Ausnahmsweise muss ich das Lesen eines vorhergegangenen Artikels nahelegen, den des geheimnisvollen Kästchens I!

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Trödelmärkte habe ich bis vor einigen Wochen abgelehnt. Dann war ich endlich mal auf einem, denn der Junge bildet sich ja ein Urteil über Dinge, die er nicht kennt. Also revidierte ich mein Urteil und stelle für mich fest, dass Flohmärkte eine fantastische Sache sind, auch wenn wir bei unserem ersten Besuch – und naja, auf dem ein oder anderen bin ich vorher durchaus schon gewesen – bis auf eine Geldkassette nichts erstanden hatten.

Aus Gründen des Leichtsinns oder der Liebe zum Geheimnis verzichteten wir auf den zum Kästchen zugehörigen Schlüssel, sodass das Öffnen dessen zur Herkuslesaufgabe wurde. Ich will nur kurz anreißen, womit wir es versucht haben.

Nachdem ich Gewaltanwendung vorgeschlagen hatte, versuchte meine Mitbewohnerin es behutsamer: mit einer Schlagbohrmaschine, die uns immerhin freie Sicht auf den Inhalt gab: Siehe oben, es war ein bloßer Schlüssel. Bei dessen Anblick ich bereits enttäuscht war, da mir ein Schlüssel ohne Schloss nicht viel bringt.

Nachdem auch ein Vorschlaghammer nicht zum Öffnen des Heiligen Grals geführt hat, griffen wir dann doch auf meinen Vorschlaghammer der Gewaltanwendung zurück und warfen das Kästchen, das ein wenig seiner geheimnisvollen Aura verloren hatte, aus dem Fenster. Zweiter Stock. Nein, zweite Etage, aber erster Stock. Diesen Vorgang wiederholten wir nur zweimal, da unser draußen stehnder und rauchender Nachbar, Herr Fahrenscheit, das Spektakel rundheraus ablehnte, sodass wir auf einen dritten Vorgang verzichteten.

„Haben Sie nichts zu tun?!“, fragte er.

„Wir müssen was aufmachen!“, erwiderte ich.

„Muss das so laut erfolgen?“

„Ja. Es handelt sich hier um Gewaltanwendung.“

„Ich mach’s Ihnen kurz auf, dann ist Ruhe.“

Herr Fahrenscheit ist so etwas wie unser Hausmeister, der schon viele Dinge für uns geöffnet hat. Unseren Briefkasten beispielsweise, was aber nur ein Versehen seinerseits war – sagt er zumindest. Seit er ihn geöffnet hat, schließt er allerdings leider nicht mehr. Wie dem auch sei, und dem sei so, holte er einen Schraubenzieher, auch um mich zu belehren, dass es ein Schraubendreher sei, was mir aber egal war. Er verkantete den Dreher mit dem Kästchen, stellte es vor die Hauswand und trat dagegen. Mit der Kippe im Mund.

„So, auf.“

Wir staunten nicht schlecht, nahmen den Schlüssel und wünschten Herrn Fahrgescheit weiteres Wohlergehen.

„Ich hab‘ jetzt meine Ruhe. Aus dem Fenster werfen. Geht’s noch?!“

Nur so nebenbei: Hätten wir es mit einem Schraubendreher versucht, wäre Herr Fahrgescheit derjenige gewesen, der vorgeschlagen hätte, das geheimnisvolle Kästchen einfach aus dem Fenster zu werfen.

Zurück in den eigenen vier Wänden, die uns nicht gehören, die wir aber dennoch nach unserem Geschmack farblich gestaltet haben, betrachten wir einigermaßen betrübt den Schlüssel und beschließen baldigste Rückkehr zum Flohmarkt-Stand, wo wir dieses Kästchen erstanden hatten. Das ist auch der Grund dafür, dass dieser Fortsetzungsbeitrag erst nun erscheint; der ein oder andere Leser erkundigte sich ja bereits nach dem Inhalt, der hiermit verraten wurde.

 

„Hallo! Wir haben vor zwei Wochen dieses Kästchen bei Ihnen gekauft! Sie werden sich vermutlich nicht erinnern?“

„Doch, doch. Ich habe ja selten Kunden, die es schaffen, Preise hoch zu handeln!“

Ja, der Fauxpas unterläuft mir im Zuge einer gewissen Begeisterung für das Handeln gelegentlich. Sollte uns hier erstmals zum Vorteil gereichen, denn auf diese Weise blieben wir im Gedächtnis.

„Haben Sie es öffnen können?“

„Ja. Das war gar kein Problem. Ich hatte einfach ’nen Schraubendreher …“

„Und, was ist drin?“

„Ein Schlüssel.“

„Ah, das überrascht mich nicht.“

Es stellt sich heraus, dass der Händler eine Vielzahl solcher Geldkassetten besitzt, was gar nicht mehr Wunder nahm, und oft die Schlüssel des einen zu einem anderen Kästchen gehören. Es gab da irgendwie mal eine Wohnungsauflösung eines Bank-Angestellten, der das privat so gehandhabt hatte. Auf einem Trödelmarkt überrascht mich so etwas nicht mehr. Außerdem mache ich es selber privat auch so, muss ich zugeben.

Und das erklärt, warum meine Mitbewohnerin und ich den Flohmarkt mit einem weiteren Kästchen verließen, mit einem roten.

„Möchten Sie mir fünf Euro dafür geben oder hab‘ ich ’ne Chance, dass Sie wieder hochhandeln?!“, fragt er grinsend und aus einem seltsamen Trotz heraus gebe ich ihm unter Begleitung rotierender Augen meiner Mitbewohnerin sechs Euro. Sie kommentiert:

„Das ist auch ein Grund, warum wir noch nicht verheiratet sind.“

Auch ein Grund“, denke ich. Welche Gründe hat sie denn noch?!

Der Schlüssel aus Kästchen Nummer eins passt. Doch wir öffnen noch nicht, das soll zuhause geschehen, sodass wir aufgeregt, ich mehr als sie, genau dorthin fahren und spekulieren, was in Kästchen Nummer zwei enthalten sei. Ich:

„Goldschmuck. Es klappert so.“

Sie: „Oder weitere Schlüssel.“

„Oh, dann müssten wir nächste Woche wieder zum Trödelmarkt fahren!“

„Nein, dann müssten wir das beenden.“

„Aber dann könnte ich mehrfach darüber bloggen! ‚Das geheimnisvolle Kästchen III bis X‘!“

„Schreib‘ lieber über das Geheimnis unserer Liebe, das würde mich inzwischen mehr interessieren!“

Uh, dicke Luft auf der Rückfahrt.

„Weil ich hochgehandelt habe?“

„Ich hoffe für Dich, dass der Inhalt mehr als sechs Euro wert ist!“

„Ich wollte ihn verwirren, den Handelsmann!“

Nachdem ich auf der weiteren Rückfahrt die Beziehung gerettet habe, zumindest glaubte ich das, öffneten wir zuhause hochgradig erregt

Das geheimnisvolle Kästchen II

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Und die Lichteffekte sind nicht etwa ein Effekt meiner Google-Fotos-App, sondern unsere zu Licht gewordene Erregung, als wir den Inhalt sehen. Ein kompletter D-Mark-Satz! Insgesamt also 193,68 DM!

„Moment, gab es kein 20 Pfennig-Stück?“, fräge ich.

„Keine Ahnung.“, sie etwas desinteressiert.

„Du bist nun beleidigt, weil der Wert sechs Euro übersteigt?“, trimuphiere ich. Was ein Fehler ist. Frauen dürfen durchaus voller Genugtuung trimuphieren; als Mann rate ich seit diesem Vorfall davon ab.

„Weißt Du, wie viel Euro das sind!“, fragt sie mich rhetorisch.

„Ja! Die Hälfte! Sensationell! Damit ist alles, was ich jemals hochgehandelt hast, wieder wettgemacht!“

„Nein, nur ein Bruchteil. Wo tauscht man um?“

„Landesbank. Aber wir tauschen nicht um! Das legen wir wieder ins geheimnisvolle Kästchen!“

„Kästchen eins oder zwei?“

„Zwei. In eins kommt der Schlüssel wieder rein!“

Und ich bin absoluter Freund des Euros, gar keine Frage, man kann nichts schlimmes über ihn sagen, auch wenn ich jetzt gewisse Leser im Kopf habe, die gleich wieder in den Kampf gegen den Kapitalismus ziehen. Denn wir haben vergessen, wie verhasst die D-Mark im Ausland war, da sie wie der Euro auch für die ein oder andere schwächelnde Volkswirtschaft zu unangenehmen Abwertungen geführt hat. Nichtsdestotrotz schwelge ich in Nostalgie und erfreue mich auch des seltenen 5-Mark-Scheines, der hier in seiner ersten Variante vorliegt. Ästhetisch schöner war die D-Mark schon!


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