20160202_124136.jpg

Was wieder etwas ganz anderes ist als Einsichtigkeit. Denn vom Wesen her bin ich uneinsichtig, was schlicht daran liegt, dass ich von vornherein richtig liege. Für Einsichtigkeit gibt es bei mir also keinen Grund.

„Du bist uneinsichtig!“, sagt mir meine Mitbewohnerin, die selber einsichtig ist. Was aber nicht daran liegt, dass sie stets falsch liegt. Meist liegt sie richtig, also auf meiner Linie. Die dann unsere Linie ist. Also es ist allerdings nicht so, dass meine immer unsere Linie ist.

Zwei Dinge beschäftigen mich heute. Zum einen die – Verzeihung! – völlig missratene Paprikasuppe von gestern. Ich weiß nicht, was da schiefgelaufen ist. Ist sie nur völlig versalzen, dass der Körper mit einem Würgereiz mir zu verstehen geben will, dass es genug der Salzaufnahme ist? Oder ist Paprikasuppe per se nicht meine Sache? Beim „Perfekten Dinner“ heißt es dann:

„Das ist nicht so meins.“

Die Kandidaten sagen da zu fremdem Essen: „Nicht meins.“ Natürlich nicht, es gehört dem Koch, Ihr seid nur Gäste.

In unserer Küche hängt seit gestern Abend dieser subtile Geruch der Paprika-Suppe. Ich kann nicht sagen, ob es nach Salz oder Paprika riecht. Salzhaltige Luft ist ja erst einmal eine gute Sache bei Atemwegserkrankungen. Unsere Küche: ein Luftkurort. Ich überlege, Kur-Taxe zu erheben, wenn gleich Lara vorbeikommt. Sie hat einen Husten und ich empfahl ihr, in unserer Küche weiter zu atmen.

Mir wurde also heute Morgen direkt schlecht, als ich in die Küche schlenderte und meiner Mitbewohnerin ein unmotiviertes „Mooorgen“ entgegen schleuderte. Es ist ein „running gag“ bei uns, dass wir uns mit einem missgelaunten „Mooorgen“ mit drei „O“ begrüßen. Anders als sie bin ich morgens nicht gerade in Karnevals-Stimmung, was ich aber auch an Karneval nicht bin. Ich brauche erst einen Kaffee, der relativ zügig seine Wirkung entfaltet, auch wenn ich am Wochenende in der Sonntagszeitung las, dass es Studien gibt, die nahelegen, dass oftmals die Wirkung von Kaffee auf einen Placebo-Effekt beruht. Was aber eigentlich den gleichen Zweck erfüllt. Gerade ältere Menschen können durch Kaffee besser schlafen. Es gebe allerdings keine Studie, die nicht einer anderen widersprechen würde und letztlich wisse man nicht, ob Kaffee nun ungesund oder gesund sei. Egal. Er hilft mir morgens, eine Frohnatur zu werden. Was heute schwierig war. Wegen des Suppen-Duftes.

Krisensitzung. Meine Mitbewohnerin und ich planen, die Suppe zu pimpen. Früher sagte man „aufpeppen“, heute wird gepimpt. Zunächst einmal bereicherte ich sie mit vier Litern Wasser. Sie schmeckt nun nicht mehr salzig, dafür nun nach nichts. Das ist sonst kein positives Attribut für ein Gericht, in diesem Falle aber ein riesen Fortschritt.

Doch dieser Duft, der bleibt irgendwie. Und ich versteigere mich zu der Theorie, dass diese Suppe bei mir keine Chance mehr haben kann. Weil mein schlaues Gehirn mit diesem Duft das Würgen von gestern Abend verbindet. Kurz überlege ich, Schnitzel in die Suppe zu werfen, um mein Gehirn zu überlisten, denn mein Hirn ist Schnitzelfreund. Natürlich nur aus der Region. Region am Arsch. Bevor ich ein Schnitzel esse, lasse ich es einmal um die Welt fliegen.

Mangels Schnitzel setze ich auf Kartoffeln und Broccoli. Das ist im Grunde alles, was ich hier noch zur Verfügung habe. Geht immer.

Nachdem ich nun die Kartoffeln habe verkochen lassen, der Broccoli sich in seine Bestandteile aufgelöst hat, überlege ich, statt der Suppe einfach zwei Liter Wasser zu essen, es käme auf dasselbe hinaus.

Das zweite, was mich heute beschäftigt hat, ist eine Abo-Prämie. Ende vergangenen Jahres abonnierte ich eine weitere Zeitung. Ich habe ungefähr zehn Gazetten im Abo und entsprechend viele Abo-Prämien. Unser gesamter Haushalt ist im Grunde eine einzige Abo-Prämie. Allen Prämien ist gemein, dass sie im Keller lagern, weil sich Abo-Prämien stets als nutzlos erweisen. Fehlende Klugheit beispielsweise kompensiere ich dadurch, dass ich mit Füllfederhalter schreibe. Eine beliebte Prämie bei mir seit den Neunzigerjahren. Schon der erste Füller war ein Reinfall. Wie auch die fünf folgenden. Sie sind im Grunde alle Schrott, sodass ich nach wie vor mit meinem „Lamy“ schreibe, mit dem ich schon meine Deutsch-Abi-Klausur schrieb. Eine zwei minus. Nicht schlecht. Vor allem im Vergleich mit der vier minus im Bio-LK. Ich weiß noch, wie ich während jener Bio-Klausur zum Klo ging und meiner Bio-Lehrerin, die zufällig in dem Moment „Toiletten-Aufsicht“ hatte (weil man ja den Toilettengang nicht zum Spicken nutzen sollte), sagte, wie einfach die Klausur doch sei. Das sah der Zweitprüfer offenbar anders; Hochmut kommt …

Die Prämie wurde mir an meine Wohnadresse geliefert, unter der ich nicht anzutreffen war, sodass sie in einem mir fremden Kiosk lagerte. Fuhr ich eben hin. Voller Hoffnung, dass ich den Wasserkocher mir als Prämie ausgesucht habe. Den schicken roten. Im Kiosk stieß ich auf einen Mann meines Alters der quälend lange brauchte, um mein Paket aus den fünf dort lagernden Paketen herauszusuchen. Was ist so schwer daran, meinen Namen dort zu finden?!

Es war das größte der dort liegenden. Er zeigte es mir. Was wollte er nun von mir? Dass ich meinen Namen dort als meinen identifziere?! Steht doch auf dem Abholschein. Also gut, ja, es ist meine Name. Dann plötzlich scheint er einzunicken. Als er aufwacht, überreicht er mir das sehr große Paket und ich denke bereits:

„Es kann kein Wasserkocher sein. Eher ein Fass.“ Ich denke in wörtlicher Rede.

Was hatte ich da bloß geordert?! Kann ich nicht einfach die Bargeld-Prämien nehmen?! Aber es war auch ein bisschen wie Weihnachten. Voller Vorfreude also verfrachte ich das Paket in meinen Kofferraum. Klatschnass geschwitzt vom Laufen. Ich. Nicht das Paket. Das war nass vom Regenguss. Und ich spare mir nun auch die Geschichte, wie ich eine halbe Stunde lang keinen Parkplatz in dieser Ruinenstadt fand. Nur soviel: Ich saß brüllend im Auto, diese Stadt verfluchend.

Zuhause angekommen packe ich hochgradig erregt das Paket aus. Es ist ein Reise-Trolley. Zum Verreisen zu klein, für Handgepäck zu groß. Jetzt steht er hier. Warum entschied ich mich bloß gegen den schönen roten Wasserkocher?!

Im Keller ist noch Platz. Ich stelle ihn zu den anderen Prämien. Und zu dem Backblech, das ich mal kaufte, das aber exakt einen Millimeter zu breit für unseren Ofen ist. Seit einem Jahr etwa will ich es zurückschicken. Aber es macht sich so gut neben dem Eier-Kocher, den Sabrina USA mir überließ, als sie das Land verließ. So einen Eier-Kocher kann man immer gebrauchen, dachte ich damals. Hab‘ ich wirklich gedacht, es sei weniger umständlich Eier damit als in einem Kochtopf zu kochen?! Inzwischen ist der Eierkocher leider kaputt, er schaltet sich nicht mehr ab, wenn die Eier fertig sind. Das ist ein Problem, wenn man im Wohnzimmer sitzt und sich bei „Netflix“ „Great Grandpa“ ansieht, eine Serie, die erst noch geschrieben werden muss, und darüber vergisst, dass man gerade sechs Eier kocht. Und man nicht mitbekommt, wie das Wasser vollumfänglich verdampft ist, die Eier bereits steinhart, sodass der Eierkocher inzwischen sich selber kocht, was man am schmelzenden Plastikgehäuse und am schmorenden Geruch erkennen kann.

Ich hätte mich für den VHS-Rekorder von Sabrina USA entscheiden sollen, den sie ebenfalls loswerden wollte. Allerdings war die VHS-Technologie vor zwei Jahren schon auf dem absteigenden Ast. Ein Kollege hat und nutzt! das Gerät nun.

Ich könnte einen Hausverkauf veranstalten, wobei ich natürlich nicht dieses Haus verkaufe, zumal es mir gar nicht gehört. Ich könnte aber meine Prämien losschlagen. Aber ich wette, dass sobald ich das Backblech verscherbelt habe, wir einen neuen Backofen bekommen, der exakt ein Millimeter breiter ist als der alte.

Karneval könnte ich mich als Geschäftsmann verkleiden. Anzug an und Krawatte. Dann den Trolley hinter mir herziehen. Das wirkt dann so, als würde ich mit Laptop und wichtigen Unterlagen pendeln. Ich wäre dann ebenfalls so wichtig wie die Unterlagen. Kleider machen Leute.


Seppo_medien_klein_haare