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Wahnsinnig spontan, verrückt, risikoaffin, locker und leicht – alles Eigenschaften, die mir abgehen. Doch einmal im Jahr vollziehe ich eine nicht uninteressante Wandlung, die mich für meine Mitbewohnerin unfassbar attraktiv macht, sodass sie mich im Grunde umgehend bespringen möchte: Ich mutiere zum so genannten „Urlaubsseppo“.

Erst vor einem Jahr verbrachten wir unseren ersten gemeinsamen Urlaub. Ich glaube, wenn sie ehrlich ist, fragte sich meine Mitbewohnerin damals, ob das überhaupt möglich ist, Urlaub mit mir. Ich nehme ihr das nicht übel, denn ich selber stellte mir die gleiche Frage. Meine Antwort war der komplette Selbstverrat – die Umwandlung meiner hochwertigen Persönlichkeit in ihr komplettes Gegenteil, in den „Urlaubsseppo“ (TM). Hatte ich direkt ’ne Marke drausgemacht, um meine Mitbewohnerin noch stärker an mich zu binden, damit sie nicht auf billige Imitate (heiße Spanier damals) hereinfällt.

Urlaubsseppo ist purer Sex. Das ist kein Eigenlob, das ist eine ganz simple Feststellung. Mit Urlaubsseppo will man schlafen. Urlaubsseppo ist das Versprechen größtmöglicher Befriedigung. Urlaubsseppo ist das „Made in Germany“ des Beischlafes. Urlaubsseppo ist der K.O. ohne Tropfen.

Urlaubsseppo ist Macho und Feminist in einem. Wobei, nein. Das ging jetzt irgendwie zu weit. Jedenfalls vermag Urlaubsseppo die gleichzeitige Befriedigung aller 425.384 Malteser. Uh, Kinder ausgenommen. Verdammt. Aufpassen, was man schreibt. Und Männer ausgenommen? Nein, Urlaubsseppo kennt kein Geschlecht. Ne, Urlaubsseppo verheddert sich gerade.

Urlaubsseppo denkt nicht nach. Er macht. Und bereut eventuell danach. Nein, Urlaubsseppo bereut nicht. Er blickt nach vorn. Vergangenheit interessiert ihn nicht. Ungesichert den Vulkan besteigen? Ja, klar. Und zwar mit verbundenen Augen. Ohne Skier Wasserski fahren? Ja, klar. Und zwar mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen. Das ist Urlaubsseppo, ein Abenteurer in Flip-Flops. Ja, ich trage im Urlaub Flip-Flops. Käme mir hier zuhause nicht in den Sinn. Aber hier bin ich ja nicht Urlaubsseppo.

Urlaubsseppo erwacht direkt nach der Landung am Zielort. Was schade ist, denn Urlaubsseppo machte sich beim Fliegen nicht in die Hose. Urlaubsseppo steuerte die Boing selber. Aber Normalo-Seppo, der heute in Reihe 4 sitzen wird, macht sich in die Hose. Doch die Bilanz von „Air Malta“, was Abstürze angeht, ist glänzend. Die stürzen nicht ab. Allerdings gab es heute einen seltsamen Zwischenfall bei meinem Bäcker. Bedient hatte mich eine alte Frau, die aussah wie hundert. Die kannte ich gar nicht, anders als das sonstige Personal. Auf ihrer Schulter lag eine Katze. Eine tote oder schlafende Katze. Als sie, die Frau, nicht die Katze!, mir die Brötchen-Tüte reichte, flüsterte sie plötzlich „Heute ist ein guter Tag zum Abstürzen …“ Das kann natürlich ein seltsamer Zufall sein oder eine ausgedachte Anekdote, zumal ich heute nicht beim Bäcker war, sondern seit Stunden mit Kofferpacken beschäftigt bin. Naja, also es hat in etwa 20 Minuten gedauert, denn danach war meine Reisetasche voll, die übrigens eine Abo-Prämie der „Runner’s World“ ist. Sie ist zu klein. Ich wusste es. Nach dem vergangenen Urlaub wusste ich es eigentlich. Wollte mir eine größere zulegen. Hab’s vergessen. Das hat Konsequenzen für meine Mitbewohnerin, die eine tolle Tasche hat! Eine große vor allem. Ich werde beispielsweise meine Laufschuhe bei ihr unterbringen müssen. Und überhaupt alle Schuhe. Die Handtücher. Und ganz wichtig: Unsere so genannte „Technik-Tasche“, die ein Jute-Sack von „Kaiser’s“ ist mit sämtlichen Ladegeräten und anderen Kabeln, die man so im Urlaub benötigt. Neben den Kontaktlinsen ist die Technik-Tasche das Herzstück unseres Gepäcks, was freilich nur ich so sehe.

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Ist alles gepackt, werde ich eine zweite Liste abarbeiten. Auf dieser stehen Dinge wie „finales Blumengießen“ oder „Thermostat ausschalten“. Und nebenbei sind so ziemlich alle Stecker aufgelistet, die ich bei einem abschließenden Rundgang durch die Wohnung zu ziehen habe. Man glaubt gar nicht, was alles passieren kann. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren krachte aus heiterem Himmel spät nachts der Haartrockner meiner Mitbewohnerin auf den Teppichboden. Dabei schaltete er sich zu allem Überfluss ein und erhitzte den Teppichboden. Da ich leichten Schlaf habe, konnte ich heldenhaft die Katastrophe verhindern. Und so etwas darf eben nicht geschehen, wenn Urlaubsseppozeit ist.

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In der Zwischenzeit wird ein Freund von uns hier wohnen, der sich abermals die Frage stellen wird, warum zum Teufel er wieder alle Stecker reinstecken muss. Er hat nicht Unrecht damit, aber ich habe ein besseres Gefühl, gleich alle gezogen haben zu werden! Zu haben werden. Verdammt.