zweiteslebenI

Hoerbar_haare
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Ich selber stehe unter einem erheblichen Druck, immer lustig zu sein. Das funktioniert dann, wenn man es selber von sich glaubt. Doch was viele nicht wissen und nun erstmals öffentlich hier dokumentiert wird: Es gibt ein zweites Ich. Das wahre Ich. Ein Jahr lang hat Rosonsko Rosenbaum, Deutschlands wohl bekanntester Investigativ-Journalist, der fast Sebastian Edathys neues Leben dokumentiert hätte, wäre ihm da nicht jemand zuvorgekommen, mich begleiten dürfen, um jetzt mein zweites Leben an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich übergebe nicht ohne Stolz die Feder an Rosonsko Rosenbaum. Für einen Text, den ich, wie ich betonen möchte, nicht vorab autorisieren wollte, um der ungeschönten Wahrheit nicht im Wege zu stehen. Es folgt ein Offenbarungseid, wie ihn nur wenige zu leisten bereit sind.

Ich treffe den Mann, der sich penetrant selbst beim Spitznamen „Seppo“ ruft, das erste Mal an einem kalten Junitag im Juli vergangenen Jahres. Das Treffen wurde über unverschlüsselte E-Mail-Server angebahnt, in Zeitungen veröffentlicht, um möglichst unauffällig vorzugehen.

„Der Auffällige fällt am wenigsten auf“, sagte Seppo mir damals. Ein Satz, den er noch oft sagen sollte. Ein Satz, wie man ihn von Menschen kennt, denen Paranoia nicht fremd ist.

Ich treffe einen Mann, der gebrochen ist, der sich keine Mühe gibt, irgend eine Fassade aufrecht zu erhalten. Absolute Ehrlichkeit, keinen Schein, von Beginn an, verspricht er mir. Für die Nachwelt. Für seine Kinder.

Wie viele er habe, will ich wissen. Drei seien es. Sie lebten allesamt auf dem Mars, erzählt er mir. Es ist der Moment, bei dem mir klar wird, dass dieser Mann massiv gestört sein muss.

Ich rufe ihn tags darauf an, will ihm mitteilen, dass ich seinen Auftrag nicht annehmen könne, da ich seinen Verstand anzweifele. Ich bin überrascht, als er wenig überrascht reagiert. Darum gehe es ihm ja, sagt er mir, dass das Unglaubliche endlich ans Tageslicht komme.

Ich ringe mich zu einem zweiten Treffen durch. Es sind diese Momente, die Journalisten so fürchten. Steht man vor einer unglaublichen Enthüllungsgeschichte? Oder wird man Mittel zum Zweck einer PR-Kampagne eines Menschen, der den Schuss nicht gehört hat?

„Ich habe soviele Schüsse gehört, glauben Sie mir, Rosenbaum“, erwidert Seppo mir mit einer Resignation in der Stimme, die nur echt sein kann. Dieser Mann, der da vor mir sitzt an einem sahara-trockenen Regentag im Julo, hat eine Geschichte zu erzählen. Dieser Mann will nicht mehr lügen.

Wir gehen ein paar Schritte. Ich spreche ihn direkt auf sein Hinken an.

„Sie hinken.“

„Ja, ich hinke. Sie nannten mich den ‚Hinke-Mann'“, gibt er zu Protokoll.

Wortkarg führt er mich in eine Tiefgarage und sagt: „Hier. Hier ist es passiert. Hier nahm es seinen Anfang.“

Was nahm seinen Anfang?“, will ich wissen und kann kaum verbergen, dass er meine Neugierde geweckt hat.

Er deutet das Verschließen eines Reißverschlusses an seinem Mund an. Ein begnadeter Pantomime, denke ich. Wo braucht man solche Fähigkeiten?

Seppo schiebt mir einen Zettel zu. Ich solle ihn erst lesen, wenn er gegangen sei.

Er geht. Und ich öffne mit zittrigen Händen das gefaltete Papier und lese:

Raketenforschungszentrum Krefeld, morgen, 1400. Allein.

Mir fällt es schwer, die Botschaft zu entschlüsseln. Als Journalist jedoch verfüge ich über Kontakte. Kontakte aller Art. Ein Mittelsmann der russischen Mafia kann mir den Code übersetzen:

„Er will, dass sie morgen um 14 Uhr alleine im Raketenforschungszentrum Krefeld erscheinen.“

„Morgen“. Verdammt, denke ich. Die Kontaktaufnahme mit dem Mittelsmann hatte eine Woche Zeit beansprucht, den Termin hatte ich also verpasst.

Über einen unverschlüsselten Schlüsselkasten nehme ich abermals Kontakt zu Seppo auf. Es vergehen drei Wochen, bis er reagiert. Ein drittes Treffen kommt zustande. Seppo ist niemand, der über sich redet der lange um den heißen Brei redet, der Smalltalk führt. Er kommt direkt zum Punkt:

„Wo waren Sie? Was haben Sie an meiner Botschaft nicht verstanden?“

„Die 1400. Das fand ich schwierig. ‚Zwei Uhr am Nachmittag‘, das hätte ich verstanden“, entschuldige ich mich.

Seppo schmunzelt. Ja, sagt er, das sei wohl sein Fehler gewesen. Eine Angewohnheit aus seinem zweiten Leben.

Erstmals erwähnt er von sich aus jenes zweite Leben. Ich bin hin und her gerissen; soll ich nachhaken? Soll ich warten, bis er von sich aus redet? Ich merke schnell, er ist jemand, der erst einmal nur misstraut. Vertrauen aufzubauen kann bei ihm ein hartes Stück Arbeit werden. Ein so wichtiges jedoch im Journalismus.

Ich gehe aufs Ganze: „Seppo, es gibt kein Raketenforschungszentrum Krefeld.“

Er lacht. Und sagt: „Ach, nein?! Meinen Sie? Sehen Sie, darum geht es hier. Es gibt eines.“

Und da ist wieder so ein Moment. Einer, wo ich denke, er führt dich an der Nase herum. Was soll das sein, das Raketenforschungszentrum Krefeld? Eine geheime Militärbasis? Eine Basis von Außerirdischen?

Seppo scheint meine Gedanken lesen zu können. Er sieht mich nicht an, doch ich merke, er weiß, was ich denke.

„Sie wissen, was ich denke?“

„Ja. Und es ist keine geheime Militärbasis. Es ist … es ist … es ist ein …“

„Ja?“

„Ein Raketenforschungszentrum. Von der rutztekischen Regierung. Mitten in Deutschland.“

Er macht eine Pause. Er hat ein Gespür für Pausen.

„Und ich arbeite dort.“


Die Ereignisse werden fortgesetzt.