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Ganz selten unterlaufen mir Fehlentwicklungen im seppolog. Wie heute Morgen. Man denkt, man hat eine grandiose Idee und stellt während des Schreibens fest, dass es sich bei dem Erdachten um groben Mist handelt. Dann verlässt man den Schreib-Automaten, wandert in der Wohnung herum und geht in sich. Und ahnt: „Das ist eine völlige scheiß Idee. Gedankenlesen! Was für eine abgedroschene Kacke!“ Und dann beißt man in den Apfel und schenkt sich die Veröffentlichung.

Und ich glaube, das ist mir heute höchstens zum dritten Mal geschehen. Solche Texte bleiben dann noch eine Weile als Entwurf gespeichert, ehe ich sie dann irgendwann vergesse oder lösche. Weil’s geht, lösche ich diesen nicht, um zu demonstrieren, dass mir teilweise der Unsinn meines Geschriebenen durchaus bewusst ist. Beim folgenden Werk war es so. Wenn ich mal sterbe, wird die Nachwelt diesen Text neu verlegen als „Sein Unvollendeter“. Gut, man wird ja noch träumen dürfen.


Ich mag ja Stille. Vielleicht stehe ich deshalb morgens gerne früh auf, weil der frische Tag gerne still beginnt. Letztlich sind es aber wohl eher die Gene, die uns in Früh- und Spätaufsteher einteilen, wie diverse Untersuchungen als Erkenntnis ans Licht brachten.

Wenn ich morgens aufstehe, bin ich das erste Viertel des Tages erst einmal alleine, wobei ich natürlich noch mich habe, ich sehe mich durchaus als Person, mit der ich selber interagieren kann. Es sind die Momente, in denen ich mir selbst genug bin, was ich dankbar als Luxus begreife. Ich lese dann sehr viel und schreibe dann sehr viel. Wenn dann noch die Rahmenbedingungen eines Lebens in diesem Jahrhundert stimmen, bin ich an sich unfassbar zufrieden. Exakt wie in diesem Moment. Es ist Samstagmorgen, zehn Uhr 44, ich verweile im 90 Grad-Winkel im Bett, lese die Nachrufe zu Genscher, die Fenster weit geöffnet, da die Sonne scheint, und hadere mit einem seltsamen Ereignis, das gestern seinen Anfang nahm, als ich um sechs Uhr morgens vom Wecker meiner Mitbewohnerin aus ohnehin miesem Schlaf gerissen wurde.

Dazu muss der Leser wissen, dass sie morgens noch einige Minuten im Bett verweilt, nachdem sie ungefähr dreimal „Snooze“ gedrückt hat, und diesen Blog liest. Und dann hörte ich sie reden.

„Was schreibt er da? Ich verstehe das nicht. Soll das ein Witz sein?! Ich verstehe nie, wann er etwas ernst meint und wann nicht.“

„Hallo. Ich bin wach. Ich meine was nicht ernst?“

Erschrocken blickt sie mich an. „Ich hab‘ gar nichts gesagt!“

„Oh, dann hab‘ ich wohl noch geträumt. Liest du meinen Blog?“, frage ich.

„Ja. Ganz nett.“

Aha, ganz nett. Nun bin ich hellwach. Ihre Kritik ist mir nicht unwichtig und ich weiß, dass „ganz nett“ eine Katastrophe ist. Nun kann ich nicht mehr schlafen, da ich den Traummacher an sich für einen mehr als „ganz netten“ Artikel hielt. Ich verbleibe im Bett und lese. Ich versuche zu lesen. Denn meine Mitbewohnerin scheint extrem redebedürftig, während sie in der Küche frühstückt.

„Was brabbelst du da die ganze Zeit?!“, rufe ich.

„Waaas?!“

Das kenne ich sehr gut von meinen Eltern. Unterhaltungen über weite Distanzen hinweg. Mein Vater guckt „Sportschau“, meine Mutter beginnt eine Etage höher eine Unterhaltung mit ihm. Keiner versteht den anderen, das anfängliche Rufen schaukelt sich zu einem Brüllen hoch. Nicht zu einem aggressiven, denn es geht ja nur um die akustische Verständigung.

Wegen des technischen Fortschritts müssen meine Mitbewohnerin und ich uns nicht anbrüllen. Ich beschließe, sie via Facebook videoanzurufen. Von Schlafzimmer in Küche. So kann ich im Bett verweilen.

„Hallo. Ich bin’s“, begrüße ich heiter.

„Ja, das sehe ich. Rufen wir uns jetzt schon innerhalb der Wohnung an?“

„Ja, ich halte das für eine revolutionäre Idee. Kommt wohl nicht so gut an bei dir?“

„Ne, tut’s nicht.“

„Folgende Situation: Du redest die ganze Zeit. Es lenkt mich vom Lesen ab. Mit wem redest du?!“

„Ich rede nicht! Ich sah die ‚Tagesschau‘ mit Jan Hofer und hasse Jan Hofer. Aber ich rede nicht. Mit wem denn auch?“

„Hm, okay. Ich lege nun auf.“

Nach zwei Weilen verabschiedet sie sich, da sie ungünstigere Arbeitszeiten als ich hat. Gibt mir einen Kuss und sagt:

„Er hat furchtbaren Mundgeruch.“

Ich bin dezent erstaunt: „Du redest mit mir in der dritten Person, während deine Zunge meine abklatscht?!“

„Ich habe gar nichts gesagt! Bis heute Abend!“

„Jo. Bis heute Abend.“

Dann tauschen wir zärtliche Worte aus, deren detaillierte Wiedergabe hier nichts zu suchen hat.


Ja, da kam dann der Moment, wo mir klar war, das wird nichts mehr. Wer wünscht sich eine Fortsetzung?

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