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Das ist natürlich Unsinn, aber ich werde künftig ein bisschen am rechten Rand der noch nicht erschlossenen Leserschaft fischen. Es ist überhaupt erstaunlich, wie oft am rechten Rand irgendwer fischt, während ich selten lese, dass ein jemand am linken Rand fischt.

Ich bin Strohwitwer, da meine Mitbewohnerin sich derzeit in Polen aufhält. Inzwischen weiß ich auch, wo. Aber den Namen der Stadt kann ich mir nicht merken, da ich mir nur Dinge mit Vokalen einprägen kann.

Dabei fällt mir ein, dass ich mir gestern tief in der Nacht an einem unbekannten Ort stundenlang bei Youtube alte TV-Clips angesehen habe: die 1000. Ausgabe vom „Glücksrad“. Oder die Ausgabe, in der ein – ich glaube – Kurt mehr als 50.000 Mark abgeräumt hatte, was damals für eine Spielshow viel war. Der Haken beim Glücksrad war der, dass man das Geld nicht in bar ausgezahlt bekam, sondern man musste es in die Produkte investieren, die im „Glücksrad“ warben. Kurts Gewinn übertraf jedoch den Wert der im Studio vorhandenen Konsumgüter, was für heiteres Gelächter im Studio sorgte. Frederic Meisner, einer der vielen Moderatoren im Laufe der Jahre, hat die Sendung bis zuletzt auf „9live“ moderiert. Die Studiokulisse bei 9live konnte spartanischer nicht sein, der Applaus war offenbar von Band eingespielt, denn zu sehen bekam man das Publikum nicht einmal.

Das geschieht mir alle paar Wochen. Dass ich mir nostalgische Videos bei Youtube reinziehe aus alten Fernsehzeiten, die soweit weg sind, die ich aber tatsächlich mal erlebt und als normal empfunden habe. Ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass das Privatfernsehen mal eine tolle Sache war. Erinnere mich aber auch daran, dass ich damals diese „Gameshows“ extrem albern fand. Auf der anderen Seite hatte „Geh‘ aufs Ganze“ mit Jörg Draeger durchaus Unterhaltungswert und irgendwie tat er mir gestern leid. Der arme Mann rackerte sich Tag für Tag ab und war doch nur ein „Gameshow“-Moderator. Und er agierte im Schatten des Zonks. Der „ZDF-Fernsehgarten“ wurde mir bein Youtube angeboten. Offenbar veranstalten die einmal pro Saison eine Art „Gameshow-Marathon“, bei dem Draeger, Werner Schulze-Erdel und natürlich Harry Wjinvoord auftreten und noch ein mal ihre Shows spielen dürfen. Wie alt die geworden sind! Aus diese Weise verbrachte ich gestern viel Zeit mit Youtube, bei der doch nichts herum kam. Richtig nerdig wurde ich, als ich mir alte „Station IDs“ anguckte. Die hatten damals noch Stil. Empfehlenswert ist der Sendestart von „Super RTL“ mit Biggi Lechtermann!

Polen hat natürlich Internet, nur hat meine Mitbewohnerin dort kein Netz mit ihrem Handy-Vertrag. So war das letzte, was ich von ihr hörte:

„Wir sind nun an der Grenze!“

Nach, ich glaube, zwölf Stunden Autofahrt mit Schlenker über das Kaspische Meer, wo jemand am rechten Rand fischte.

Die gestrige Nacht wurde noch länger, da ich bei einer unfassbar sensationellen „Amazon“-Serie hängengeblieben bin: „Mad Dogs“. Das ist die amerikanische Fassung der 2011 ausgestrahlten Serie „Mad Dogs“. Das machen die Amerikaner ja gerne, dass sie Erfolgsserien einfach nochmal nachdrehen. „The Killing“ beispielsweise wurde mir ans Herz gelegt, ebenfalls eine Kopie aus Dänemark. In „Mad Dogs“ geraten vier langjährige Freunde in Belize – Belmopan! – in eine ungünstige Situation. Es geht um Drogen, Tod und Verderben, aber die Serie bleibt dabei lustig. Mit jeder Folge wird es verworrener und leider habe ich es gestern Nacht nicht bis zum Finale geschafft, was heute dringend nachgeholt wird.

Heute Morgen las ich über „Fawlty Towers“ mit John Cleese. Abgesehen davon, dass ich John Cleese für den Größten halte, weil dieser Mann schon von Natur aus eine Komik mittels Mimik transportiert, die ich schwerst beneide (auch wenn der Preis der ist, eben eher komisch als attraktiv auszusehen, wie er selber einmal zu bedenken gab), ist „Fawlty Towers“ die mit Abstand beste Komik-Serie dieser Welt. Und leider viel zu kurz, was die Briten ja mitunter aus Prinzip so halten. John Cleese ist an diesem Karfreitag mein Gott. Ich lehne den Tausch mit anderen Menschen ja im Grunde ab, da es Verrat an der eigenen Person ist, aber John Cleese, als den könnte ich mich vorstellen. Wie beneidenswert ist es, wenn das größte persönliche Talent darin besteht, permanent Humor zu produzieren?! Wenn man den Blick für das Komische hat, ja, gar nicht wegsehen kann?! Wenn das „ministry of silly walks“ das Komischste ist, was jemals Menschen gesehen haben, obwohl es so albern, so banal ist!?

Seltsamerweise zieht es sich durch mein Leben, dass ich ständig Menschen sehe, die aussehen wie John Cleese. Es war auf Malta im vergangenen Jahr, als ich mit meiner Mitbewohnerin die Vor- und Nachteile meiner Person diskutierte, als jemand des Weges kam, der exakt wie John Cleese aussah. Es hielt mich kaum auf dem Stuhl, da für mich klar war: Er ist es, er macht hier Urlaub. Aber ich bin auch niemand, der auf bekannte Persönlichkeiten zugeht, da mir Anhimmeln fernliegt. Mein hochgeschätzter Kollege Christopher sagte jüngst, man könne die Kunst eines Menschen anhimmeln, nicht aber den Menschen selber, den man in der Regel ja nicht einmal kenne. Aber das ist mir bei John Cleese egal. Ich werde noch heute sämtliche Folgen von „Fawlty Towers“ sowie das Gesamtwerk von Monty Python kneistern, das ich zu meinem österlichen Glück auf DVD habe. Was für ein Meisterwerk!

Meine Mitbewohnerin – ebenfalls ein Meisterwerk göttlicher Schöpfungskunst – kann neben vielem eines sehr gut: Kochen. Das muss hier unbedingt herausgestellt werden, da ich es direkt einschränke: Wenn es um Dinge geht, die man verkochen kann, komme ich als Retter ins Spiel. Der Klassiker bei uns ist Reis. Kocht sie ihn, gibt es entweder sehr bissfesten Reis oder eine Masse aus ehemals Reiskörnern. Bei Reis übernehme ich also das Ruder, auch was das Salzen angeht, denn entweder ist der bissfeste beziehungsweise Reisbrei eher zu salzig oder zu wenig salzig. Dasselbe lässt sich übertragen auf Kartoffeln. Die hatte ich gestern zu Hähnchenfielt von unglücklichen Hähnen. Weil ich kein Maß kenne, schon gar nicht, wenn ich einkaufen gehe, hatte ich Filet für vier Personen und drei Tage gekauft. Ich musste also in mehreren Chargen braten, da sich selbst zwei Pfannen im gleichzeitigen Einsatz überfordert zeigten. Braten in Chargen (auch der Titel eines bekannten Kochbuches, das ich demnächst schreibe) hat den Nachteil, dass während man bereits Charge eins isst, Charge zwei noch in der Pfanne brät. Beim Verlassen der Küche nahm ich mir also vor, nicht zu vergessen, dass dort noch etwas vor sich hin brutzelt.

Gegen ein Uhr nachts roch es bedrohlich in der Wohnung. Und dann gab es diesen Moment, in dem einen das Blut in den Kopf schießt, man aus dem Fresskoma erwacht, da man realisiert, dass seit etwa zwei Stunden Fleisch einem nicht enden wollenden Bratvorgang ausgesetzt ist. Da ich meine Wohnung ganz gut kenne, gelang es mir, durch den verqualmten Flur blind quasi die Küche zu finden, in der es noch verqualmter war, denn ich habe keinen intelligenten Herd, der sich bei Rauchentwicklung von selbst abschaltet. Gibt es sowas? Nun war mir schnell klar, dass ich die Kohlebriketts in der Pfanne heute wohl kaum werde essen können. Das Fleisch ist zwar gut durch, aber eben auch schwarz. Und nun ist Karfreitag. Ein stiller Feiertag. Und ich habe nichts zu essen. Eben entdeckte ich im Toaster zwei bereits getoastete Toast-Scheiben. Die dürften vom vergangenen Sonntag sein und ähnlich hart sein wie mein Hähnchenfilet, sie fallen also als Nahrungsquelle aus, ich lasse sie im Toaster, um meine Mitbewohnerin zu überraschen.

An diesen von Freizeit geprägten Strohwitwer-Tagen geschieht das, was immer passiert. Ich nehme mir zuviel vor und kriege es nicht in die 24 Stunden unter. In der Packstation wartet beispielsweise ein Meisterwerk des Buchdrucks auf mich. Es geht da um die Weltgeschichte der Wissenschaft. Oder der Geschichte. Habe ich schon wieder vergessen. Das würde ich gerne lesen. Dazu muss ich aber zur Packstation, was schwierig ist, da ich vergessen habe, wo ich das Auto gestern geparkt habe. Das passiert mir oft, da vor dem Parken immer eine sehr lange Parkplatzsuche steht. Anfangs war ich beim Nicht-Auffinden des Autos immer direkt davon überzeugt, dass es abgeschleppt oder entwendet wurde. Inzwischen habe ich Routine und laufe meine potenziellen Parkbuchten ab, irgendwann finde ich das Auto. Vorher jedoch steht der Plan, sämtliche Küchengeräte zu entkalken. Dabei gehen mir oft Geräte kaputt. Ich bin in einem sehr gut: im Kaputtputzen. Das betrachte ich allerdings jeweils als Kollateralschaden.

Damit ich überhaupt noch dazu komme, etwas kaputt zu machen, stürze ich mich nun in mein tägliches Sportprogramm und freue mich über eine feiertagsbedingte, menschenleere Welt da draußen, wenn ich durch den Regen jogge. Laufe!


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Ich wünsche angenehme Ostertage!