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Wir haben eine neue elektrische Zahnbürste. Dem ging ein langer Kampf zwischen meiner Mitbewohnerin, nein, zwischen mir und meiner Mitbewohnerin voraus.

Und natürlich muss es eine elektrische Zahnbürste sein, auch wenn mir bewusst ist, dass eine manuelle es ebenfalls tut, doch gilt: Alles, was einen Motor hat, ist besser. Deutschlands Panzer sind nicht deshalb so beliebte Exportschlager, weil sie pedalbetrieben wären, sondern weil sie ordentlich motorisiert sind. Und eine Zahnbürste ist nichts anderes als eine Waffe an der Front der Oralzone, die etwas völlig anderes ist als die Uralzone, die so auch nicht heißt. Ah, ich hatte die Sahelzone im Kopf.

Fachleute zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie in einem bestimmten Fachgebiet sehr, sehr klug sind. Und dadurch, dass sie sich gerne untereinander widersprechen. So sagte mir vor einiger Cait eine Zahnärztin, dass das Putzen mit einer E-Zahnbürste durchaus angezeigt sei, während mir jüngst eine Fachfrau sagte, Schlimmeres könne man seinen Zähnen gar nicht antun, obwohl ich glaube, dass das Putzen derer mit einem Plutoniumstab noch viel schlimmer wäre, aber auch nicht zur Debatte steht. Würde man Plutonium legalisieren, würde man viele Menschen entkriminalisieren.

Eine weitere Fachfrau – ich umgeben mich nur mit Frauen – riet mir, lediglich zweimal pro Tag die strombetriebene Bürste und abends die Handzahnbürste zu benutzen. Das klingt nach Kompromiss, nach Wischiwaschi und nach Ansichweißmannichtwasgutistundwasnicht. Da ich aber seit 20 Jahren keine Karies mehr hatte und auch sonst ein strahlendes Lächeln hätte, wenn ich denn mal lächeln würde, bleibe ich bei meiner Motorbürste.

Sie oszilliert.

Sie pulsiert.

Auch das weibliche Geschlechtsorgan kann pulsieren. Allerdings nicht oszillieren.

Die Bürste, die meine Mitbewohnerin und ich benutzten, benutzten wir bereits seit sieben oder acht Jahren, was nicht für die Bürstenköpfe gilt, sei dem affektierten Leser gesagt. Eine klassische Bürste aus dem ehemals deutschen Hause „Braun“. Was Braun nicht wissen kann: Schaltet man in unserem Bad das Licht aus, versiegt jeglicher Stromzufluss in der Nasszelle. Und so hängt auch die Akkubürste an einem Ladegerät, das überwiegend auf dem Trockenen sitzt und so nahm es nie Wunder, wenn die Bürste einmal ihren Dienst quittierte, während man noch mit dem unteren, linken Quadranten des Gebisses beschäftigt war. Da dies nicht oft vorkam, war der spontane Umstieg auf die Stielzahnbürste mit umseitigen Zungenreiniger kein Problem.

Seit etwa einem Jahr pfiff die Bürste jedoch auf ihrem letzten Loch, obiger Ausnahmefall wurde zur Regel. Allerdings – und das ist das Problem – nur bei mir. Nicht bei meiner Mitbewohnerin. Wann immer ich meine Zähne in den vergangenen Monaten putzte, versiegte die Akkuleistung, bevor ich überhaupt den Oberkiefer in Angriff genommen hatte. Ich gebe zu, dass ich mir bis zu acht Minuten die Zähne putze, da ich dabei immer eine Zeitung lese und Artikel nicht mittendrin unterbreche. Und der Tagesablauf meiner Mitbewohnerin und, nein, mir und meiner Mitbewohnerin fügt sich dergestalt, dass sie in der Regel ihre Zähne vor meinen putzt. Also, nicht, dass sie meine Zähne putzt, aber ich meine, nachdem sie ihre. Mit anderen Worten: Sie hat stets den letzten Saft aus der Zahnbürste gewrungen, sodass für mich nur noch ein klägliches, stotterndes Oszillieren übrig geblieben war.

Auf diese Weise wurde ich in den zurückliegenden Wochen dreimal pro Tag hochaggressiv und wies sämtliche Mitbewohner an, stets das Licht im Badezimmer eingeschaltet zu lassen, damit die Bürste permanent geladen würde. Verschwendung! rufen nun die Gutmenschen, doch sie liegen falsch. Fragen wir mal die Österreicher, was sie von unseren Kohlestromexporten derzeit so halten. Ginge es nach ihnen, würden wir alle unser Badezimmerlicht ohn‘ Unterlass eingeschaltet lassen. Der Atomausstieg ist unsere Rache für Hitler.

Doch auch das stetig leuchtende Licht und die damit garantierte Stromzufuhr genügte nicht mehr, ich konstatierte:

„Der Akku der Bürste ist hinüber. Nach 22 Stunden Ladezeit müsste die Bürste etwa 14 Putzvorgänge bewältigen können. Sieben, wenn man meine Putzdauer zugrunde legt. Sie schafft nicht mal mehr zwei.“

„Bei mir geht sie aber nie aus!“, nüchtern meine Mitbewohnerin.

Also vergingen weitere Wochen, in denen sich meine Aggressionen zunehmend gegen die Bürste richteten. Das wuchs sich sogar gegen andere Bürsten aus; ich hasste selbst unsere Flaschenbürste, deren Anschaffung ich dereinst sehr sinnvoll fand, die aber wirklich absolut überflüssig war. Ich wusste schon, als ich sie jedes Mal aufs Neue in den Mund schob, die Zahnbürste!, dass sie noch während der Unterkieferpflege aufgeben würde. Und so kam es jedes Mal, sodass meine Mitbewohnerin ein lautes Fluchen aus dem Bad vernehmen musste.

Ende vergangener Woche hörte ich, wie sie ihre Zähne putzte, was dem Motorengeräusch der Zahnbürste geschuldet war. Und ich hörte, dass dieses verdächtig früh, nach etwa 30 Sekunden, verstummte. Ich ahnte, nun endlich hat diese scheiß Drecksbürste auch ihrem Mund vorzeitig den Dienst versagt! Doch ein Fluchen hörte ich nicht.

Wenig später kam meine Mitbewohnerin betont gelassen aus dem Bad und pfiff ein Lied. Da Nick Knatterton mein Großvater war – kein Witz! – wusste ich natürlich, hier überspielt jemand einen Tatbestand, der mir die Genugtuung nicht gönnen wollte.

„Habe ich Recht, wenn ich ins Blaue hinein rate, dass du nun auch der Meinung bist, dass wir eine neue Zahnbürste brauchen?“

Überrascht von meiner knallharten und schonungslosen Frage zerfiel binnen Sekunden ihre Fassade und sie gab zu:

„Ja. Bestell eine.“

Gestern ist unsere neue „Oral-B Z5000“ angekommen. 50 Euro. Meine Mitbewohnerin denkt allerdings, ich hätte die 30 Euro-Variante genommen. Auf diese Weise erfährt sie nun von meiner Veruntreuung meines Geldes. Doch die 50 Euro-Variante heißt irgendwas mit „precision clean“ und „cross action“. Das sind Begriffe, die mir 20 Euro wert sind, denn wer bin ich, eine Zahnbürste ohne „cross action“ zu kaufen?! Davon abgesehen, sparen kann ich ja an den Bürstenaufsätzen. Es ist wie bei den „Gillette“-Rasierern, die man für billig Geld bekommt, während die neuen Klingen das Bruttoinlandsprodukt von Rutztekostan kosten. Ein echter Mann übrigens weiß gar nicht, was „Gillette“ ist …

Unsere alte Zahnbürste klang im Betrieb wie eine Schlagbohrmaschine. Die neue ist da besser. Sie klingt ein wenig nach Staubsauger, also bedeutend leiser. Und sie wird sich beweisen müssen, da wir unser Badezimmerlicht nun wieder abschalten, sofern wir dem Bad fernbleiben. Sollte man Fernreisen fernbleiben? Ich suche eine Fernbleibe für meine Bernreise.

Ich lese Bedienungsanleitungen. Immer. Nicht, weil ich eine Zahnbürste nicht zu bedienen wüsste, aber ich will die Geräte kennen, die ich besitze. Und hätte ich nicht die Anleitung zur „Oral-B Z5000“ gelesen, wüsste ich nicht, dass man das Ladeteil nicht in die Spülmaschine stellen darf. Denn das war das erste, was ich machen wollte; es einmal richtig durchspülen. Und ich weiß nun auch, was mir die rote Kontrolllampe sagen will: Drückt man die Bürste zu fest auf die Zähne, leuchtet diese auf. Es ist die „Andruck-Kontrolle“. Manuel Andruck würde sich im Grabe umdrehen, läge er drin und hieße er nicht „Andrack“. Ich habe meiner Mitbewohnerin umgehend deutlich gemacht, dass ich meine Zähne auf Männerart putze: Mit Gewalt. Wenn bei mir die Andruck-Kontrolle nicht rot aufleuchtet, putze ich zu schwach.


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