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Diese Burger-Ketten – „Whats Beef?!“, „Hans im Glück“, „Bob and Mary“ oder „Gans am Stück“ (Gänse-Burger!) – sind schon ein Phänomen, vielleicht auch nur ein Trend, der irgendwann wieder abflaut. Derzeit eröffnen immer mehr dieser Läden, denn dort kann man unter dem Deckmantel eines gewissen Chics schnelles Essen konsumieren und sich dabei eines guten Gewissens erfreuen, denn das Fleisch kommt meist aus der Region, ist frisch und der Burger so teuer, dass er gut sein muss. Zumal man während des Wartens auf die Bestellung sich auf dem Tisch liegende Broschüren durchlesen kann, die einen sehr genau darüber informieren, woher das zu Essende kommt, wie es verarbeitet wurde und warum die Rinder gerne dafür ihr Leben ließen. Man beschäftigt sich mit der Nahrung, was mir im Übrigens zunehmend auf den Sack geht. Heute Morgen noch im „Spiegel“ gelesen, da kritisiert ein amerikanischer Ernährungswissenschaftler, dass sich der Konsument inzwischen seine Nahrungsaufnahme von Fachleuten erklären lässt – und das immer unkritischer – statt einfach zu essen.

Nicht ganz kritikfrei mache ich bei der Burger-Nummer gerne mit. Wie auch gestern, als wir essen gehen mussten, da mein Einkaufsverhalten vor den Feiertagen in Abwesenheit meiner Mitbewohnerin etwas zu wünschen übrig ließ. Obwohl ich im Grunde nichts zu essen hatte, habe ich über Ostern auch ohne Schokoladeneier rund zwei Kilo an Gewicht zugelegt. Schade, dass man durch Denken nicht an Hirnmasse zulegt, zumindest nicht spürbar …

Wir entschieden uns also für einen Burger-Laden im nahen Münchener Flughafen, da uns cain Weg zu weyt ist, wenn es um glückliches, totes Fleisch geht.

Anders als ich sind diese Bratstätten (Ich weise nochmal auf mein bald erscheinendes Kochbuch „Braten in Chargen“ hin, das bereits in den USA für heiteres Gelächter gesorgt hat.) immer sehr hip gestaltet und irgendwie einfach sehr cool, was auch für das Personal gilt. Junge, hippe Menschen, die es dann mit mir zu tun bekommen.

Wir hatten freie Platzwahl – „Hey! Na ihr! Setzt euch einfach irgendwo hin! Supi!“ -, was gut für mich war, denn ich brauche besonders beim Burgeressen immer einen Platz mit Blick auf eine Wand, damit ich ungestört essen kann, ohne permanent darauf zu achten, dass mir keine Sauce in den Bart läuft, was unweigerlich geschieht. Denn es ist schon ein Phänomen, schiebt man sich einen Burger in den Mund, schiebt man drei Viertel der belegten Teigware am Mund vorbei, bei Vollbartträgern also direkt in die Gesichtsbehaarung. Das müssen die anderen Gäste ja nicht unbedingt sehen; ich bin da einfach zu eitel. Eitelkeit kann eine Bürde sein.

Kellnerin #1, die ausnehmend hübsch und schlicht auch etwas geil aussah – nennen wir sie Anuschka – hatte mehr Makeup im Gesicht, als der „Klassik“-Burger Sauce zwischen den Brötchenhälften und eine süße, aber sehr leise Stimme, untermalt von einem unehrlichen Lächeln. Tinnitusbedingt  höre ich links eh minimal weniger und musste ständig nachfragen, wenn sie was gesagt hatte. Wenn sie mir beispielsweise die Spezifika des „Mittagsmenü“ erklären musste, die ich nicht kapiert hatte. Offenbar umfasst dieses einen Burger, Fritten, ein Kaltgetränk sowie ein Heißgetränk. Mich hatte der Laden ja bereits, weil die Speisekarte auf deutsch verfasst war und sich offenbar bewusst von Anglizismen distanzierte. Ich warte ja noch darauf, dass Werbung erkennt, das der Gebrauch deutscher Begriffe inzwischen ein Unterscheidungsmerkmal von anderen Kampagnen sein kann. Die dortigen Burger-Bezeichnungen „Klassik“ oder „Wilder Westen“ klingen schlicht nach Qualität, denn „Classic“ heißen sie doch nun wirklich überall.

Anuschka kam nicht darauf klar, dass ich mein Heißgetränk schon vorab trinken wollte, offenbar ist es Usus bei „Buletten Bernhard München“, dass man den Kaffee erst nach dem Burger bestellt. Mein abnormales Verhalten führte also zu Verwirrungen, denn Anuschka wusste nicht, ob meine Bestellung nicht dem Mittagsangebot zuwiderlaufe und war kurz davor, den Geschäftsführer dazuzuholen. Aber es ging dann auch ohne ihn, ich bekam meinen Kaffee und informierte meine Mitbewohnerin, die vor Scham unter den Tisch versunken war, über meinen ersten Eindruck:

„Anuschka und ich – das wird nichts mehr. Da ist keine gemeinsame Wellenlänge. Komisch, wie das zwischen Menschen so läuft. Da braucht es nur die Ausdiskussion eines Mittagsmenüs und man weiß, dass man miteinander nie warm werden würde.“

„Weil du auch umständlich daherredest“, sagte sie nur. Und ich fürchte, sie hat ein bisschen Recht. Ich weiß das ja, ich drifte oft ins Lorioteske ab. Manchem kann ich nicht übelnehmen, dass er mich für einen kuriosen Spinner hält.

Als Kollege Archobald mir kürzlich das letzte Schnitzelbrötchen beim „Café Post“ vor der Nase wegbestellt hatte, fragte ich höflich, wirklich sehr höflich nach:

„Besteht die Möglichkeit, noch ein frisches Schnitzelbrötchen zu bekommen?“

statt einfach zu fragen: „Belegen Sie auch frisch?“

Überhaupt, dass ich immer sieze ist auch so albern. Der junge Mensch duzt grundsätzlich, zumal wenn er es mit Gleichaltrigen zu tun hat. Ich hingegen baue erst einmal Abstand auf, wenn ich auf Menschen zugehe, was ich aber im Grunde gar nicht tue, auf Menschen zuzugehen. Ich komme immer etwas geschwollen daher, was ich aber, wie ich gerade feststelle, irgendwie gar nicht so übel finde. Zumal alles andere bei mir Verstellen wäre. Ich bin eben so und akzeptiere, zelebriere!, es seit einigen Jahren auch gerne. Was bleibt anderes übrig?

Als ich im vergangenen Jahr an meinem Geburtstag in der Notaufnahme stand wegen eines Tumors in der Leistengegend, den ich mir selber diagnostiziert hatte, der sich dann aber als Leistenbruch entpuppte, ging ich zur „Anmeldung“ und schwadronierte:

„Folgendes. Ich habe in meiner … ähm … Leistengegend, also unten, so ein gewisses Geschwülst, so eine gewisse Schwellung. In Gliednähe ist es zu Unregelmäßigkeiten gekommen.“

Meine mich damals begleitende Mitbewohnerin sagte mir nicht ganz zu Unrecht, dass ich mich nicht gerade als spektakulärer Notfall verkauft hätte, während hinter mir Patienten warteten, denen das Blut aus verschiedenen Öffnungen triefte.

„Mit Anuschka werde ich nicht mehr warm“, konstatierte ich also wahrheitsgemäß und war ein wenig deprimiert und dachte an die wenigen Menschen, mit denen sogar ich innerhalb kürzester Zeit warm werde. Das fasziniert mich immer wieder, dieses unterschwellige Zwischenmenschliche, das wir nicht wahrnehmen, das so schnell darüber entscheidet, ob man dieselbe Wellenlänge reitet.

Die Bestellung des zweiten Burgers stand an, während meine Mitbewohnerin noch an Burger Nummer eins aß.

„Du isst wahnsinnig langsam! Was hast du denn die ganze Zeit gemacht, während ich den Burger gegessen habe?“

„Nicht ich esse langsam, du isst sehr schnell.“

Burger zwei – „Wilder Westen“, was nach Abenteuer, BBQ-Sauce und Röstzwiebeln klingt – bestellte ich bei Kellnerin #2, die aussah wie eine Miriam. Miriam lächelte mit einer Natürlichkeit, die ich bei Anuschka vermisst hatte, und fragte, ob ich denn mein mir zustehendes Heißgetränk schon haben möchte.

„Oh, das hatte ich bereits. Vorab. Regelwidrig, ich weiß. Ich bin zum ersten Mal hier.“

„Kein Thema! Super! Also nur den Burger?“

„Jepp.“

Toll! Sofort eine Wellenlänge. Als hätte ich Miriam schon ewig gekannt. Und so sagte ich zu meiner Mitbewohnerin:

„Siehst du! Es liegt nicht an mir, es liegt an Anuschka. Miriam ist toll. Tolle Frau!“

Den zweiten Burger hatte ich mit Mehrkornbrötchen bestellt, was ein Fehler war, da es mir eine Spur zu gesund vorkam. Was auch meine Mitbewohnerin bemerkte, die übrigens da noch nicht wusste, dass ich über das Oster-Wochenende ausschließlich (selbstgebratene) Burger gegessen hatte.

„Das passt nicht zusammen. Du und Mehrkorn-Burger. … Dir hängt da ’ne Röstzwiebel im Bart.“

„Mehrkorn geht auch gar nicht. Ein Fehler. Ich wollte mich mal Neuem offen gegenüber zeigen.“

„Das ist gar nicht deine Art.“

„Ich weiß, ich tue es auch nie wieder. Es führt ja nur zu Enttäuschungen.“

„Soll ich dir die Zwiebel aus dem Gesicht nehmen?“

„Nein, das lohnt nicht. Ich putze mich am Ende.“

Kellner #3, Daniel, kam an den Tisch:

„Alles gut bei euch? Noch ’ne Mezzo-Mix?“

„Danke, alles bestens!“, gab ich zur Antwort und blickte ihn mit Röstzwiebel im Gesicht fröhlich an, um fortzusetzen: „Ja, ich weiß, da ist ’ne Zwiebel im Bart, ich putze mich nach dem Essen.“

Daniel schmunzelte, fiel ungeschickt die Anhöhe herunter, auf der unser Tisch stand und ging zum nächsten Gast.

„Toll. Als wären wir alte Sandkastenfreunde! Hast du gemerkt? Wir waren direkt auf einer Wellenlänge. So unnahbar bin ich gar nicht!“, triumphierte ich.

„So eine Zwiebel im Gesicht macht dich auch volksnah.“

„Buletten Bernhard“ ist für mich also nun die Burger-Kette schlechthin, die bald auch im Düsseldorfer Medienhafen eine Filiale eröffnen wird, wie ich diverser Publikationen im Netz entnehmen konnte. Vermutlich werden sie Probleme mit „Hans im Glück“ bekommen, denn auch die verkaufen einen Burger mit dem Namen „Wilder Westen“, was aber nicht mein Problem sein soll.

BONUS – Kleine Osterbilanz


Was verbirgt sich hinter dem „Seppoversum“?!

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