Der schnöde Ramon ist jemand, der keinen Hehl daraus macht, dass er mich für eine absolute Fehlbesetzung hält. Wobei, mir gegenüber macht er durchaus einen Hehl daraus: Er ist einigermaßen freundlich, nur manchmal vergisst er sich und rutscht ins Asoziale ab. Das eigentliche Problem besteht jedoch darin, dass er vielen anderen erzählt, was er von mir hält. Und unter diesen anderen sind solche, die kein Problem mit mir haben oder mich sogar als sympathisch empfinden – und mir dann erzählen, was der schnöde Ramon ihnen erzählt hat. Hieran lässt sich auch ein bisschen die Ausprägung der sozialen Intelligenz des schnöden Ramons ablesen: Da ist nicht viel. Der Mann ist zu doof, um ordentlich zu intrigieren. Der arme Irre ahnt nicht, dass ich von seinem Treiben weiß und er ahnt noch weniger, dass ich ihn belächle. Ein moralisch großer Mensch würde ihn sogar bemitleiden, aber so bin ich nicht. Mir fehlt sogar Mitgefühl für Querdenker, die plötzlich Opfer dessen werden, was sie geleugnet haben. Denn in diesem Leugnen gefährden sie nicht nur sich, sondern eben auch potenziell Tausende anderer Menschen.

„Das Problem der Welt ist, dass intelligente Menschen voller Zweifel und Dumme voller Selbstvertrauen sind.“

— Charles Bukowsi

Die Systemfrage. Sie wird in Deutschland noch nicht gestellt. Aber es wird gefragt, ob man sie sich stellen sollte. Also wir sind nun so weit, dass wir die Frage nach der Frage stellen. Warum? Weil Diktaturen und Autokratien beispielsweise Pandemien schneller in den Griff bekämen. Für manche Denker stellt sich daher die Frage nach der Systemfrage. Dabei ist das Unsinn. Und das kann man wissen. Denn Wissen liegt auf der Straße herum. Wer dumme Dinge denkt, weil er nichts weiß, bekommt kein Mitleid von mir. Denn bei uns kann man wissen. Und so weiß man, dass es auch lupenreine Demokratien sind, die die Pandemie in den Griff bekommen. Nicht überall sind die Menschen nämlich so bequem und verwöhnt wie hierzulande. Vernunft und Rationalität sind rar gesät, was mich zur Verzweiflung treibt. Respekt vor der Regierung? Ne, warum, die ist ja per se irgendwie doof und überhaupt gegen den kleinen Mann ganz unten. Schwachsinn. Aber der Reihe nach, bevor ich mich schon während des Schreibens aufrege …

Es sind eben auch Demokratien, die das Virus schnell eindämmen konnten. Es braucht dazu keinen autokratischen Führer, zumal in den meisten Autokratien das Virus unkontrolliert wütet – so wie es auch in der angeblich größten Demokratie der Welt wütet. Bei uns will die Regierung eindämmen, das Volk aber nörgelt. In den USA scheint es anderherum zu sein: Der orangefarbene „Präsident“ wütet mit dem Virus um die Wette, während große Teile des Volkes unmittelbar und mittelbar unter dem Virus leiden. Wir erleben eine Bundeskanzlerin, die verzweifelt mahnt und gefühlt bettelt und die wir alle noch vermissen werden. Ich bin SPD-Mitglied und würde die CDU sofort wählen, würde Merkel noch einmal antreten. Ich weiß, wie viele der Leser in diesem Moment würgen, aber Merkels Rationalität und Besonnenheit ist ein Alleinstellungsmerkmal in einer Welt voller politischer Anführer, die ganz offensichtlich nicht mehr alle Latten am Zaun haben. Sollte der Leser hier anderer Meinung sein, wende ich mich direkt an ihn: Gehen Sie. Kommentieren Sie hier nicht, ich diskutiere nicht mehr mit ausgeflippten Idioten, die irgendwie derart verpeilt sind, dass sie vor lauter Wohlstand in Doofheit und Unzufriedenheit ersaufen. Kürzlich traf ich einen, der als seine Informationsquelle „Russia Today Deutsch“ nannte, darüber hinaus ungern Medien konsumiere, da er sich seine eigene Meinung bilden möchte.

Da fehlen mir einfach nur noch die Worte. ARD und ZDF seien Staatsfernsehen. Dann lieber Russia Today. Man müsste lachen. Aber es ist zum Weinen. Diskussion zwecklos. Nichts ist gefährlicher als die individuelle nicht fundierte Meinung.

Fragen Sie mal einen, der das behauptet, der von Lügenpresse spricht: Inwiefern ist Öffentlich-Rechtliches staatlich gelenkt? Wie ist es eigentlich aufgebaut, unser Mediensystem? Wer ist in welchen Gremien vertreten? Er wird es Ihnen nicht beantworten können. Weil er im Grunde völlig ahnungslos ist und sich lieber an gefühlte Wahrheiten und Verschwörungstheorien hält. Denn die sind einfacher. Da braucht man nicht in Zusammenhängen denken. Und es gibt einem zusätzlich noch das Gefühl der Überlegenheit: Ich bin schlauer als die anderen, die sich Echsenmenschen unterordnen.

Es ist natürlich klar, dass die breite Mehrheit hinter den Maßnahmen steht. Vielleicht ist das eigentliche Problem auch nur, dass eine pöbelnde (und wirklich dumme) Minderheit eine viel zu große Bühne bekommt. Für einige aber ist es überraschend, dass der Begriff „Krise“ etwas Negatives meint. Dass die Folgen des Herunterfahrens von Wirtschaft und Konsum keine schönen sind und viele, ganz unterschiedliche indivivduelle Schicksalsschläge produzieren, ist ein Drama – aber naja, die Umstände sind doch auch scheiße: Wir haben es mit einer Pandemie zu tun – und die ist noch harmlos! Man stelle sich ein hochgradig letales Virus vor, das permanent mutiert und sich über alle denkbaren Wege verbreitet: Dann hätten wir Krise! Aber wenn natürlich nach wie vor manch einer glaubt, eine Infektion sei in etwa so schlimm wie ein Schnupfen, ist es natürlich ein Unding, dass man Weihnachten nicht im Kreise von hundert Leuten feiern darf. Ey, wie kackendbequem und stur können Menschen sein, dass sie angepisst sind, nur weil sie einmal sich im Weihnachtsfest etwas einschränken sollen?! Kann man sich nicht mal ein, zwei Jahre zusammenreißen?!

Stichwort „reißen“ und damit ich es nicht vergesse: Jeder, der Klopapier hortet, verhält sich ebenfalls asozial. Ich bin auch dieses Mal wieder fassungslos, wie schnell ein derart egoistisches Verhalten bei Menschen auftritt. Ich weiß, es geht nur um Klopapier. Aber mal ehrlich: Man kauft mehr davon als sonst und nimmt damit in Kauf, dass andere weniger bekommen?! Leute, reißt Euch zusammen, das ist schamhaftes Verhalten. Es widert mich an. Was passiert dann erst in richtigen Krisen?!

Arsch retten bekommt eine ganz neue Bedeutung … Aber gut, bequeme Ärsche wollen natürlich gepflegt sein.

In ein, zwei Jahren ist die Nummer überstanden. Die meisten Dinge des Lebens werden wieder normal, viele „Spuckwände“ verschwinden, einige bleiben, und Masken werden weitestgehend und auf lange Sicht wieder aus dem Straßenbild verschwinden. Und dann blicken wir zurück. Auf was? Auf ein paar Monate der Einschränkung. Mehr nicht. Hier und da Maske tragen. Na und?! Ist das schon zu viel? Tut Euch das weh?! Prinzessinnen auf Erbsen, wohin man sieht.

Wir werden nicht gehungert haben. Wir werden keine Ausfälle der Strom-, Wärme- und Wasserversorgung erlebt haben. Wir werden immer an Klopapier gekommen sein und unsere Gesellschaft wird es überstanden haben. Nicht falsch verstehen: Viele Menschen werden daran gestorben sein. Vielleicht auch ich. Aber nochmal: Das ist ja auch eine Krise! Krisen haben schlimme Folgen. Sonst hieße es vielleicht „Kindergeburtstag“ oder „Bällebad“.

Es ist nicht die nächste Stunde null.

Unsere Großeltern, in Teilen auch unsere Eltern, sehen ganz andere Dinge vor ihrem geistigen Auge, wenn sie zurückblicken. Die muss ich hier wohl kaum aufzählen, denn das Wissen darum ist ja da. Wenn natürlich Leugner der Geschichte, also auch Wähler der AfD, zurückblicken, sehen sie Autobahn und Muttertag und einen großen, blonden Deutschen, der sie anführt. Ach, Verzeihung, es war ja ein kleiner, dunkelhaariger Österreicher mit möglicherweise nur einem Hoden, der sich am Ende feige verpisst hat. Naja, wie dem auch sei: Diese Nörgelei geht mir auf den Zeiger. Was ist das eigentlich für ein Anspruchsdenken? Diese Erwartungshaltung, dass es einem rund um die Uhr gutgehen muss?! Dass man 24/7 alles in den Arsch geschoben bekommen muss?!

Ich vergesse nicht die schlimmen Einzelschicksale. Meine Mitbewohnerin hat zu Beginn der Pandemie ihren Job verloren. Andere verlieren auch jetzt wieder ganze Existenzen. Da kann ich die Wut auf die Regierung verstehen. Aber es ist Krise. Und Krise bedeutet ja eben nicht, dass wir Luftballons steigen lassen, weil es so supi läuft. Krise bedeutet, dass etwas sehr im Argen ist, das negative Folgen hat.

Für mich selbst war 2020 bislang das beste Jahr meines Lebens. Aber ich kenne Krisen. Ich hatte 2011 eine und 2016. Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, worüber ich mich hier gerade auslasse. Ich bin sogar derart krisenerprobt, dass es mich nun nicht aus der Bahn geworfen hätte, 2020 in die nächste Krise zu schlittern. Krisen sind mein Leben. Derzeit läuft es erstmals dermaßen krisenfrei, dass ich damit kaum umgehen kann. Ich bewege mich mitunter durch den Tag und warte eigentlich nur auf den nächsten Einschlag. Ich traue diesem Gefühl der Sicherheit nicht, weil ich es nicht kenne. Krisen können also auch stärken. Und auch Europa wird gestärkt aus der Nummer rauskommen. Als im Sommer viele glaubten, es käme zu einer U-förmigen Erholung der Wirtschaft, ging ich optimistisch von dem aus, was dann auch kam: die V-förmige. Und so wird es wieder passieren. Ganz nebenbei: Der Impfstoff kommt aus Deutschland (Ich zähle mal den russischen nicht mit, wobei Sie sich den gerne spritzen lassen dürfen … Putin selbst sieht davon übrigens ab.).

Aber Tausende werden gestorben sein. Tausende Existenzen im Arsch sein. Umso mehr verbietet sich das so genannte Querdenken, das Sophie-Scholl-Gehabe (das ich unter Strafe stellen würde) und das Leugnen. Euer Hirn ist vernebelt, Ihr seid ein echtes Problem und haltet Euch auch noch für die besonders Schlauen. Und nach und nach erkranken immer mehr auch von Euch. Wie kriegt Ihr das erklärt? Ich bin sicher, Euch ist da schon was eingefallen.

Über den schnöden Ramon kann ich an dieser Stelle nicht mehr schreiben. Denn ich will ja nicht in meine nächste Krise schlittern. Aber solltet Ihr Ähnliches kennen, rate ich zu Selbstbewusstsein im Wortsinne: Seid Euch Eurer selbst bewusst.

Der schnöde Ramon bekommt ab sofort an dieser Stelle auf die Fresse.


Ich schreibe hier „Arsch“, ich benutze „scheiße“ und „angepisst“. Ich nenne es mal zu meinen Gunsten „klare Sprache“. Mir fehlt das deutliche Verurteilen des Fehlverhaltens einiger in Deutschland. Mir fehlt die Wut auf der richtigen Seite. Der Reichstag wurde in diesem Jahr zweimal zu stürmen versucht. Das wird so hingenommen. Mir fehlt die laute und deutliche Empörung. Wir nehmen Querdenker-Demos hin, die mehrfach aus dem Ruder laufen. Hier fehlt mir die Empörung. Wir sind zu weich. Wir lassen diesen Leuten zu vieles durchgehen. In Zeiten, in denen Nazis im Bundestag hocken und systematisch die Stimmungen verschieben. Und aus dem Grunde wollte wenigstens ich mich deutlich äußern.

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