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Jeder hat diese wiederkehrenden Träume, die meist nicht feucht enden. Ich beispielsweise träume alle paar Wochen, dass ich plötzlich das Abitur machen muss, obwohl ich es auch in der Traumrealität bereits in der Tasche habe. Zum Muster gehört leider auch, dass ich erst wenige Tage vor den Klausuren davon erfahre und keine Zeit zum Lernen mehr habe. Offenbar ist das ein Trauma aus 13 Jahren Schule und fünf Jahren Uni. Denn auch die Variante gibt es: dass ich träume, ich müsste eine Klausur an der Uni nachholen, deren Schein mir noch fehlt.

Große Erleichterung jedes Mal, wenn ich dann aufwache und nach gewisser Kulanzzeit realisiere, dass es eben nur ein Traum war. Freunde von mir träumen übrigens das gleiche, sie kennen das Schema und das hatte man uns vor dem Abi nicht gesagt, dass es uns noch Jahrzehnte verfolgen würde.

Traumdeutung gehört ja inzwischen zurecht auf die Müllhalde der Irrwege der „Wissenschaften“, aber dennoch würde ich mal gerne wissen, was hinter diesem Traummotiv steckt. Natürlich, irgendeine Form der Angst. Denn gerade zu Uni-Zeiten war mein großes Thema, ob ich es schaffen würde, in, sagen wir mal, acht Wochen für drei Klausuren zu lernen. Letztlich ging es ja alles gut.

Zu diesen Standard-Träumen hat sich nun ein neues Motiv gesellt. Jüngst gestern gaukelte mir mein Gehirn in den frühen Morgenstunden eine Komplettrasur vor.

Darum Bart“ ist eine heitere Serie im seppolog, die sich natürlich an Bartträger richtet, von denen es immer mehr gibt. Medial ist der Bart ohnehin voll im Trend und derzeit beobachte ich, dass die Bärte nicht lang genug sein können. Und was immer geht, sind tätowierte Bartträger mit „man bun“ und einem Kleinkind, vielleicht sogar Säugling, auf dem Arm. Das berührt die Frauen und auch ich kann es nicht unsexy finden.

Bei Facebook bin ich Mitglied in diversen Bart-Gruppen. Passiv, lese dort gelegentlich mit. Meist aber geht es dort um selfies von Männern mit Bart (man nennt sich dort „Bart Bro’s“), aber auch (bartlosen) Frauen, die lasziv in die Kamera gucken und beispielsweise schreiben „Guten Morgen, Ihr Lieben!“. Der Satz rechtfertigt dann das Foto, auf dem sie sich in Szene setzen (völlig okay, ich hoffe jetzt nicht rauszufliegen!). Übrigens, bei allem mir unterstellten Narzissmus, den ich natürlich auch feiere und eher selber parodiere, muss ich eines mal loswerden: Ich finde nichts unattraktiver als Frauen, die sich vor den Hintergrund einer Industrieruine stellen und wahlweise mit duckface oder einem sehr ernsten, leicht arroganten Gesichtsausdruck in die Linse gucken. Das ist vielleicht der jahrelange Einfluss von „Germany’s next Topmodel“, der da eine ganze Generation verhunzt hat.

Ich guck’s auch. Freiwillig übrigens. Und bei jedem Fotoshooting setzen die derzeit Perücken auf, sodass ich diese Masse an gleichgeschalteten Mädels als einen Brei verstehe und sie einfach nicht unterscheiden kann. Meine Mitbewohnerin ist stets so freundlich, mir mitzuteilen, dass es gerade, keine Ahnung, Biggi ist, deren Nippel auf bild.de zu sehen war und die deshalb grandios zusammenbricht. Ist doch nur ein Nippel, Biggi.

Diese inszenierten Bilder, denen jede Natürlichkeit abgeht, die schreien „Seht, wie schön ich mich finde!“, haben doch nichts Attraktives! Ich kann sie nicht ernst nehmen (was möglicherweise ein Problem von mir ist), eben weil sie massiv gestellt sind. Das ist eine persönliche Meinung, ich empfinde das als teilweise eher peinlich und lächerlich, weiß aber auch, dass anderen Männern durchaus einer dabei abgeht. Aber wenn ich schon die Industrieruinen sehe … Gutes Beispiel auf meiner Chronik, das mir immer wieder entgegen kommt, ist ein Püppchen, dessen Schmollmund eine groteske Karikatur seiner selbst ist, der ruft „Steck‘ ihn genau hier rein“, denn was will eine Frau denn sonst mit solchen Lippen ausdrücken? (Heikles Argument, das in die Richtung „Sie wollte es doch gar nicht anders!“ geht. Ich stelle hierzu fest: Keine Frau wünscht sich abseits jedes Fetisch eine Vergewaltigung. Aus gutem Grund.) Wenn ich ihre selfies sehe, bin ich hysterisch fassungslos und kann nur noch lachen. Selbst als Wichsvorlage eine völlige Fehlbesetzung. Und warum „folge“ ich dann dieser Person noch? Weil sie wie ein Unfall ist, bei dem man nicht wegsehen kann. Sie schmeißt sich so dermaßen an die Kamera ran, das ist so unfassbar lustig, dass ich selbst bei diesen Zeilen darüber lachen muss. Und wie dann ihre Freundinnen ihre likes regnen lassen. „Oh, du bist super sexy!“ – „Hey, dank dir, du aber auch!“ Smiley, Herzchen undsoweiter …

Wie kam ich drauf? Achja, in den Bartgruppen ist es nicht anders, dort sind es mitunter Männer, die sich ablichten. Mit Bart, denn um den geht es dort. Aber nicht nur um die Präsentation, es geht da durchaus auch um sinnvolle Tipps und Beratung. Hat alles seine Legitimation. Nebenbei erwähnt: Die Länge meines Bartes wird dort nicht ganz zu Unrecht belächelt, dort tummeln sich ganz andere Kaliber!

Ich find‘ das okay. Wir haben alle Freiheiten und niemand muss es sich ansehen. Aber es sollte auch dem Betrachter unbenommen sein, zumindest darüber etwas zu schmunzeln. Ich tue auch Dinge, über die ich selber an sich lachen müsste; ich spreche mich davon nicht frei. Denn das sind alles keine wichtigen Dinge im Leben. Ein plötzlicher Tod eines Nahestehenden rückt die Relevanzen umgehend zurecht. Das alles ist nicht wichtig.

Facebook ist ein Hort der Selbstdarsteller, manch einer geht sogar soweit, dass er das auf ein Blog ausweitet. Das ist eben die Zeit, in der wir leben, keine größeren Probleme haben und uns mit Oberflächlichkeiten wie zum Beispiel einen Bart auseinandersetzen können, denn um das tägliche Überleben müssen wir derzeit nicht kämpfen. Kann aber alles wieder kommen.

Dem Barttrend weht zunehmend Gegenwind ins Gesicht. Das haben Trends so an sich, sie flauen irgendwann einmal wieder ab. Doch angesichts dieser antiken Fotografie, die man mir zuspielte, ist für mich klar, der Bart kann bei mir nur lebenslanger Trend sein:

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Kollegin Natascha spielte mir den Screenshot zu, der sie nicht ganz zu Unrecht erheiterte. Mich hingegen schockierte er und ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, dass meine Mitbewohnerin sich diesen Zustand in ihren Träumen zurückwünscht. Das Bild mag zwei Jahre alt sein, inzwischen habe ich sogar wieder Haupthaar, was ich auch mal für unmöglich hielt. Ich war ein Ei. Und so erklärt sich mein jüngst immer wieder kehrender Traum:

Ich sitze in jenem bei einem Frisör, der sich meines Haupthaares annehmen soll und fragt:

„Wie darf es denn aussehen?“

Und ich sage:

„Fühlen Sie sich frei! Sie sind der Fachmann!“

Ich sieze auch im Traum.

Der Frisör missversteht das und fühlt sich nicht nur in Bezug auf mein Haupthaar frei, sondern nimmt sich auch meines Bartes an. Und kürzt ihn derart, dass er nachher weg ist. Ich finde mich zuhause vor dem Spiegel wieder und bin bestürzt. Kann es nicht fassen. Der Bart: weg! Und erinnere mich auch im Traum daran, wie lange das Wachstum gedauert hatte. Erinnere mich der Übergangszeit, in dem der Bart schon irgendwie vorhanden, aber bei Weitem nicht vollständig ausgeprägt war. Frauen werden das kennen, wenn sie sich ihre Haare lang wachsen lassen. Man muss da durch. Es sieht streckenweise nicht toll aus, ist aber eben der Weg, den mann gehen muss.

Eine andere Variante dieses Albtraumes ist die, dass ich selber auf die Idee komme, mir den Bart abzunehmen, um es hernach schwerstens zu bereuen. Darum eben Bart. Nicht, weil es Trend ist, sondern weil ich andernfalls so aussehe wie auf dem Bild des Grauens oben. Das sollte sich meine Mitbewohnerin sehr genau ansehen, vielleicht sogar ausdrucken und rahmen. Als Mahnung. Willst Du das wirklich?

Vorgestern geschah etwas ganz Reales. Alle paar Wochen gilt es, Ordnung in den Bart zu bringen, dann nämlich, wenn ich ihn selbst mit Pomade nicht mehr in den Griff bekomme. In der Regel lasse ich dann meine Mitbewohnerin ausgestattet mit einer meiner unzähligen Bartscheren ans Werk schreiten, mitunter nutze ich selber aber auch den Barttrimmer. Leider habe ich mich da jüngst mit den Aufsätzen vertan, ich nahm den 12 Millimeter-Aufsatz statt des 24 Millimeter- Aufsatzes. Beim Schlagen der ersten Schneise durch den Bart wurde mir das Unglück bewusst, wie auch die Tatsache, dass es zu spät war, den Aufsatz zu wechseln. Ich habe nun versehentlich acht Wochen des Wachstums abgeholzt. Es ist wie eine Kastration. Welch‘ bitterer Moment. Gut, ich sehe nun wieder etwas jünger aus, aber aus Alter mache ich mir nichts, sodass ich mir diesen Fauxpas nicht schönreden kann. Ich kann jetzt nur warten. Vier Wochen etwa, bis das Gröbste wieder nachgewachsen ist.

Meiner Mitbewohnerin gefällt das, da sie nun in intimen Momenten nicht mehr Barthaare im Mund hat. Ich hatte sie teilweise schon selber im Mund, daher schritt ich ja auch zur Tat. Jetzt aber vermisse ich sie. Die Haare im Mund. Darum Bart.

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