Ich bin in meinem Umfeld dafür bekannt, im Grunde keine Musik zu hören. Also ich kann sie hören; es ist nicht so, dass ich unfähig wäre, sie wahrzunehmen, aber im Grunde höre ich derartig wenig Musik, dass ich weder über eine Platten-, CD- oder MP3-Sammlung verfüge, sieht man von meiner Ska-Sammlung ab, die ich Anfang der 2000er-Jahre anhäufte, ohne dafür auch nur einen Pfennig zu bezahlen (abgesehen von den Kosten der Unterlassungserklärung, nachdem ein großer Musikverlag mir auf die Schliche gekommen war).

Also gut, ich höre hier und da etwas Ska und wenn ich Sport mache, gebe ich bei „Youtube“ die Suchbgeriffe „Gym“ und „Music“ ein: Beim Sport brauche ich Musik mit ordentlich BPM, da geht es nicht um Musikgeschmack. Da läuft dann in der Regel Techno oder Dance oder beides. Genres, die ich an sich gar nicht hören würde. Und auch dieses lasse ich nicht unerwähnt: Beim Drogenkonsum höre ich von den „Ärzten“ über „Wizo“ bis hin zu Udo Jürgens alles. Ich interessiere mich dabei weder für Texte noch Titel. Am Ende langweilt Musik mich und wer mich morgens nach dem Aufstehen damit konfrontiert, zieht sich meinen Zorn zu.

Aber darüber hinaus herrscht Stille. Beim Autofahren höre ich DeutschlandRadio oder WDR5, da dort noch gesprochen wird. Und sollte ich doch mal in diesen Tagen auf „Last Christmas“ stoßen, ist mir das gleichgültig, da ich die künstliche Aufregung darum auch nicht nachvollziehen kann.

Anders sieht es bei der Kunstform Film aus. Hier beobachte ich ein Phänomen, das andere im Zusammenhang mit Musik erleben, wenn ich dem glauben kann, was ich gelegentlich so höre: Ab einem gewissen Alter verweigere man sich der weiteren Öffnung seines Musikgeschmackes – das Alte bleibt das Beste, auf das man im Zweifel immer wieder zurückgreift. Klar, man hört sich auch Neues an, aber bei welcher Musik wird man bei einem weinseligen Abend wohl letztlich landen? Genau.

Ich lande jedes Jahr zur Weihnachtszeit und „zwischen den Jahren“ bei meinem bewährten Filmkanon. Schon seit rund einer Woche arbeite ich ein Mammutprogramm an Filmen ab, die ich mir einmal im Jahr ansehe. Das ist inzwischen eine Tradition geworden. Und ich stelle fest, dass neue nicht Teil dieses Filmkanons sind, den ich für ausgesprochen exklusiv und erlesen halte – und für ein Symptom von „Das Alte bleibt das Beste“.

Heute will ich dem Leser diesen Kanon nahebringen, wobei er merken wird, dass der vor epischen Klassikern nur so strotzt. Leser meines Alters werden diese Filme für völlig selbstverständlich halten, jüngere vielleicht nicht. Und leider ist mein Eindruck, dass „früher“ bessere Filme gemacht wurden. Aber ich ahne, dass das vermutlich nicht stimmt. Ich sehe zwar im Grunde jeden neuen Film, finde unter ihnen aber kaum Meisterwerke, die es mit denen in meinem Kanon aufnehmen könnten. Hat das womöglich weniger mit den Filmen als solchen zu tun als damit, dass ich die meisten derer schon als Jugendlicher, also in einer ganz anderen Lebenswelt, gesehen habe?

Den ersten beispielsweise, den kenne ich im Grunde, seit er gedreht wurde 1974, fünf Jahre vor meiner Geburt. Ich kannte ihn bereits vor meiner Geburt:

„Der Pate II“. („Der Pate“ und „Der Pate, Epilog: Der Tod von Michael Corleone“.)

Pate-Fans sind sich einig, dass der erste Teil der beste ist, ich hingegen halte den zweiten für den besten Film, der jemals gedreht worden ist. Die Atmosphäre, die er durch seine zwei Erzählebenen übermittelt, ist einzigartig und sowieso ist Robert de Niro unerreicht. Trifft der dann auch noch auf Al Pacino, weiß man, dass es sich um einen Mafiafilm handelt. Alle drei Teile habe ich in diesem Jahr noch vor mir, bilden sie den Höhepunkt und Abschluss meines Kanons. Erstmals ist auch der dritte Teil dabei, liegt er ja heute erst in Coppolas Wunschfassung vor.

Sabrina USA, ein von mir hochgeschätzter und leider in den USA lebender Mensch, teilt mit mir nicht wenige Blickwinkel auf die Dinge des Lebens. Doch in einem Punkt wagt sie es abzuweichen: Sie findet die Pate-Trilogie eher langweilig. Nie gelang es mir, ihr diese Filme nachezubringen, und auch meine Mitbewohnerin ist vom Paten erstaunlicherweise gelangweilt. Möglicherweise ist der weibliche Intellekt noch nicht so weit.

Doch sie zwang ich zu diesen Filmen, denn ich glaube, kaum ein anderer wurde sooft parodiert und zitiert. Ich denke da beispielsweise an die Szene mit dem Pferdekopf im Bett, die zu parodieren ja bereits einfallslos ist. Doch auch ich verwurstete sie vor einiger Zeit hier im seppolog.

Auf eine andere Parodie wurde ich erst kürzlich aufmerksam gemacht: Bei den Simpsons bittet Mr. Burns Mir. Smithers um den Einstieg in den „Fichtenelch“.

Ich war großer Fan der ersten neun Simpsons-Staffeln und auch diese Szene ist ja nicht unlustig. Obwohl ich nie kapiert habe, dass sie sich auf eine historische Figur bezieht, die 2004, also nach Entstehung dieser Episode, verfilmt wurde. Somit wurde natürlich nicht der Film zitiert, wohl aber dessen Gegenstand, worauf mich ein „Instagram-Kontakt“ mit gutem Filmgeschmack hinwies:

Aviator.

Ohne Robert de Niro, aber mit seinem Nachfolger: Leonardo di Caprio als Robert Hughes in der epischen Filmbiografie von Martin Scorsese. Warum zur Hölle werden heute derartige Filme nicht mehr gedreht?! Bei dem nächsten ist es mir im Grunde klar, denn den kann man kaum übertreffen.

Good Fellas.

Wieder Mafia, wieder de Niro. „Drei Jahrzehnte in der Mafia“, Aufstieg und Fall. Für viele der Darsteller Aufstieg, denn sie finden sich wenige Jahre später bei den „Sopranos“ wieder. Das wiederum ist wohl die beste aller Serien und begründete überhaupt erst die Serienflut, die heute vielleicht der Grund ist, warum man epische Geschichten eher in den Serien der Streamingplattformen erzählt, die derzeit das Kino in Schwierigkeiten bringen, womit ich keineswegs hadere, da ich kein Kinofan bin.

Obwohl auch die verbleibenden des Kanons zweifellos auf einer großen Kinoleinwand wirken würden:

Casino.
No Country For Old Men.
The Wolf Of Wallstreet.
Donnie Brasco.
Scarface.
Es war einmal in Amerika.
Catch Me If You Can.

There Will Be Blood.

Das Muster der Filme ist von Ausnahmen abgesehen ziemlich gleich und zwei dann doch neuere folgen dem ebenfalls und haben die Chance, Teil des Kanons zu werden:

Once Upon A Time In Hollywood sowie The Irishman. Leonardo di Caprio im einen, Robert de Niro im anderen. Beide stehen für den Wandel im Vertrieb von Filmen, sind es doch keine klassischen Kinofilme mehr (was in beiden Fällen nicht im Zusammenhang mit der grassierenden Beulenpest steht!).

Womöglich werden solche Epen tatsächlich nicht mehr gedreht oder aber ich erkenne sie nicht als solche, da ich nicht mehr bereit bin, mich für neue zu öffnen. Denn bei beiden letzt genannten, die ja durchaus neu sind, bin ich skeptisch. Beim Irishman sehen wir digital verjüngte Köpfe auf alten Körpern, was mitunter abstrus wirkt und Once Upon A Time In Hollywood empfinde ich als etwas langweilig. Das letzte Wort ist hier also noch nicht gesprochen.

Hier geht es um Geschmack und der ist subjektiv. Mich interessiert der Ihre: Welche Klassiker fehlen in meinem Kanon? Welche halten Sie für Blasphemie? Unabhängig davon rate ich Ihnen: Sehen Sie sich den Paten an, Teil eins bis drei, sollten Sie das noch nie zuvor getan haben. Ich halte ihn für Allgemeinbildung, denn dass jeder von uns Goethes Faust kennen sollte, ist ja auch unbestritten.

Immer über neue Veröffentlichungen informiert werden:
das seppolog bei Instagram!

Besuchen Sie gerne auch:
Seppo bei Spotify mit dem Podcast Unbekannt trotz Funk und Fernsehen und Seppo auf Instagram.
Mehr als 900 weitere Geschichten auf www.seppolog.com!