei ihr allerdings war alles anders. Wir sprachen sofort miteinander. Auf einer Ebene, auf der ich unschlagbar bin.

ei- ei- eiliger aygoooo …

Es gab kein gähnend-langweiliges Bla-Woher-kommst-du-und-was-machst-du, sondern wir begegneten uns auf einer fiktiven Ebene. Wir konstruierten ohne jede Absprache eine gemeinsame Geschichte, obwohl wir uns zum ersten Mal trafen. Die erzählten wir den anderen am Tisch derart überzeugend, dass die uns abnahmen, dass wir uns seit Schulzeiten kennen würden. Ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden den Anfang machte, aber wir erinnerten uns gegenseitig an nie Geschehenes und wir sprachen von gemeinsamen Lehrern. Da ich damals schon fünf bis zwanzig Jahre jünger aussah, nahm man uns auch das gemeinsame Alter ab.

selbstgebauter Nachtschrank …

Erst als der Abend in der Jüdelfelder Straße seinen Fortgang nahm, unterhielten wir uns auf der realen Ebene. Und so erfuhr ich von Dir, dass Du gerade erst nach Münster gezogen warst und mich im Übrigen gerne wiedertreffen würdest. Anders als in den vergangenen Jahren spare ich mir dieses Mal die Schilderung meiner überstürzten Heimfahrt oder unseres Fahrradunfalles, auch wenn all das Erinnerungen sind, die uns gehören und an die wir noch in fünzig Jahren denken werden, wenn wir nicht mehr mit Fahrrädern, dann aber mit Rollstühlen ineinander krachen.

digitale Liste der Zerstörung …

Und so traf ich Dich noch vor meinem besten Weihnachtsfest aller Zeiten ein knappe Woche später. Vor „C&A“ in der Ludgeristraße waren wir verabredet und auch da war ich wie immer viel zu früh und hatte Zeit, darüber nachzudenken, wie Du eigentlich aussahst, denn das hatte ich komplett vergessen. Ich war in großer Sorge, Dich entweder erst gar nicht zu erkennen oder Dich letztlich auch nicht erkennen zu wollen. Wie wir wissen, kam es anders und auch zu diesem Zeitpunkt mir nicht in den Sinn, dass wir so eine Art Rendezvous hatten. Erst als wir gegen Abend im „Uferlos“ am Aasee saßen, kippte meine Stimmung – ins Romantische. Naja, und den Rest kennst Du ja. Denn dann ging es los mit den schlaflosen Nächten.

Dort ist niemand …

Der 15. Dezember ist nicht unser Jahrestag. Der folgt in rund drei Wochen. Denn viel mehr Zeit haben wir uns nicht gelassen. Ganz anders als bei anderen Dingen. Wir tragen zum Beispiel noch unterschiedliche Hausnamen. Beim Vornamen ergibt das ja Sinn, aber hinten auch? Und deshalb möchte ich Dich auf diesem Wege fragen:

Hast Du schon alle Weihnachstgeschenke oder soll ich noch online was bestellen? Gib mir einfach kurz Bescheid. Für Hannah habe ich schon was, für Jan aber noch nicht.

Flauschigkeit …

16 Jahre haben wir gemeinsam schon verbracht. Inzwischen haben wir uns auch etwas aufgebaut. Ist zwar übersichtlich, aber im Vergleich zu unserer holprigen Zeit zwischen Münster und Düsseldorf werden wir gerade das, was man gemeinhin solide nennt. Wir haben nicht nur fünf Jahre Wochenendbeziehung überstanden, wir haben auch zwei Jahre diese kack Berlinarschfotzenscheiße überstanden. Doch die war es erst, die uns wieder in Spur brachte, mich vor allem. Denn so ehrlich sind wir: Dir wäre das nicht passiert. Und erst vor zwei Jahren machten wir unseren letzten großen Schritt, der irgendwie einer zurück war, aber dann doch zwei nach vorn: den nach Münster, wo wir nun wohl sesshaft bleiben. Wir sind angekommen, wo wir angefangen haben. Erst jetzt, nach 16 Jahren, ernten wir die Früchte der Mühen. Jedes einzelne dieser Jahre ist wichtig gewesen, wichtig für das, was jetzt ist. Wie ich finde, hat sich das gelohnt. Und während alle darüber klagen, wie beschissen 2020 ist, haben wir das beste Jahr unseres Lebens! Wir wie immer: gegen den Strom.

Das Leben geht jetzt erst los!