Zum ersten Teil, aber auch unabhängig davon lesbar!  lara2

„Du hast was gegen Lara, oder?“, wollte ich von meiner Mitbewohnerin wissen, mit der ich auch gelegentlich schlafe, was als guter Mitbewohner ja auch meine Pflicht ist, eine der wenigen Pflichten, die ich gar nicht als solche bezeichnen würde und ich wäre vermutlich gut beraten, diesen Vorgang in einer gewissen Öffentlichkeit nicht als „Pflicht“ zu benennen. Eine lästige Pflicht ist vielleicht eher das Vorspiel. Puh. ;)

„Ich kenne sie ja gar nicht, ich lese nur, was du über sie schreibst!“, und das sei eben in Teilen wenig schmeichelhaft, „was tust du, wenn sie das mal liest?“

„Ich sage ihr einfach, sie sei gar nicht gemeint, sondern eine andere Lara. Das wird sie glauben!“

Lara ist unsere neue Nachbarin und zeigt – das wird die, die mich kennen, nicht überraschen – reges Interesse an mir. Zunächst dachte ich, ganz egozentrisch, es handele sich um ein Fraumann-Interesse, doch letztlich geht es ihr nur darum, dass ich ihr Düsseldorf zeige. Am vergangenen Dienstagabend war es soweit, wir zogen zusammen in die Altstadt, um sie an den Mann zu bringen, denn die blonde Lara ist aus unerfindlichen Gründen Single. (Möglicher Leser-Kommentar: Warum betonst Du immer, dass sie blond ist? – Weil sie blond ist.) Vielleicht redet sie auch zuviel. Sie redet unentwegt, was ich persönlich aber sehr schätze, da ich dann nicht reden muss, was meiner Art entspricht.

„Außerdem habe ich den starken Eindruck, dass du sie gefährlich nett findest“, so meine Mitbewohnerin weiter.

„Menschlich. Auf einer rein menschlichen Ebene. Als Frau nehme ich sie gar nicht wahr.“

Das ist gelogen. Natürlich. Das weiß auch meine Mitbewohnerin, die das aber einzuordnen weiß, so wie ich auch ihr Interesse für unseren Kiosk-Mann von Gegenüber einzuordnen vermag. Nach elf Jahren des Zusammenlebens entdeckt man plötzlich das andere Geschlecht für sich. Abgesehen davon weiß meine Mitbewohnerin, dass Lara nun überhaupt nicht mein Typ ist. Aus unerfindlichen Gründen waren meine bisherigen Mitbewohnerinnen (zwei an der Zahl!!!!! ich schlampe!!!) eher klein und dunkelhaarig. Kleinere Frauen sollten mit ihrer Größe nicht hadern, denn ob sie wollen oder nicht, sie reizen den Beschützerinstinkt im Manne, auch wenn unklar ist, wovor es heute noch zu beschützen gilt. Aber es ist noch drin in uns Männern.

Lara ist fast so groß wie ich, und damit zu groß, und blond. Blond hat mich noch nie gereizt. Wobei doch, da gab es eine, die ist jetzt Moderatorin bei „N-TV“. Charmant berichtet sie von humanitären Katastrophen, dass man glaubt, so schlimm sei das alles gar nicht. Ich ging damals mit ihr zur Schule, studierte dann „WiPo“ mit ihr und belästigte sie etwa ein Jahr lang, bevor ich merkte, dass ihrerseits gar kein Verlangen nach Belästigung durch mich bestand. Mit Unverständnis reagierte ich dann auch, als sie plötzlich eine Liaison mit einem Mitschüler einging, der durch das Spielen einer Gitarre beeindruckte. Singen konnte er auch noch. Ich hasse solche Typen. Gegen die hat man keine Chance. Nachhaltig war die Beziehung aber nicht, denn ein Chirurg machte letztlich das Rennen. Ich tröstete mich mit „Ich bin eh zu gut für sie“, obwohl ich ahnte, dass es sich eher umgekehrt verhielt. Egal. Ich habe mein Glück gefunden. Nein, es fand mich. Die Frau hat aber auch den Hauptgewinn gezogen! Klar, dass Lara da eifersüchtig werden muss. Gut, wird sie nicht. Denn sie sucht einen anderen Mann. Und damit steigen wir nun gespannt in die Handlung ein.

Ich sollte Lara in die Altstadt begleiten und zusehen, wie sich Männer an sie ranmachen. Und dann mein Urteil abgeben und selektieren.

„Lara, wir kennen uns im Grunde nicht so richtig, ich kann es kaum beurteilen, zumal mit fortgeschrittener Stunde mein Urteilsvermögen nachlassen dürfte.“

„Du sollst mich ja auch nur vor den Aufdringlichen schützen!“

Ah! Ein Appell an den Beschützerinstinkt. Sie weiß, wie’s geht, sie hatte mich.

„Wir fahren am besten mit der Bahn, Seppo?“

Ja, das wäre das günstigste, aber ein Seppo fährt keine Bahn. Das hat er hinter sich gelassen. Ich fahre stets Taxi.

„Bahn wäre aber billiger!“

Neue Leser sollten an dieser Stelle unbedingt erfahren, was alt eingesessene nicht mehr hören können: Ich wurde jüngst nach einer Messerstecherei operiert, bin noch nicht so ganz mobil und trage noch eine Windel zarte Naht oberhalb meiner Leiste, von der ich nach wie vor glaube, dass sie jeden Moment wieder aufreißt.

„Mein Ärzte-Team hat mir verboten, Bahn zu fahren. Wir müssen ein Taxi nehmen, ich zahle auch.“

Das ist das Tolle an Lara, sie nimmt viele Dinge einfach so hin. Sie denkt zwar längere Zeit darüber nach, wägt ab, ob es ernst oder eben nicht ernst gemeint ist und kommt stets zum Schluss, es war ernst gemeint, sodass wir ein Taxi rufen.

Hier hat Mann die Möglichkeit zu brillieren: Unbedingt daran denken, der Dame die Auto-Tür zu öffnen. Dienst am schönen Geschlecht. Diesen Service genießen bei mir nur ausgewählte Frauen, Lara gehört nun dazu, sagt aber:

„Danke, das kann ich schon selber!“

Tja. Das ist das Ding mit der Emanzen-Kacke. Ihr übertreibt! Genießt doch diesen Service!

„Ich hab‘ aber Angst, dass du die Tür zuschlägst, wenn ich noch nicht richtig drinsitze.“

Wenn das einem passiert, dann mir!

„Du machst es sehr kompliziert. Du sagst einfach, wenn deine Extremitäten sich gänzlich innerhalb des Taxis befinden und ich schließe dann sanft die Tür.“

So machen wir es also, obwohl mein Zuvorkommen damit zu einem technischen Vorgang verkommen ist, der nur noch unbeholfen wirkt.

Wenn ich nüchtern in die Altstadt komme, kenne ich mich nicht wirklich aus, sehe vieles zum ersten Mal. Das gilt es natürlich, gegenüber Lara zu verbergen und so tue ich, als würden wir zielstrebig den Laden „Schaukelstühlchen“ ansteuern. Lara wird ja nicht merken, dass wir nur durch Zufall und vermutlich über Umwege das Ziel erreichen.

„Hier bin ich mal aus dem Fenster gefallen!“, prahle ich, als wir ankommen, „ich wollte eine Frau beeindrucken.“

„Du stürzt dich aus dem Fenster und denkst, das finden Frauen toll?!“

Ja, also so hatte ich das noch nicht betrachtet.

„Ja, also so habe ich das noch nicht betrachtet. Es kam nur bei meinen Kumpels gut an, die mich noch am nächsten Tag dafür feierten. Also es war nicht umsonst!“

„Hast du dir dabei deinen Leistenbruch geholt?“

„Nein, da hatte ich ihn schon. Was meinen Heldenmut noch unterstreicht.“

„Du bist komisch.“

Das höre ich hier nicht zum ersten Mal und ich kann es wieder einmal nicht einordnen. In der siebten Klasse sagte man es mir das erstmals. Ich erinnere mich gut. Fast schon ein Trauma. Bin ich ein wandelnder Witz?!

„Wie ‚komisch‘?!

„Ich weiß nie, wann du was ernst meinst.“

„Ist mir noch gar nicht aufgefallen!“, sage ich eher unernst.

„War das jetzt ernst?“

„Ja.“

Es ist Dienstagabend, es ist noch früh, wir haben freie Platzwahl und ich vermisse nebenbei den Sommer, denn draußen zu sitzen ist wegen der Temperaturen leider nicht möglich.

„Seppo, sollen wir uns draußen hinsetzen?“

Oh, okay. Lara ist nicht aus Zucker. Anders als ich. Also sitzen wir draußen, ich friere, bestellen etwas („Ich lade dich natürlich ein!“, sage ich.) und beginnen mit der Betrachtung der umsitzenden Männer.

„Was darf es denn optisch sein? So’n Typ wie ich oder eher was langweiliges?“, erkundige ich mich.

„Groß, muskulös, dunkelhaarig und keinen Bart.“

Okay, Lara steht auf was langweiliges. Kann ich mich drauf einstellen und verlasse das Rennen. Meine Mitbewohnerin wird’s freuen.

 

Mitbewohnerin: „Und, wie war es gestern Abend mit Lara in der Alstadt?“

Ich: „Sie steht auf bartlose Männer. Auf Frauen also.“

Mitbewohnerin: „Ich sag‘ doch, rasier‘ dir den Bart ab.“

Ich: „Das wird nie geschehen.“

Mitbewohnerin: „Und wenn ich dich verlasse?“

Ich, waghalsig selbstbewusst, die Realitäten verkennend: „Dann bin ich ein verlassener Holzfäller.“

(Wie es der Zufall gerade will und ich lüge nicht, schickt mir meine Mitbewohnerin während des Verfassens dieses Artikels eine Nachricht aufs Handy. Ein Bild. Zu sehen ist ein Mann mit lächerlichem Drei-Tage-Bart. Sie schreibt dazu: „Das wäre doch ’ne optimale Länge!“ Ich stelle fest, meiner Bart ist und bleibt ein Problem!)

Lara erfüllt in meinen Augen zunehmend das Klischee, das über blonde Damen verbreitet ist. Ich sage nicht, dass diese Klischees zutreffen (dann wären es keine), aber Lara ist das Klischee. Möglicherweise bin ich aber nur eifersüchtig, weil meine Muskelmasse sich eher auf das Innere meines Körpers beschränkt.

Nach einer Weile des Rumsitzens beschließen wir (während ich gelegentlich meinen Bizeps anspanne), reinzugehen, wo mehr los ist, und vor allem schneller zu trinken. Lara bringt Schnaps ins Spiel, ich jedoch lehne dankend ab, da ich mit Schnaps ungünstige Erfahrungen gemacht habe.

„Ich hatte Schnaps, als ich aus dem Fenster fiel. Ich hatte Schnaps, als ich eine Treppe runterfiel. Schnaps und ich, das ist zwar eine unterhaltsame, aber doch lebensverkürzende Mischung. Aber wenn du dich bitte abfüllen würdest, dann wirkst du für die Männer attraktiver.“

Also als leichte Beute, denke ich. Und überlege, dass ich keine Ahnung habe, ob Lara nicht genau auf solche Männer steht, die ich als „Arschloch“ charakterisieren würde. Aber vielleicht bin ich selber eines. Ach, nein, ich denke nicht.

Teaser auf den dritten Teil

Ich nehme also den Stuhl und ziehe ihn dem Typen über den Kopf, der daraufhin torkelnd aus dem Fenster stürzt. Die Menge ist beeindruckt, aber vom Sturz aus dem Fenster, nicht von mir. „Er klaut mir den Fenstersturz!“, denke ich noch, bevor ich bitterlich erbreche.

Vielleicht aber kommt es auch ganz anders im dritten Teil!