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Puh, der Wind dreht sich für Bartträger. Kürzlich wurde mir allen Ernstes von einem Menschen, der mich im Grunde gar nicht kennt, unterstellt, ich trüge meinen Bart ja nur, weil es gerade „in“ sei. Man sollte solche Vollpfosten ja auflaufen lassen und nicht reagieren. Aber mehrere Aspekte regten mich zumindest innerlich auf:

Erstens trifft sie ein Urteil über jemanden, den sie nicht kennt. Sie arbeitet also mit Vorurteilen. Und es ist ausgerechnet eine Frau, die Vorurteile im Grunde ablehnt. Das sind mir die liebsten.

Zweitens trage ich zum Beispiel Hosen, weil es unter Männern „in“ ist, das zu tun. Würden alle Röcke tragen, würde ich es vermutlich auch. Natürlich richte ich mich nach Normen. Normen machen Gesellschaften aus. Ob familiäre, nationale oder supranationale Gesellschaften. Ihnen allen liegen Normen zugrunde. Ja, man passt sich an. Zurecht. Wir passen uns Gesetzen an, die ebenfalls Ausdruck auch kultureller und moralischer Normen sein können. Beispiel: Man darf niemanden umbringen bzw. braucht einen sehr guten Grund dafür. Dieser Norm sollte man sich anpassen. Und nun muss ich vermutlich auch dazu erwähnen, dass es nicht darum geht, Pluralismus in all seinen Formen zu gefährden. Anpassung hat seine Grenze, muss ich ja wohl nicht extra sagen.

Drittens färbt diese Person sich ihr Haupthaar. Und zwar nicht grün, sondern blond. Sie folgt einem Trend.

Viertens ist mir der Trend zum Bart, der Hype um ihn geradezu, zwar nicht entgangen. Ich nahm ihn aber erst wahr, als ich meinen Bart bereits hatte, vorher war es mir gar nicht so bewusst, dass es einen Trend dazu gibt. Und wer Fotos von mir sieht ohne Bart, der würde mir umgehend zum Barte raten (sieht man von meiner Mitbewohnerin mal ab, sie weint dem nackten Seppo, der später im Text noch viel penetranter über sich in der dritten Person sprechen wird, nach). Und nur, weil es ein Trend ist, muss ich mich ja nicht gegenteilig verhalten. Denn das geht mir am meisten auf den Sack: wenn Menschen versuchen, bloß nicht in den Verdacht der Anpassung zu geraten, was genauso wenig mit Individualität zu tun hat. Bloß aus der Masse herausstechen und dabei nicht bemerken, wie man in der Gegenmasse versinkt …

Fünftes haben Männer schon immer Bärte getragen. Verrückt – oder?! Jetzt halt mal wieder mehr, bald wieder weniger.

Nun gut, entscheidend ist mein Verhalten, wenn Bärte wieder out sind. Die Probe aufs Exempel steht mir und anderen noch bevor. Dem Bart weht Gegenwind ins Gesicht.

Das Recherche-Portal „Wunderweib“ fordert mich zur Rasur auf, liefert gleich neun (ich zitiere hier aber lediglich acht) Gründe mit und spricht grundsätzlich von „Hipster-Bärten“. Kann ich inzwischen auch nicht mehr hören, denn Bart ist nicht gleich Hipster. Allzu ernst wollen wir „Wunderweib“ natürlich nicht nehmen, die müssen halt ihre Seiten füllen und wissen sehr gut, was sie da so schreiben und wissen auch um die Qualität. Aber auch ich habe etwas zu füllen.

Grundsätzlich findet „Wunderweib“ Dreitage-Bärte erstmal toll. Okay. Hatte ich, seit ich ungefähr 16 war. Kann jeder. Ist mir zu billig. „Wunderweib“ verachtet meinen Rauschebart. Warum? Los geht’s:

1.) Bart stört beim Essen

Nein. Falsch, zu kurz gedacht. Das Essen stört beim Essen, nicht der Bart. Denn das Essen bleibt im Bart hängen, nicht der Bart im Essen. Das Essen ist schuld. Zudem ist es eine Frage der Übung: Nach etwas mehr als einem Jahr mit Hipster-Bart kann ich einigermaßen unfallfrei essen. Einigermaßen … Ob man ständig Haare im Mund hätte, will das Weib wissen. Nein, man isst nicht den Bart, man isst das Essen. Das muss man natürlich wissen.

2.) Beim Küssen kitzelt es

Nein, es kitzelt nicht. Schlecht recherchiert. Es sticht vielmehr, im besten Falle piekst es. Es ist die Hölle für die Frau. Aber ist das das Problem des Mannes?! Hehe, Ruhe bewahren, kleiner Scherz. Hier empfehle ich dringend die Anwendung von Bart-Öl, das ihm einen unwiderstehlichen Duft verleiht und den Bart auch wahnsinnig weich macht. Öl, Balsam, Tonic … es gibt da Unmengen, ich habe sie alle. Fragt mich.

Und Oralverkehr? Ja. Schwiiiierig. Wenn ich mir selber einen blase, passiert an sich nichts, da stört der Bart nicht. Und über meine Mitbewohnerin schreibe ich in diesem Zusammenhang nicht. Obwohl hier der Witz sich anbietet: Bläst sie mir einen, stört mein Bart auch nicht.

3.) Bart ist unhygienisch

Ach? Und Eure Haupthaare?! Dass Kot sich im Bart befindet, wurde inzwischen übrigens widerlegt. Also werft Ihr uns Essensreste im Bart vor. Ja. Wir bewahren dort Vorräte für Katastrophenfälle auf. Wirft Nord-Korea seine neue Wasserstoffbombe auf uns, habe ich zumindest noch Ravioli im Bart, wenn wir aus dem Bunker kriechen. Und dann bekommt Ihr: nichts!

Und nun schreibt Ihr allen Ernstes: „Wenn ihr schwitzt, bleibt das doch eher im Bart hängen. Kommt eigentlich noch Wasser bis an eure Haut darunter?“ Muss ich dazu jetzt was schreiben?! Nein, der Bart ist wasserresistent. Da kommt nix durch. Und wenn Ihr Eure Leser ansprecht, dann bitte großgeschrieben. Das sag‘ ich Euch als Bartträger.

4.) Bartträger sehen unheimlich aus

Aber Ihr setzt Euch auf den Schoß vom Weihnachtsmann?!

„Wunderweib“ nennt eine Studie, nach der Barträger auf Frauen „zwar vertrauenswürdiger, aber auch dominanter und aggressiver“ wirkten als Glattrasierte. Zurecht. Die Zeit dieser metrosexuellen Memmen/Milchbubis sollte doch wohl vorbei sein. Mann oder Memme?! Aber halt: Studie sagt auch, Frauen finden Glattrasierte attraktiver. Seppo sagt, solche Frauen findet er wiederum nicht attraktiv, bringt ihm also nichts. (Mitbewohnerin findet Bart optisch sensationell, nur taktil problematisch.) Starker Bartwuchs werde mit hohem Testosteron-Spiegel verbunden und damit mit klassisch männlichen Attributen. Ja. Und? Darum geht’s doch. Sonst sucht Euch ’ne Frau (Ich gucke gerne zu …).

5.) Bartträger brauchen länger im Bad

Traurigerweise hat „Wunderweib“ hier Recht. Ich brauche wirklich länger morgens. Etwa fünf Minuten. Mein Alltag ist aus den Fugen geraten. Ich frühstücke, wenn andere zu Mittag essen, gehe ins Bett, wenn andere aufstehen. Job weg, Mitbewohnerin weg. Suizid. Wegen Barts.

6.) Bart steht nicht jedem

Das Argument ist mir irgendwie zu profan. Weil er nicht jedem steht, sollen auch die sich den Bart abnehmen, denen er steht?! Ihr Gleichmacher!

7.) Bart ist nichts Besonderes mehr

Hm. Damit schließt sich der Kreis, denn warum wird uns auch hier unterstellt, dass wir den Bart für etwas Besonderes halten!? Gut, bei mir ist das zufällig wirklich der Fall. Mein Bart ist etwas Besonderes, zweifellos. Da aber nun alle einen Bart trügen, sähen wir alle gleich aus und sollten ihn daher, so „Wunderweib“, abnehmen. Dann sähen wir aber auch wieder alle gleich aus. Schwierig. Wir müssen losen.

8.) Wir verdecken unsere „schönen“ Gesichter

Das ist in der Tat etwas, was ich von meiner hochgeschätzten Mitbewohnerin durchaus schon gehört habe. Ich versichere ihr dann stets, dass mein Gesicht bei weitem nicht so schön sei wie in ihrer Erinnerung. Dann holt sie Fotos raus, zeigt sie mir und seltsamerweise sehen wir uns beide bestätigt.


Quelle: http://www.wunderweib.de/leben/liebe-maenner-bitte-rasiert-euch-diese-hipster-baerte-ab-a328639.html


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