Kramer-neues-frankfurt

Knauf. Gemeint ist der Knauf einer Tür. Türknauf. Was für ein Wort! Begegnete mir vor einiger Zeit, als ich mittels eines Kodes eine Tür öffnete. Darf man „Kode“ mit „K“ schreiben?! Nach Kode-Eingabe jedenfalls erschien in der Anzeige die Aufforderung: „Jetzt Knauf drehen.“ Wer dann nicht weiß, was ein Knauf ist, bleibt vor verschlossener Türe stehen. Dabei wüsste ich jetzt auch gar nicht, wie man einen „Knauf“ alternativ schimpfen könnte. „Henkel“, „Knopf“ oder „Klinke“ schlägt mir das Internet vor, allerdings finde ich den Unterschied zwischen Klinke und Knauf so gravierend, dass man die beiden Begriffe auf keinen Fall synonym benutzen darf. Man gibt sich ja auch nicht den Knauf in die Hand, sondern eben die Klinke. Und man geht nicht Knäufe putzen, sondern eben Klinken. Der Klinkenbegriff scheint etablierter zu sein, kenne ich doch keine Redewendung mit „Knauf“.

Neue Serie im seppolog: In der „Deutschstunde“ (sehr frei und nur in vager Anlehnung an Siegfried Lenz) soll es um kuriose Vokabeln des Deutschen gehen, das ich ja sehr schätze, vielleicht auch, weil es neben Latein die einzige Sprache ist, die ich wirklich beherrsche. Und Latein und Deutsch sind sich ja unfassbar ähnlich.

Markus Tawaine, besser bekannt als „Mark Twain“ hat sich dereinst über das Deutsche ausgelassen, was ich jüngst wieder einmal las:

„Wer nie Deutsch gelernt hat, macht sich keinen Begriff, wie verwirrend diese Sprache ist. Es gibt ganz gewiss keine andere Sprache, die so unordentlich und systemlos daherkommt und dermaßen jedem Zugriff entschlüpft. Aufs Hilfloseste wird man in ihr hin und her geschwemmt, und wenn man glaubt, man habe endlich eine Regel zu fassen bekommen, die im tosenden Aufruhr der zehn Wortarten festen Boden zum Verschnaufen verspricht, blättert man um und liest: ‚Der Lernende merke sich die folgenden Ausnahmen.‘ Man überfliegt die Liste und stellt fest, dass es mehr Ausnahmen als Beispiele für diese Regel gibt.“
An anderer Stelle schreibt er über den Wahn des Deutschen, Substantive zusammenzusetzen. Da hat er ja Recht, aber ich find’s geil, weil’s auch naheliegt. Schönes Beispiel ist das vermeintlich längste deutsche Hauptwort: Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz. 63 Buchstaben. Bis 1996 galt dieses als längstes: Donaudampfschifffahrtselektrizitätshauptbetriebswerkbauunterbeamtengesellschaft, wurde aber disqualifiziert trotz seiner 80 Buchstaben, da es ein sinnloses Kunstwort sei. Aber es hat schon seinen Grund, warum mein erstes Wort, das ich schreiben durfte und sollte, „Omo“ war. In der ersten Klasse wurde unsere Schule offenbar von einem Waschmittelhersteller unterstützt. „Oma“ wäre ja auch ’ne Stufe schwieriger geworden.

Und als ich den Knauf so drehte, stellte ich fest: was für ein albernes Wort. Klingt irgendwie alt, aber ein neueres wäre mir nicht bekannt, wobei ich vermute, dass es bald durch eine englische Vokabel ersetzt wird.

Nun ist Knauf nicht einfach gleich Knauf. Höre ich „Knauf“, denke ich an den Türknauf, aber im Grunde muss „Knauf“ für alles herhalten, was aussieht wie ein Knauf. Es gibt Körperteile, die man als „Knauf“ bezeichnen könnte. Und die gingen kaum als „Klinke“ durch. So gesehen zwei völlig unterschiedliche Begriffe. Klinke drücke ich, Knauf drehe ich. Aber andererseits würde ich nie jemandem gestatten, meinen Knauf zu drehen. Oder der Knauf einer Garderobe, an den man seine Jacke hängt. Den dreht man allerdings auch nicht. Knauf klingt also sehr simpel, ist er aber nicht; vielmehr ein vielschichtiges Wort, dessen Häufigkeit vom guten, alten Duden aber als gering eingeschätzt wird: die Vokabel bekommt zwei von fünf möglichen Punkten beim Duden, was die Häufigkeit angeht. Ein eher seltenes Wort. Aber eben auch alternativlos. Was sagen denn dann die Menschen zu einem Knauf, wenn sie das Wort nicht mehr kennen? Meiden sie gar alles, was mit einem Knauf versehen ist? Und wie steht das Unternehmen „Knauf“ dazu, das sich nicht den schönsten Namen ausgesucht hat und nicht einmal Knäufe aus Gips herstellt.

Knauf ist ein funktionaler Begriff, zumal „auf“ in „Knauf“ steckt. Damit ist die Funktion ja schon beschrieben und alle Fragen beantwortet: Ein Knauf öffnet etwas. Und was steckt in „Klinke“? Klar, „linke“. Und oft stellt sich ja bei Türen die Frage, in welche Richtung sie sich öffnen. Sofern sie eine Klinke haben, öffnen sie sich in die linke. Haben sie einen Knauf, weiß man zumindest, dass sie aufgeht; die Öffnungsrichtung ergibt sich dann im Öffnungsvorgang.

Ich finde „Knauf“ toll, ein sehr deutsches Wort, das sich – und das erwähne ich reichlich spät – von „Knopf“ ableitet. Aber das war mir zu einfach.

Welche deutschen Begriffe ähnlichen Kalibers kennt Ihr? Freue mich über Eure Vorschläge!