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Ich habe gerade ganz nebenbei eine Frage Tucholskys beantwortet, die ich mir vor geraumer Zeit zu eigen gemacht habe:

„Darf Satire alles?“

Satire ist hierzulande gesellschaftlich und gesetzlich legitimiert und erlaubt, was durch gestrige Ereignisse nicht in Frage gestellt ist, sondern nur höchstrichterlich noch einmal untersucht werden soll, was schlicht unserem Recht entspricht.

Dieses Recht kann man durchaus in Frage stellen, aber es gilt nun einmal und an geltendes Recht ist sich zu halten oder wir schaffen es ab, was ja hoffentlich in diesem Fall dann auch 2018 geschieht. Ich hätte es nebenbei eleganter gefunden, es direkt abzuschaffen und sich so dieser irgendwo auch albernen Nummer zu entledigen. Frau Merkel sagte leider nicht:

„Wir schaffen den unseligen Paragraphen noch heute Nachmittag ab, sodass wir Herrn Erdogans Wünschen aufgrund fehlender Rechtsgrundlage nicht nachkommen können.“

Das wäre irgendwo auch Satire gewesen.

Also, Satire ist erlaubt. Alles, was erlaubt ist, geht. Darum ist es ja erlaubt. Somit darf Satire alles. Sie darf nur nichts Unerlaubtes. Tut Satire etwas Unerlaubtes, beißt sich der Hund in den Schwanz. Oder die Katze. Denn unerlaubt ist nicht erlaubt, und da Satire erlaubt ist, ist sie erlaubt. Was unerlaubt ist, ist nicht erlaubt, damit auch keine Satire, denn sie ist ja erlaubt. Kann der Leser mir folgen? Stellt man also fest, etwas war unerlaubt, dann war es zumindest keine Satire, denn die ist ja erlaubt.

Ich hätte gerne gesehen, dass Frau Merkel auch das gesagt hätte, um Erdogans Kopf zu sprengen beim Versuch, dem Gedanken zu folgen. Ich füge aus Sicherheitsgründen hinzu: Der Kopf soll nicht im wörtlichen Sinne gesprengt werden! Das lehne ich für das Gros der Menschen ab. Es werden keine Köpfe gesprengt! Auch das ist nicht erlaubt. Ich nehme an, dass sogar das Kriegsrecht das pure Sprengen von Köpfen nicht erlaubt. Und füge hinzu, dass ich das Kriegsrecht in der Causa Böhmermann (Alle Medien schreiben gerade so schön über „Causa“ Böhmermann, ich wollte da nicht hintanstehen!) keinesfalls anwenden möchte! Ich sowieso nicht, denn wenn ich einen Krieg ausrufe, interessiert das niemanden. Zurecht! Und ich füge hinzu, dass ich weit davon entfernt bin, Kriege auszurufen. Und ich füge auch hinzu, dass es sich hier nicht um Satire handelt, denn ich würde mich mit dem Probieren an Satire mit Sicherheit verheben. Da fehlen mir Geist und Handwerk zu.

Meinen Satire-Gedankengang möchte ich zur besseren Verständlichkeit in eine Formel gießen:

e≠u erlaubt ist ungleich unerlaubt

S=e Satire ist erlaubt

und wenn S=e, aber eu, dann folgt automatisch:

S≠u also Satire ist nicht unerlaubt (oder: nicht nicht erlaubt), also erlaubt!

Ich neige ja nie, wirklich nie, aber so extrem nie dazu, mich selber zu loben oder zu feiern. Doch angesichts der Erkenntnis dieser an sich so simplen Formel, die eine uraltes Problem löst, muss ich mich nun für einige Minuten feiern. Der Leser ist herzlich eingeladen, nach Auswendiglernen der SeppoSatireFormel ™ mir dieses gleichzutun.

 

Sind unsere Zeiten wirklich unsicherer geworden? Ich selber neige dazu, mich in die Neunziger zurückzuwünschen. Allerdings nicht zu mir als 20-jährigen, sondern mit jetzigem Erfahrungsschatz. Ich hasse meine Zwanzigerjahre regelrecht. Aber die Neunziger waren vielleicht wirklich ruhiger, doch Historiker neigen zur Ansicht, dass sie lediglich eine Zwischenphase waren kurz nach dem Erkalten des Kalten Krieges, in der die Grundlagen für derzeitige Probleme gelegt wurden. Rücksichtslose Nato-Erweiterung, überschnelle EU-Erweiterung und so weiter. Im Nachhinein ist man immer schlauer.

Aber vor den Neunzigern? War doch auch nicht so doll. Kalter Krieg, in dem wir dreimal, teilweise ohne, dass die Öffentlichkeit es wusste, vor einer atomaren Katastrophe standen? Sieht man von AKW als Terrorziel einmal ab, glaube ich doch, dass wir einem Atomkrieg derzeit nicht so nahe sind, wie wir es mal waren.

Abseits aller Hysterie, die aber vielleicht auch nur im Netz stattfindet, haben wir einen extrem stabilen Rechtsrahmen, innerhalb dessen wir Krisen lösen können. Und ja, es sind eben große Krisen, die sich nicht in einer Werkwoche lösen lassen. Das dauert dann halt einige Jahre. Und ich erlaube mir den Optimismus, dass gerade die EU, die sich nie einig war, spätestens dann, wenn der GAU droht, urplötzlich zu einer Lösung kommt. Ich lehne grundsätzlichen Pessimismus gepaart mit verschwörungstheoretischen Gedanken immer ab. Wir werden beispielsweise auch einen „Brexit“ verkraften. Nur die Briten nicht, was mir dann aber egal ist. Ich kann dieses prophetische Katastrophendenken nicht ertragen. Wir sind eine reiche, starke Region in der Welt, wir wuppen das schon. Wie lange sollen wir denn einen Staat mitschleppen, der im Grunde schon immer euroskeptisch war?! Dann sollen sie eben gehen. Ich weiß um die dann bevorstehenden Umwerfungen, aber wer würde denn die Briten zum Verbleib zwingen wollen?!

Mich hatte erstaunt, mit welch zittriger Stimme Angela Merkel die Entscheidung der einen Hälfte der Bundesregierung vorgetragen hatte. Das offenbarte, dass sie sehr genau wusste, was sie da tat. Es war nicht leichtsinnig, es war eine wohlüberlegte Entscheidung in einem aus ihrer Sicht Dilemma. Ich sage nicht, es war die richtige Entscheidung, aber auch nicht, dass es die falsche war. Es war „nur“ eine politische. Sie hat das Urteil nicht zu fällen, wie sie selber betonte. Und viel zu viele haben ihren Seitenhieb auf den türkischen Rechtsstaat überhört. Ich ertrage nicht die Stimmen im Netz, die davon sprechen, dass die Meinungsfreiheit bei uns eingeschränkt sei. Uns fehlt das Maß dazu, denn wir wissen gar nicht, wie es sich in einem Staat lebt mit geprügelter Meinungsfreiheit. Sollte allerdings Böhmermann ein ungünstiges Urteil ereilen, würde ich meine Meinung revidieren müssen. Aber ich rechne mit einem guten Ausgang für ihn und damit auch für die Meinungsfreiheit, die dann absolut gestärkt aus der Nummer hervorgeht. Da wird auch Erdogan Augen machen oder Frau Merkel verklagen. Was seinen Humor beweisen würde.

Vielleicht erleben wir gerade die Sternstunde von Meinungsfreiheit. Sie hat gezittert! Weil sie wusste, keiner akzeptiert hierzulande ihre Einschränkung!

Aus Solidarität zu Jan Böhmermann kündige ich auch ich eine kurze Pause an und werde erst morgen wieder etwas schreiben.


 NURBART