1024px-Brueghel_-_Sieben_Laster_-_Invidia(Pieter Brueghel der Ältere, 1526/1530-1569, Todsünde Neid, Kupferstich)

„Die sieben Todsünden“ gibt es eigentlich gar nicht, aber die Katholische Kirche kennt die Todsünde an sich und definiert sie als besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die Zehn Gebote. Bringe ich beispielsweise meine Frau um, der ich vorab fremdgegangen bin, und falle währenddessen vom Glauben ab, ist mir aus katholischer Sicht kaum noch zu helfen. Eine solche ungünstige Verkettung von Sünden zu beichten, wäre mir peinlich, zumal der Todsünde eigen ist, dass ich sie aus freien Stücken bei vollem Bewusstsein begangen habe. Eine Todsünde ist ferner die Umkehrung der Taufe. Wer seine Taufe also bereut – vielleicht, weil er gar nicht über sie mitentscheiden konnte -, der kann auf die Todsünde zurückgreifen, die tatsächlich durch Reue und Beichte ebenfalls getilgt werden kann. Sogar dann, wenn man nur „unvollkommene Reue“ empfindet, also nur beichtet, weil man Gottes Strafe – die Höllenstrafe – fürchtet. Eine sehr egoistische Reue, die aber offenbar ausreicht. So streng ist die katholische Kirche gar nicht. (Nur wahnsinnig intolerant.) Theologen mögen mich hier korrigieren. Aus der Nummer mit dem Mord kommt man allerdings nicht so leicht raus, wenn man sich erwischen lässt.

Die Todsünden orientieren sich an sieben miese Charaktereigenschaften: Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Habgier, Völlerei, Wollust. Daraus ergibt sich der populäte Begriff der „Sieben Todsünden“.

In loser Reihe werde ich mich und diverse Wegbegleiter auf die sieben Todsünden abklopfen, was gar nicht so einfach ist. Es gibt Todsünden, zu denen mir direkt Lebend-Beispiele einfallen, die ich hier aber mitunter nicht nennen kann, denn sie lesen mit und würden mich danach möglicherweise umbringen. Und auf die Weise könnte ich diese heitere Serie wohl kaum zuende bringen. Darum bleibe nur ich als Versuchsobjekt, womit ich bereits mindestens eine der sieben Miesen vertrete. Wir beginnen mit

invidia – Neid

(Hat sich hier der Grafikkarten-Hersteller „Nvidia“ bedient?)

Neid finde ich in erster Annäherung gar nicht mal so schlimm. Man möchte etwas, das ein anderer hat. Wenn „Neid“ jedoch auch Missgunst beinhaltet, wird es menschlich problematisch und unsympathisch. In diesem Fall spricht man vom destruktiven Neid in Abgrenzung zum konstruktiven, der ohne Missgunst auskommt. Das Kuriose am destruktiven Neid ist ja, dass der Betroffene sich besser fühlt, wenn der Beneidete nicht mehr im Besitz der um ihn beneideten Eigenschaften oder Güter ist, nach dem Motto „Wenn ich es nicht haben kann, soll er es auch nicht haben“. Erinnert mich an Kinder, möglicherweise auch an mich als Kind. Ich entsinne mich Sandburgen, die ich dem Erdboden gleichmachen musste, weil sie prachtvoller als meine waren. Eine innere Stimme riet mir dazu.

Der Lebensweg eines Menschen hat sicherlich Einfluss auf sein Neid-Potenzial. Ich blicke auf einen knapp 36 Jahre langen Lebensweg zurück und empfinde das als ausreichendes Alter, eine kleine Neid-Bilanz zu ziehen. Rückblickend kann ich feststellen, dass sich bei mir vieles einfach ergeben hat, woraus eine gewisse Gelassenheit resultiert in Fragen der Zunkunftssorgen. Um diese Gelassenheit könnte man mich beneiden. Als sie mir selbst noch fernlag, konnte ich sie bei meinem besten Kumpel Pavel beobachten. In unserer gemeinsamen Studien- und Studentenwohnheim-Zeit haben wir – wir waren jung -, mal eine Kleinigkeit kaputtgemacht. Ich kann es hier nur andeuten, auch wenn mein polizeiliches Führungszeugnis ganz ohne Eintrag auskommt. Ich sage Euch, Überwachungskameras sind so ’ne Sache, wenn man sie zu spät sieht. Wir waren sehr jung. Angesichts einer drohenden Konsequenz verlebte ich viele ausgesprochen unruhige und paranoide Wochen, während Pavel sein Leben in einer unglaublichen Gelassenheit fortsetzte. Ich vermochte es nicht, ihn mit meinen Sorgen anzustecken. Um diese Unerschütterlichkeit habe ich ihn benitten. Nein, beneidet – allerdings konstruktiv, obwohl es mich in den Wahnsinn trieb, diese innere Ruhe, dieses „Wird schon gutgehen“. Aus Chronistenpflicht füge ich hinzu: Es ging in dem Fall nicht unbedingt gut, wir mussten recht kurzfristig das Studentenwohnheim verlassen. Was im Nachhinein eine gute Sache war.

Möglicherweise war dieser Neid tatsächlich konstruktiv, denn ich habe diese Lebenseinstellung in Teilen übernommen, eben weil ich rückblickend Erfahrungen entsprechend ausgewertet habe. Natürlich ist man seines Glückes Schmied, aber vieles geht auch einfach mal so gut (einiges leider nicht). In Relation zu den negativen Erlebnissen in meinem Leben habe ich mir unverhältnismäßig viele Sorgen gemacht. Und das kostet Energie und Lebensqualität. Zudem verliert man den Blick für das, was einen selber ausmacht, von anderen abgrenzt, um das diese einen möglicherweise beneiden. Was soll ich anderer Leute Talente beneiden, wenn ich darüber meine eigenen vergesse und nicht kultiviere?! Allerdings kann man nicht einfach so die Entscheidung treffen, seine Einstellung zu ändern. Das klappt dann möglicherweise zwei Tage, bis das nächste Unheil droht, über das man sich Sorgen machen könnte. „Paranoia“ sagt eine Freundin, nennen wir sie abermals S., gerne dazu, und wir beide teilen sie gerne. Geteilte Paranoia ist allerdings doppelte Paranoia. Nein, der Anstieg ist sogar exponentiell. In sofern bin ich nicht ganz geheilt, was das angeht, aber im Gros ist in der Tat mein Denken „Das wird schon gutgehen“. Und vieles wird ja auch immer besser. Der Hunger in der Welt – natürlich noch ein massives Problem, gar keine Frage – nimmt ab. Noch nie gab es weniger Kriege auf der Welt, wobei – und es nervt, es immer dazuzusagen, um vorhersehbaren Protesten entgegen zu wirken – jeder Krieg natürlich zuviel ist und jederzeit ein Atomkrieg die bisherige Bilanz verunreinigen könnte. „Menschen, was habt ihr getan?“ Na, woher stammt das Zitat?

Konstruktiver Neid, und das ist jetzt meine Interpretation, kann also auf einen eigenen Missstand aufmerksam machen und den Betroffenen zerfressen, bis er etwas ändert – und zwar auf seiner Seite.

Materieller Neid geht mir im Weitesten auch ab. Liegt möglicherweise daran, dass ich die Dinge besitze, die ich mir wünsche. Klar, ein schönes Häuschen mit Personal wäre ’ne feine Sache, aber ich muss nur aus dem Fenster gucken, um zu sehen, dass manch älteres Pärchen in einem einzigen Zimmer wohnt. Wer bin ich, mir dann eine Villa zu wünschen?! Oder Beispiel Auto. Als im Düsseldorfer Exil lebender Münsteraner muss ich immer schmunzeln, wenn ich über die inzwischen doch recht runtergekommene Kö flaniere, wo manch einer sein Auto als Statussymbol präsentiert. Die meisten Modelle davon wären mir zu groß und zu laut und auf den Beifahrersitzen sitzen meist unansehnliche Frauen, deren Gesichtszüge mit Uhu fixiert sind. Vielleicht muss das Auto da was ausgleichen. Dann lieber sympathischen Toyota mit elektrischen Fensterhebern und einer ausgesprochen ansehnlichen Mitbewohnerin auf dem Beifahrersitz. Oder auf der Rückbank.

Tolle Bilanz also bis hier: Neid ist meine Sache nicht. Darum hab‘ ich damit ja auch angefangen. Und nicht mit Wollust. ;) Mein Gott, Wollust ist eine Sünde. Es könnte enger für mich werden. Schönen Tag noch!